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Ab 24. November 2004 präsentiert T-B A21 – Thyssen-Bornemisza Art Contemporary im Space in Progress in der Himmelpfortgasse 13, Wien 1, unter dem Titel MODUS OPERANDI Teile der Sammlung.

Eine Ausstellung mit Arbeiten von Doug Aitken (USA), Ricci Albenda (USA), Janet Cardiff & George Bures Miller (Kanada), Olafur Eliasson (Dänemark), Michael Elmgreen (Dänemark) & Ingar Dragset (Norwegen), Iran do Espírito Santo (Brasilien), Carsten Höller (Deutschland), Carsten Nicolai (Deutschland), Matthew Ritchie (USA) und Cerith Wyn Evans (Großbritannien).

MODUS OPERANDI thematisiert die künstlerische Auseinandersetzung mit Ideen und Gedankenmustern, die in Beziehung zu den Wissenschaften (Naturwissenschaft, Mechanik, Physik) stehen, sowie die daraus abgeleitete Konstruktion von Raum und -wahrnehmung. Künstler schaffen Apparaturen, Versuchsanordnungen und Installationen als Modelle ihrer Ideen und ihres Verhältnisses zur Welt. Ihre Werke sind keine Simulationsmodelle, verstehen sich nicht als Ästhetisierung wissenschaftlicher Erfindungen, sondern allenfalls als Modelle des Verbergens (Dissimulation), der Verschiedenheit und der Transformation. Sie zeichnen sich durch einen exzessiven Reichtum an semantischen und semiotischen Konnotationen aus. Als solche sind sie utopische Momente der Ubiquität und der individuellen Veränderung. Sie fordern den Betrachter zur Interaktion auf, liefern dadurch neue Interpretationsmodi und setzen poetische Impulse, die weit über die mechanische Objekthaftigkeit hinausgehen.

Am Beispiel der präsentierten Werke untersucht MODUS OPERANDI inwieweit (wissenschaftliche) Theorien physikalische Modelle hervorbringen, die wiederum unsere Art des Verständnisses der zugrundeliegenden theoretischen Weltsicht formen. Sie ermöglichen die Entwicklung von Gedankenwelten, ohne eine Sinnhaftigkeit vorzugeben. Dabei steht eine wichtige Funktion der Kunst – nämlich die Erprobung der Gesetze und Strukturen unserer Welt – zur Diskussion. Unsere Realtitätserfahrung ist abhängig von den Objekten und Ideen, die wir produzieren, wobei die zentrale Frage der Funktionalität durch eine erweiterte Weltsicht abgelöst werden kann.

Arbeiten in der Ausstellung Die neue Arbeit von Janet Cardiff und George Bures Miller, Telephone (2004), besteht aus einem aufgezeichneten Telefongespräch zwischen der Künstlerin und einem Wissenschafter über die Beschaffenheit von Zeit und Raum. Aus der Sicht eines Wissenschafters ist die Trennung von Zeit und Raum ein (gängiges) theoretisches Paradigma. Dies steht im Widerspruch zur traditionellen kantianischen Sichtweise einer a-priori Weltsicht. Das Faktum, dass das Gespräch über den signifikantesten Paradigmenwechsel unserer Weltsicht über ein altmodisches Telefon wiedergegeben wird, bringt es auf den Punkt. Die Erfindung des Telegrafen hat ermöglicht, die Nachricht von ihrem Überbringer zu trennen und damit das Signal vom Sender. Die Beschleunigung und Geschwindigkeit des „bewegten Signals” hat rückblickend unsere Vorstellung von Raum und Zeit nachhaltig verändert.

