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Auf den ersten Blick scheint sich Nadim Vardags Kunst dem Kino zuzuwenden: Sie nimmt sich des Prinzips des bewegten Bildes an und sie widmet sich der technisch-materiellen Vorführapparatur des Kinosaals, diesem räumlichen Set aus Projektor, Dunkelraum und Leinwand. Sie ruft es in schlicht „Screen“ genannten Skulpturen, leeren und auf einfache Gerüste montierten Flächen in den klassischen Leinwand-formaten 4:3, 16:9 oder Cinemascope ebenso auf wie in kurzen, aus Filmen extrahierten Loops. Und doch wäre es das ungenügende Ergebnis eines Wunsches nach einfacher, nämlich inhaltlicher und nicht struktureller Erklärung, zu behaupten, das „Thema“ dieser Kunst wäre „das Kino“.

Denn Kino ist hier vor allem selbst ein Bild, ein Platzhalter. Das Kino und besonders seine technische Apparatur liefern zunächst einmal die schlüssigste, weil eleganteste und effizienteste Chiffre für ein weiter gefasstes Prinzip der Projektion – in all seiner schillernden Mehrdeutigkeit zwischen dem schlichten technischen Vorgang, mittels eines gerichteten Lichtstrahls ein Bild an eine Wand zu werfen, auf der einen und der Macht der Einbildung auf der anderen Seite. Dass Kino also das Thema dieser Kunst sei, ist, anders gesagt, selbst schon eine Projektion. Auch wenn man bereits mit dieser Schachtelung bei einer ihrer typischen Strategien angelangt ist: bei der Wiederholung, beim Loop und einer daraus resultierenden reflexiven Reduktion auf sich selbst, die im „Wesentlichen“ zu enden scheint.

So treten filmische Bilder hier stets als nur wenige Sekunden kurze, dekontexualisierte Loops auf, angeeignet aus Kinofilmen wie Henri-Georges Clouzots „Salaire de la Peur“ (1953), Alfred Hitchcocks „Lifeboat“ (1944) oder Jacques Tourneurs „Cat People“ (1942). Sie zeigen meist scheinbar beiläufige Szenen, etwa jene drei ähnlichen, aber eben doch nicht identischen Sequenzen aus „Cat People“, in denen nichts weiter zu sehen ist als Reflexionen des Wassers an Decke und Wand eines Schwimmbads: kurze Schüsse ins Off der filmischen Erzählung, die nur noch mehr Suspense zu generieren imstande sind, da sie die Einbildungskraft der Betrachter anschieben; aber auch Kurzschlüsse zwischen zwei Ebenen, in denen die Bilder just das zeigen, was sie streng genommen sind: nämlich Projektionen auf einer (Lein-)Wand.

Diese selbstreflexive Schleife, in der im Grunde genommen nichts weiter gezeigt wird, als dass etwas gezeigt wird, findet sich auch in Vardags Installationen. Etwa dann, wenn er im Kunstverein Medienturm die Vorführsituation des Kinosaals selbst vorführt: In einem ersten, seitlich einsichtigen Raum steht ein Beamer auf einem kleinen Turm aus grazilen, von Charles und Ray Eames entworfenen Beistelltischchen. Er wirft sein Bild durch ein kleines Loch auf die gegenüberliegende Wand eines angrenzenden, zweiten und ebenfalls seitlich einsichtigen Raumes. Mit einfachsten Mitteln wird hier das Projektionsprinzip des Kinos zitiert – dessen Teilung in Vorführ- und Projektionsraum –, auf seine basalen technischen und räumlichen Parameter zurück-geführt und in einer trockenen Reduktion seiner selbst ausgestellt.

Dieselbe kühle Berechnung, funktionalistische Eleganz und minimale „Härte“, mit der hier an einer enthüllenden Rückführung auf das pur-technische Dispositiv hinter den Bildern gearbeitet wird, findet sich selbst noch im locker-nachlässig auf einem leichten, Aluminiumgestell aufgespannten hellen Stofftuch im Leinwandformat 4:3. Und trotzdem, oder gerade aufgrund dieser minimalen und bis ans äußerste getriebenen Reduktion und einer an der Entleerung arbeitenden Wiederholung entsteht hier eine spezifische Art trockenen Humors: Gerade noch hochgradig elegant und slick, scheinen diese Arbeiten im nächsten Moment eine gewisse Traurigkeit auszustrahlen, eine seltsame, nicht unkomische Hilflosigkeit, eine Verlorenheit im Loop.

Obsessiv und schonungslos wird hier also immer wieder das Dispositiv des Projektionsapparats ins Rampenlicht gezerrt; in ein Licht, in dem diese Apparaturen genau als das erscheinen, was sie sind: nämlich Apparaturen zur Projektion. Doch am Ende offenbart sich auch dieses „Beleuchten“ selbst als leere, zumindest als entleerte Geste. Was dann geschieht, ist in der zirkulären Struktur von Vardags Arbeit nur konsequent: Die Illusionsmaschinen setzen sich just da wieder in Gang, wo gerade erst an ihrer Desillusionierung gearbeitet wurde. Jene Leere, die aus der Wiederholung geboren wird, möchte gefüllt werden. Und jede Entbergung resultiert ihrerseits in einer neuen Verbergung. Dominikus Müller

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Nadim Vardag
Lost im Loop
Kurator: Sandro Droschl
Kooperation DiagonaleFestival des österreichischen Films