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„Es geht mir in meiner Malerei um jene halb wachen Momente, in denen sich das Treibgut der Wirklichkeit in meinen Schleusenkammern verfängt und zu neuen Ordnungen fügt“ sagt Neo Rauch über seine Kunst

Neo Rauch, 1960 in Leipzig geboren, gehört zu den eigenwilligsten und bedeutendsten Künstlern Deutschlands. In der Ausstellung der Albertina wird – erstmals in Österreich – eine Auswahl seiner neuesten Werke, großformatige Arbeiten auf Papier, in einer Einzelausstellung gezeigt. Das Schaffen von Neo Rauch behauptet schon seit geraumer Zeit eine singuläre Position im gegenwärtigen Kunstgeschehen. In seinen großformatigen Gemälden greift er auf scheinbar obsolet gewordene Instrumente zurück und generiert dennoch höchst aktuelle Resonanzräume. Neo Rauch bindet in seinen Arbeiten mit ungeheurer Imaginationskraft Offensichtliches und Abseitiges, Benennbares und Unfaßbares zu dissonanten Einheiten. Rauchs ganz eigene Inkonographie scheint auf den ersten Blick lesbar. Seine Bildwelten entziehen sich jedoch einer schnellen Konsumierbarkeit und haken sich statt dessen mit der verstörenden Unruhe eines nicht zu lösenden Rätsels fest. Zugleich aber besitzt diese Bildwelt einen hohen Grad an Vertrautheit. Die Szenerien, Protagonisten und Verrichtungen wirken wie schon gesehen, entlehnt einem Fundus aus Musterbüchern, Plakaten und Comics vergangener Epochen und Moden. Ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen Fiktion und Erfahrung regiert die Tableaux.

Neo Rauch ist die Zukunftseuphorie ebenso suspekt wie er gegen nostalgische Verzückungen durch eigene Erfahrungen imprägniert ist. Seine von Erinnerungen gespeiste Bildwelt zehrt zwar von der eigenen Vergangenheit, doch nistet sich in ihr kein sozialromantischer Kitsch ein: vom Ort der Kindheit und Jugend schlägt er Zeitbrücken in die Gegenwart. Die Gestaltungsprinzipien von Neo Rauch – die traumhafte Verbindung eines Illusionismus mit der künstlichen Welt der Inszenierung – haben mehr mit dem Theater zu tun als mit der Leipziger Schule: seine seltsamen Figuren sind regungslose Statisten, so sehr sie auch geschäftig ihren Tätigkeiten nachzugehen scheinen. Die merkwürdig unzeitgemäßen Gegenstände, mit denen sie hantieren, könnten aus dem Fundus einer lange verschlossenen Requisitenkammer stammen: für verschiedene Dramen gefertigt, ohne einheitlichen Maßstab, ohne gemeinsamen Fluchtpunkt. Wie auch die Hintergründe der seichten Bühnen für recht unterschiedliche Inszenierungen hergestellt scheinen: räumlich inkonsistente Attrappen. Mehr als alles andere ist es die in den Bildern Rauchs eingeschlossene Zeit, die die Werke strukturell mit einem still gestellten Handlungsverlauf im Theater teilen. In Rauchs komplexen Erzählungen herrscht durchgehend eine melancholische Langsamkeit.

Die in den letzten beiden Jahren entstandenen Arbeiten Zeichnungen zu nennen, verbieten deren bildhafte Ausführlichkeit und ihre monumentale Größe. Dennoch trennt diese in der Albertina erstmals ausgestellten Werke von der früheren Malerei das Papier als Bildträger. Dieses erlaubt nur geringe Korrekturen, es gewährt dafür der Leinwand unbekannte haptische Qualitäten.

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