Carsten Höllers Mobile Phi (2004) basiert auf einem Phänomen, das 1912 vom Gestaltpsychologen Max Wertheimer entdeckt wurde: Werden zwei Punkte in rascher Folge nebeneinander projiziert, sieht der Betrachter einen imaginären Ball zwischen den beiden hin und her springen. In der Untersuchung der rekonstruierten Wahrnehmung geht Mobile Phi davon aus, dass die Linearität der Zeit nicht so „real“ ist, wie wir glauben, sondern dass unsere Sinne den Zeit-Raum, in dem wir leben, erst schaffen. Upside Down Goggles (2001), eine weitere Arbeit des deutschen Künstlers ist eine Brille mit Prismengläsern, die das Gesichtsfeld auf den Kopf stellen. George Stratton hat in seinen Untersuchungen erwiesen, dass es eine Versuchsperson innerhalb von acht Tagen schafft, die Welt wieder „richtig herum” zu sehen.

Olafur Eliasson bezeichnet seine Installationen oft als Maschinen oder Experimente und sein Atelier als Laboratorium. Seine Installation Your Welcome Reflected (2003) ist ein Beispiel für eine Reihe von Arbeiten, die sich speziell mit dem Phänomen des farbigen Lichts auseinander setzen. In einem geschlossenen Würfel fungiert ein kräftiger Scheinwerfer, aufgestellt in Augenhöhe, als einzige Lichtquelle. Zwei von der Decke hängende Farblinsen rotieren langsam im Licht. Sie reflektieren jeweils nur eine Farbe des Lichtspektrums an die umliegenden Wände. Das nicht reflektierte Licht erscheint an der dem Scheinwerfer gegenüberliegenden Wand in der jeweiligen Komplementärfarbe. Nachdem die langsame Drehung der Linsen nicht synchron erfolgt, wandern die Projektionspunkte entlang den Wänden, treffen und überlagern sich und generieren so eine scheinbar endlose Zahl an Farbkombinationen. In der Serie Powerless Structures hinterfragen Michael Elmgreen & Ingar Dragset unsere traditionelle Vorstellung von Raumwahrnehmung. Die Serie reorganisiert architektonische und soziale Strukturen, um die den Alltagsobjekten zugrunde liegenden Wünsche und die Mechanismen ideologischer Kontrolle, die selbst bei der einfachen Konstruktion von Wänden, Decken, Eingängen und Ausgängen wirken, zu untersuchen. „Raum“ kehrt sich in den Arbeiten der beiden Künstler nicht selbst hervor, er muss erst durch die weltliche Präsenz der Aktivitäten, die ihn schaffen, hervorgeholt werden. Raum fordert zum Handeln auf, weil er mehrere Verhaltensformen gleichzeitig zulässt. Moon Inside the Wall (1999) ist eine Annäherung an die Phänomenologie der Natur und bringt den Vollmond in den geschlossenen Raum der Galerie. Die Flying Papers (1999) können als Parodie auf die tägliche Büroarbeit interpretiert werden: der Aufwand, der in die Arbeit investiert wird, geht ständig zum Fenster hinaus.

Bekannt geworden ist Iran do Espírito Santo für Arbeiten, die sich mit Fragen der Struktur, des Designs, der Ortes, der Oberfläche und dem Material auseinander setzen. Dabei gilt Espírito Santos Interesse primär dem Dialog, der zwischen dem künstlerischen Werk und dem architektonischen Raum in Gang kommt. Die Glasskulptur (1999) aus der Serie Restless nutzt reflektierende Oberflächen, um im Betrachter ein Gefühl der Orientierungslosigkeit hervorzurufen. Natürliche und kulturelle Muster, die der Künstler sich aneignet, bilden dabei die Basis seiner Überlegungen zu Abstraktion und Repräsentation.

