Filipp Rosbach, Leipzig

Spinnereistraße 7, Halle 20, Eingang D
04179 Leipzig

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Dekonstruierte Übereinkünfte Von Christoph Tannert

Jede einzelne Person mit ihrer persönlichen Erinnerung steht in einem komplizierten Verhältnis zu dem, was man kollektive Erinnerung nennt. Das Persönliche arbeitet sich in der künstlerischen Darstellung zumeist ab an Geschichte im Großen, an gesellschaftlichen Strukturen, an groben Einschnitten und Veränderungen. Das künstlerische Individuum verfährt vor diesem Hintergrund gewissermaßen makrologisch und bestimmt zugleich mit, an was und wie die Betrachter seiner Bilder sich individuell erinnern.

So schwierig im Einzelnen die Verbindung zwischen kollektiver Geschichte und individueller Erfahrung auszumachen ist, so klar wird heutzutage ein Kampf um die kollektive Geschichtsdeutung, also um den Rahmen persönlicher Erinnerung geführt. Meistens ist das ein eigenartiger, medial vielfach kanalisierter Kampf von oben. Oft plappern wir nur unkritisch nach, was uns Medien und Politik suggerieren.

Die 1970 in Nazareth geborene Palästinenserin Noel Jabbour hat in den letzten zehn Jahren mit ihren Fotos mehrfach Aufsehen erregt, etwa mit diversen Serien zum Israel-Palästina-Konflikt ("Segregation Wall", "The Abu Dis Wall"), zu den Lebensbedingungen von drei palästinensischen Familien am Rande des Ost-Teils von Jerusalem ("Life on the City Edge") sowie mit Porträts von Prostituierten z.B. aus Italien und Tschechien ("The Living Road"), zu denen sie in unterschiedlichen städtischen Umfeldern Kontakt aufnahm.

Die Art und Weise wie Noel Jabbour auf ihre Bildgegenstände schaut, zeigt eine Art des Wissens und gleichzeitig Verheimlichens des Eigentlichen, ein Schwanken zwischen Darstellung, Melancholie und Sarkasmus, dokumentarischem Journalismus und eines Sprechens zwischen den Zeilen - all das formuliert mit wachem Auge.

Auf den ersten Blick sind ihre Fotos unspektakulär, auf den zweiten Blick sehen wir, wie der dünne Firnis unserer Übereinkünfte zu bestimmten gesellschaftlichen Konfliktpunkten und kulturellen Gräben abbröckelt. Was übrig bleibt, ist eine grausam stille Fraglosigkeit und die chauvinistischen Töne der Phrasen von gewissen Betrachtern, die nicht nur in den sozialen Randzonen hörbar werden, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommen - zwischen Dumpfheit und Werteverfall.

Noel Jabbours Bilder sind nicht wahrer als das Leben, ebenso wenig wollen sie uns zum Guten bekehren. Die Künstlerin hat sich über ihren Weg den Brennpunkten der Globalisierung und des Versagens des Westens genähert. Sie hat sich selbst ein Bild von den Konfliktlagen gemacht. Dabei versteht sie es, die Würde ihrer Figuren zu bewahren, selbst und gerade, wenn sie in schwierigen, ihr Menschsein auf die Probe stellenden Situationen gezwungen sind zu leben und zu arbeiten.

Die Ausstellung ist von Dienstag bis Samstag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Mehr Informationen und Besuch nach Vereinbarung unter 0172. 373 11 10. Über Ihr Kommen freuen sich Josef Filipp, Michaela Rosbach und Jörg Rosbach.