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Unser Umgang mit Bildern ist durch die zahlreichen Darstellungskonventionen der westlichen Kultur bedingt. Nadira Husain (*1980 in Paris, lebt und arbeitet in Paris und Berlin) setzt sich mit diesen auseinander, allerdings dezidiert nicht von einem traditionell männlichen, westlichen Standpunkt aus. Ihre meist figurativen Bilder sind sowohl von indischen Miniaturen als auch vom feministischen Diskurs beeinflusst. Diese atypische Verbindung resultiert einerseits aus der Untersuchung ihrer eigenen indischen Wurzeln, andererseits aus der Beschäftigung mit aktuellen sozialen und politischen Strukturen. In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung mit dem Titel BEUGEN STRECKEN greift die Künstlerin die klassischen Verhältnisse zwischen Rahmen und Bild, Motiv und Hintergrund auf, um sie als biegsames Material zu behandeln. Bild und Rahmen sind dementsprechend nicht mehr unmittelbar verbunden, visuelle Elemente sind zerlegt, Ornamente und Hauptmuster werden getrennt. Die Vermehrung und Ausbreitung der Muster in den Raum hinein lösen die Bezüge zwischen Wand, Rahmen und Bild auf, um diese Komponente neu miteinander zu koppeln. Daraus folgend wird nicht das Kunstwerk, sondern der Raum als Kompositionseinheit behandelt und der Besucher zur Bewegung angeregt, um diese vollständig wahrnehmen zu können. Husains Experimente mit Malerei, Zeichnung und Druckverfahren stehen in direkter Nachfolge weiterer Versuche, Subjektivitätsformen zum Ausdruck zu bringen, die sich außerhalb des westlichen Kanons befinden. In diesem Sinne strebt die Künstlerin danach, die klassischen hierarchischen Strukturen aufzulösen, denen man in Bildern begegnet – unter anderem den historischen Vorrang des Subjekts auf dem Dekor. Die formalen Recherchen von Nadira Husain spiegeln Spannungsfelder innerhalb der heutigen Gesellschaft wider, die sich zwischen der Emanzipation von Traditionen und der Sehnsucht nach diesen bilden.