Der rätselhafte Roman „Petrolio” von Pier Paolo Pasolini, 1992 posthum erschienen, dient als Vor- und Grundlage von Cleave 01 (2001) des Waliser Künstlers Cerith Wyn Evans. In der Arbeit liest ein Computer aus diesem Meta-Roman des Literarisch-Labyrinthischen Zeichen ab, die als bewegte Lichtreflexe an die Wand gemorst werden. Der Betrachter folgt der Erscheinung, während daneben ein Neonschriftzug – als Zitat – installiert ist: „Now let’s see what’s happening – In the Superimposed Vision Scene”, heißt es. Auf die Schwelle zwischen dem Literarischen und dem Filmischen anspielend, erkundet Wyn Evans das Kommunikationspotenzial der Skulptur, indem er chiffrierte Botschaften in ein Wahrnehmungs-Labyrinth zitatartiger Bezüge einschreibt. Auch wenn die Verschlüsselung des tatsächlichen Textes eine Distanz zum Original erzeugt – sei es als Morsecode, als Neonleuchtschrift oder als Sound –, ist sie gleichzeitig auch immer Quelle der Sichtbarmachung dieser Information.

Segmentierung, Ellipse, Beschleunigung und Verlangsamung sind nur einige der Mittel, deren sich Doug Aitken bedient, um magische, fesselnde Stimmungen zu schaffen, die den Betrachter umgeben, in seinen Bann ziehen und ihn einladen, ein Universum der Kommunikation basierend auf Bildern und Tönen zu betreten. Seine Audio-Arbeit Skyliner (2004), das einen neuen, immateriellen und enigmatischen Raum im Raum kreiert, funktioniert erst durch die Teilnahme des Betrachters. Seine Bewegungen im Raum aktivieren das Werk und fügen einzelne Tonsequenzen zu einer Komposition.

Portal to Another Dimension (Morris/positive, Mersch/negative) (2000) von Ricci Albenda ist eine Wand-Skulptur, die einen Raum schafft, der dem feinen Inneren einer Seemuschel gleicht, eine „konsensuelle Halluzination”, die wie eine Zone der Intersubjektivität wirkt. Die komplexen formalen Erscheinungsformen dieser Arbeit hinterfragen die beiden Hauptwege der Wissensbeschaffung: den empirischen und den wissenschaftlichen. Bei seiner Suche nach einer Sprache, um die Welt zu beschreiben, hat Albenda eine Obsession für systematische Beschreibungen, Nummerierungen, Buchstaben und Subatomare Teilchen entwickelt. Und dennoch kann der wissenschaftliche Weg nicht den Weg der Sinne und der Empirie ablösen.

Carsten Nicolais Telefunken (2003) ist der Versuch der Symbiose zwischen Ton und Bild: Das CD-Player Signal ist „fehlerhaft angeschlossen” in den S-VHS Signaleingang eines Fernsehers eingespeist, wodurch Audiosignale Bilder erzeugen. Das Diptychon DI-PRO B/W 1/6 cm together with DI-PRO B/W 2/5 cm (2002) ist nicht Träger eines Bildinhaltes, sondern ein Objekt, in dem das Material im Vordergrund steht: Nicolai spannt transluzentes Polyester, das er teilweise mit technisch anmutenden Mustern bemalt, auf Alurahmen. Der Blick des Betrachters bricht an Schattierungen und Durchblicken, an Flächen und Mustern, die scharf heraustreten, und anderen, die undeutlich verschwimmen, woduch das Material des Bildes im Prozess des Sehen plastisch wird.

Matthew Ritchies The Essential Diagrams (2002) besteht aus eine Serie von Zeichnungen, Notizen, Diagrammen, die lose über verschiedene Räume verteilt werden. Diese ausufernde Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie jedes Repräsentationssystem immer nur auf einen spezifischen Betrachterstandpunkt und -zeitpunkt abgestimmt ist. Ritchies „scribbles“ bilden keine Bestätigung einer existierenden Realität, sondern suggerieren eine ständige Rekonfiguration unseres Seins und Hierseins.

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MODUS OPERANDI

mit Janet Cardiff, George Bures Miller, Carsten Höller, Olafur Eliasson, Michael Elmgreen & Ingar Dragset, Iran do Espirito Santo, Cerith Wyn Evans, Doug Aitken, Ricci Albenda, Carsten Nicolai, Matthew Ritchie