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Auf den Bildern von Nikolaus List sind öfters kleinere Ansammlungen von Figuren im Spiel, die sich um eine zentrale herausgehobene Figur lose gruppieren, oder im Freien manchmal auch nackig diverse abstruse Dinge treiben, wie dem großen Fisch das Maul aufhalten. Es geschieht dort weder Sex noch Hausbau. Wenn bauliche Maßnahmen auf den Wald- und Wiesenmotiven vertreten sind, handelt es sich meist um absurd improvisierte Bauwerke aus Rundhölzern und Findlingen, die funktionstüchtig zwischen Budenbau und niedlicher Arte Povera changieren. Die Stimmung in den Freiluftszenerien ist merkwürdig unbescholten, für paradiesische Verhältnisse ist die Atmosphäre dann aber wieder etwas zu muffelig. Auf allen verschiedenen Motivreihen und Ausführungsweisen von Nikolaus List ist ein sinistrer Symbolhaushalt im Gange, der subtil und zart die Zunge hinausstreckt in den frischen Sommerwind, ach, falls Du auf Auflösung und/oder Kontextchiffren aus bist, wirst Du hier aber nicht bedient. (...) Es geht auf verquere Weise um beredten Symbolismus der sich verschmitzt an seinen eigenen Codes verschluckt, oder dem stets eindeutig die Luft ­ bzw.- Bedeutungszufuhr fast abgedreht wird. Aber immer eben nur fast. Vielleicht ist es auch das interessante Geräusch einer Vollbremsung kurz vor der Pointe oder eines kastrierten Plots. (...) Es liegt natürlich nicht an den Bildern oder der Darstellungsart, dass diese Symbole schon lange zum Klischeeträger geworden sind. Da war doch irgendetwas mit Namen Postmoderne schuld. Es ist auch ein stilistisches Rückeroberungsvorhaben. Von der Machart her sind die Bedeutungssets stoisch und zärtlich moduliert, aber auch jeweils unterschiedlich ausgeführt: Während die kleineren Zeichnungen mit Figurengrüppchen vergleichsweise beherzt simpel getuscht wirken, sind die Baumbilder oder auch die Handchoreografien eher präzise neusachlich bis graphisch ausgefeilt. Die versachlichte Darstellung signalisiert eine inhaltliche Distanzierung zum Abgebildeten, die wiederum mit dem naiv-verschmitzten Wechselspiel zwischen profund und abstrus korrepondiert. In den verschieden Bildstilen wird auf die üblichen malerischen Befreiungsgesten verzichtet. Beliebte Hintergründe sind asthetisch-kitzlige Airbrush-Farbverläufe. Die Figurendarstellung verhält sich zwischen naiver Sachlichkeit, Kunstleistungskurs, Farbillustration und auch surrealistischer Menschendarstellung.Falls hier mehr Surrealismus im Spiel ist, dann eindeutig ohne den entsprechenden Über-und Unterbau. Manche der Motive, simpel in einem Satz nacherzählt, klingen nach Ironie, die den Bildern angenehmerweise komplett abgeht. (...) Man gerät auch beim dritten, vierten Anblick ins Stocken, angesichts diesem Vielerlei an abstrus banal profanen Andeutungsangeboten. All diesen verwirrten Bedeutungsteilchen ist ein verquerer Charme zueigen. Vielleicht werden sie viel sympathischer, weil sie weniger Sinn tragen müssen. Es könnte etwas mit Postzynismus zu tun haben. Die nahezu sachlich naiven Stilmittel funktionieren wahrscheinlich so gut, weil sie wiederum extrem banalisiert wurden. Die jeweiligen Symbole bzw. Dringlichkeiten wirken wie schlecht gewählte Stellvertreter oder unwürdig gewordene Statthalter ihres ursprünglichen Verkörperungsanlasses. Wenn man eines dieser Spiegeleier fragen würde, was das denn ist, ein Spiegelei, es könnte sich mit Sicherheit nicht erinnern. Ich, ein Ei? Was ist denn Ei? Die Scham über die vollständig verloren gegangene Beziehung zum eigenen Entstehungsanlass macht auch die betretene Stimmung auf diesen Bildern aus. Wenn der Baum oder die Figur nicht mal mehr ihren eigenen Inhalt kennen und benennen kann, wie sollen dann die Konstellationen untereinander, die auf den Bildern inszeniert werden, linear sinnstiftend sein können? Statt Referenz- und/oder malereitechnisch zu becircen, funktionieren die Bilder von Auge zu Auge, sowie man jemandem manchmal unvermittelt tief in die Augen schauen kann, dabei aber plötzlich alle Einkaufszettel oder Schulden des vergangenen Monats entdeckt, ohne jetzt humanoid werden zu wollen.

(Auszüge aus: Gunter Reski, Zur Verhältnismäßigkeit verwirrter Bedeutungsteilchen, 2002) Pressetext

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Nikolaus List