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Hintersinnig und ironisch reflektiert Naneci Yurdagül in seiner Arbeit gesellschaftliche, soziale und politische Gegebenheiten und deren Wandel, die immer auch Spuren seiner eigenen Biographie sind. Einen Schwerpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung bilden dabei Themen um nationale und religiöse Identität, Migration, gesellschaftliche Exklusion, kulturelle Aneignung und Misstrauen, die er konstant aufgreift und kritisch verhandelt, nicht selten in Bezug auf aktuelle öffentliche Debatten, um in den gesellschaftlichen Diskurs einzugreifen. Seine künstlerischen Ausdrucksformen umfassen nahezu alle Medien wie Performance, Film, Malerei, Fotografie, Skulptur und Installation, mit denen er gezielte Impulse setzt.

In seiner als Rundgang konzipierten Installation im Kunstverein Wiesbaden rückt Naneci Yurdagül das Phänomen kultureller Aneignung „musterhaft“ in den Mittelpunkt und eröffnet neue Perspektiven auf vermeintlich Fremdes, indem Vertrautem sprichwörtlich der Spiegel vorgehalten wird. Das religiöse Dogma des Bilderverbots, was einst alle monotheistischen Religionen einte, kulturell jedoch verschiedene (künstlerische) Ausprägungen hatte und seit Jahrhunderten und bis zum heutigen Tag Konfliktpotenzial birgt, wird bei Yurdagül nicht nur zum formalen Ausgangspunkt der Ausstellung, sondern zum klarsichtigen Abbild eines gesellschaftlichen Zustands, der geprägt ist von Angst, stereotypen Vorurteilen bis hin zu Zynismus. Die Konsequenzen hieraus reichen von gelenkter Raserei über brennende Botschaftsgebäude und Nationalembleme bis hin zur „Verteidigung der deutschen Freiheit am Hindukusch“ als ultima ratio.

Das strikte Gebot performativen Mitwirkens, dass der Künstler unumgänglich an sein Publikum, noch vor Eintritt in die Ausstellung, richtet, bietet nicht nur die unmittelbare Konfrontation, sondern auch ein anonymisiertes Eintauchen in eine „Erlebniswelt“, in der bitteres und köstliches nah beieinander liegen. Die Sprache wird hierin zu seinem Kunstgriff, mit der er selbst dann noch wortwitzig Stellung bezieht, wenn er sie mit einem Verbot belegt. Spätestens bei der Betitelung wird das scheinbar Bekannte in seinem neuen Kontext zu etwas völlig Fremden, zu etwas ganz anderem als die ursprüngliche Bedeutungsebene suggeriert – „Denkmuster“ werden hinterfragt.

Naneci Yurdagül (*1979, Frankfurt a. M.) schloss 2011 sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule als Meisterschüler von Tobias Rehberger ab. Bereits 2010 war er im Rahmen der Gruppenausstellung Too Fat Too Fit im Kunstverein Wiesbaden zu Gast, worauf seine Einzelausstellung formal Bezug nimmt. Arbeiten von ihm waren u.a. im Museum of Modern Art, Tel Aviv, in den Opelvillen in Rüsselsheim, im Frankfurter Portikus und an der Volksbühne in Berlin zu sehen. 2011 wurde er mit dem Linklaters Prize ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Kuratiert von Sara Stehr & Elke Gruhn


Press Release:

In his work Naneci Yurdagül reflects, subtly and ironically, on social, cultural and political situations and their change, which always have traces of his own biography. One focus of his artistic engagement are topics on national and religious identity, migration, social exclusion, cultural appropriation and mistrust. They are constantly picked up and are treated critically, often in relation to current public debates, to intervene in the social discourse. His artistic expression includes almost all media such as performance, film, painting, photography, sculpture and installation, setting specific incentives. For the exhibition in Wiesbaden Naneci Yurdagül shows several installations, focusing 'exemplary' on the phenomenon of cultural appropriation and opening up new perspectives on the supposedly alien, by holding up a mirror to the familiar. The exhibition, designed by the artist as a world of experience, can be visited and experienced by the visitors only in a burqa. Alone one room of the exhibition, which is inspired by Keith Haring's idea of a 'Pop Shop' and in which editions by the artist can be purchased, is accessible without a burqa. In this way, Yurdagül ironically draws a border between secular and divine localities. Naneci Yurdagül was born in Frankfurt/Main, Germany in 1979. He studied art and performance at the Université de Vincennes in Paris, the Master of Fine Arts Program of the Bezalel Academy of Arts and Design in Tel Aviv and at the Staatliche Hochschule für bildende Künste, Städelschule in Frankfurt/ Main. Here he began 2005 in the sculpture class of Professor Tobias Rehberger graduating in 2011. He took part in exhibitions in Germany and Israel and lives and works in Frankfurt/Main.

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Naneci Yurdagül - Burquoi
Kuratoren: Sara Stehr, Elke Gruhn