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Als ernstzunehmendes fotografisches Genre wird die Gesellschaftsfotografie erst in jüngster Zeit gesehen. Man erkennt zunehmend, daß auch hier Wirklichkeit abgelichtet wird, und sei es in der Pose, die den Zeitgeist spiegelt. In der Reihe ihrer Ausstellungen zur Fotografie hat die Städtische Galerie Erlangen immer wieder auch wichtige Vertreter dieses Genres wie Horst P. Horst oder F.C. Gundlach vorgestellt. Diesmal präsentiert sie zwei Pariser Foto-Studios, vereint im Genre, doch getrennt durch ein Jahrhundert Fotografie-Geschichte. Die Ateliers Nadar und Harcourt stellten Gesellschaftsfotografie mit höchstem Anspruch und höchster Qualität her. Sie wirkten mit ihren Aufnahmen an neuzeitlichen Pantheons mit. Und manche ihrer Zeitgenossen blieben nur durch ihre Aufnahmen im kollektiven Gedächtnis. Victor Hugo, George Sand oder Alexandre Dumas - wir sehen sie durch das Objektiv der Nadars. Die Brigitte Bardot der fünfziger Jahre, die reife Ingrid Bergmann, die kapriziöse Arletty, sie bleiben der Nachwelt nicht zuletzt durch die Aufnahmen des Studio Harcourt erhalten.

Nadar, eigentlich Gaspard-Félix Tournachon (1820-1910) fotografierte ab 1853, als er ein eigenes Atelier eröffnete, so ziemlich alles, was Rang und Namen hatte in der Pariser Welt der Kunst - Literaten, Maler, Musiker und Schauspieler. Sein Atelier, in dem er später auch seinen Sohn Paul aufnahm, wurde zum Treffpunkt der Pariser Bohème. Mit vielen war er freundschaftlich verbunden. Rund 450 000 fotografische Platten umfaßt der Nachlaß des Ateliers Nadar. Rund 80 Abzüge von den Original-Negativen sind in dieser Ausstellung vereint. Nicht die bekannten, vielfach reproduzierten Porträts, sondern Fotos von Schauspielern, von Szenen und Bühnenbildern damals bekannter Theateraufführungen und Revuen, in einer Zeit, in der die Theater, prunkvoll ausgestattet, im Mittelpunkt der Freizeitvergnügen standen. Dank ihrer Vertrautheit mit der Welt des Theaters konnten Félix und Paul Nadar Abbilder überliefern, wie man sie in dieser Weise kaum kennt. Sarah Bernhardt als Lady Macbeth, Coquelin in "Cyrano de Bergerac", Réjane in "Madame Sans-Gêne". In den Revuen und den Feerien gefielen besonders die Travestien. Sie sorgten für sichere Einnahmen. Komisch, sentimental, dramatisch und von ausdrucksstarker Würde sind die Einblicke des Ateliers Nadar in eine versunkene Welt.

Das Studio Harcourt, ein Jahrhundert später (1934-1968), hatte für Frankreich eine gesellschaftlich ähnliche Bedeutung wie das der Nadars. Wenn man etwas war, ließ man sich von Harcourt ablichten. "In Frankreich ist man kein Schauspieler, wenn man nicht beim Studio Harcourt fotografiert worden ist", schrieb Roland Barthes 1957. Freilich war der Stil ihrer Fotografie ein anderer. Die Neugier und Frische der frühen Fotografie war einem ausgefeilten Spiel mit allen Mitteln gewichen, um die Dargestellten zu idealisieren, sie so erscheinen zu lassen, wie die Massen sie sehen sollten. In den besten Augenblicken allerdings gelang es Harcourt, Ideal und Wirklichkeit miteinander zu verbinden.

Die Ausstellungen, die hier zum ersten Mal vereint zu sehen sind, gehören zum Schatz der "Mission du Patrimoine photographique" in Paris, Hüterin des reichen fotografischen Erbe des Nachbarlandes. Die Städtische Galerie Erlangen präsentiert sie in Zusammenarbeit mit dem Französischen Kulturinstitut Erlangen.

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"Nadar und das Theater" und "Harcourt oblige"
Félix Nadar / Studio Harcourt