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In der Einzelausstellung SILENT ALIEN GHOST MACHINE MUSEUM zeigt der Konzeptkünstler und experimentelle Filmemacher Norbert Pfaffenbichler (*1967 Steyr, lebt in Wien) neue Arbeiten, die exklusiv für die Schau im Kunstverein Medienturm entstanden sind. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Video- und Rauminstallationen sowie Fotoarbeiten.

Norbert Pfaffenbichler beschäftigt sich mit der „anderen“, der dunklen, grotesken und unheimlichen Seite der Moderne. Im Zentrum seiner Untersuchungen stehen dabei die „historischen“ Medien Film und Fotografie. Diese „Leitmedien“ des 20. Jahrhunderts werden mithilfe der heutigen, digitalen Produktionsmittel auf experimentelle Weise auf ihre Wirksamkeit und Gültigkeit in der Gegenwart hinterfragt. Ein besonderes Anliegen ist ihm dabei die „Verräumlichung“ dieser zweidimensionalen Bildmedien. Er behandelt systematisch Phänomene, welche unweigerlich auftreten, wenn (Bewegungs-)Bilder im dreidimensionalen (Kunst-)Raum präsentiert werden. Der Künstler bedient sich unterschiedlicher Ausdrucksformen und Medien: die Palette reicht dabei von Malerei über Fotografie, Video, Collage und Assemblage bis hin zu intermedialen, raumgreifenden Installationen. Sämtliche Werke weisen dezidierte historische Bezüge auf, wobei Pfaffenbichler Momente seiner persönlichen Biografie in die Arbeiten mit einfließen lässt. Seine äußerst subjektive Relektüre der Film-, Kunst- und Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts fällt dabei ebenso konzeptuell wie sinnlich aus.

Der Ausstellungstitel verweist auf das Medium Film, das hier als „Geistermaschine“ tituliert wird. Die mechanische Apparatur präsentiert „Gespenster“, also körperlose, bewegte Abbilder, oft von bereits lange verstorbenen Personen. Die Figuren sind zugleich (visuell) anwesend wie (physisch) abwesend. In den frühen Tagen des Films wurde die kinematografische Apparatur u. a. von Zauberkünstlern eingesetzt, um auf offener Bühne Geister erscheinen zu lassen.

Keineswegs zufällig übte der große Pionier Georges Méliès vor seiner Karriere als Filmemacher den Beruf des Illusionisten aus. Die filmischen Geister sind nicht unsere eigenen, sondern Fremde (Aliens), die aus „fernen Welten und Zeiten“ zu uns stossen. Der Zusatz „Silent“ bezieht sich zum einen auf den Stummfilm (Silent Movies). Filme wurden in den frühen Tagen des Kinos jedoch niemals stumm vorgeführt, sondern immer von Musik oder Erzählungen begleitet. Die „stumme“ Vorführung früher Filme ist eine museale Gepflogenheit, die nicht der ursprünglichen Aufführungspraxis entspricht. „Silent“ bezeichnet auch die reale Situation in den Ausstellungsräumlichkeiten, denn sämtliche Arbeiten werden tonlos vorgeführt. Der ironische Zusatz „Museum“ benennt einerseits die historische Dimension des Ausstellungsprojektes und bezieht sich auf die räumliche, „museale“ Inszenierung der einzelnen Werke im Rahmen der Schau.

Die Geschichte des Mediums Film, das wie kein anderes das 20. Jahrhundert geprägt hat, wird quergelesen mit politischen und künstlerischen Entwicklungen der Epoche der Moderne. Fokussiert werden vor allem die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. So taucht etwa die Figur Charlie Chaplin in mehreren Arbeiten auf.

„Charlie Chaplin ist die emblematische Gestalt des Kinos und gewisser Maßen auch die Gestalt des guten Menschen, des Menschen, der weder an die Macht strebt, noch welche hat. Doch gleichzeitig gibt es durch die Metamorphose den anderen, der dahinter aufscheint, das heißt das absolute Grauen, Hitler, der sich nicht außerhalb, sondern im Inneren des Menschen befindet.“ Youssef Ishaghpour

Film ist ein historisches Medium. Es ist gerade jene Historizität, die ihn für gegenwärtige medienkünstlerische Operationen so attraktiv macht. Das frühe Kino bietet sich aufgrund seiner „primitiven“ Erzählformen und anarchischen Inhalte geradezu an. Eine Grammatik für die bewegten Bilder musste erst entwickelt werden, formalästhetische Konventionen waren noch nicht derart festgeschrieben wie heute.

Operative Basis der gesamten Schau ist die systematische Analyse filmischer Mittel und Verfahren. Die Konstruktion des filmischen Raumes und der Anteil der Montage an diesem Prozess sind dabei von besonderer Bedeutung. Das Resultat des heuristischen Arbeitsprozesses ist kein theoretischer Text, sondern konzeptuelle Rauminstallationen und Fotoarbeiten. Hier wird der gesamte menschliche Körper adressiert; seine Proportionen, die möglichen Positionen im Raum und die Relation zu den ausgestellten Werken werden Teil der Inszenierung. Die Ausstellung ist als begehbare Rauminstallation konzipiert, die Anordnung der einzelnen Arbeiten folgt einer vorsätzlichen Dramaturgie eines speziell gestalteten Parcours, in dem die Verhältnisse von Körper, Raum und Abbild mittels variierender Formate und Materialien thematisiert werden. Die BesucherInnen werden dazu animiert, sich selbst beim Betrachten der Werke zu beobachten, um antrainierte Wahrnehmunsgsschemata und Rezeptionsmuster zu hinterfragen.

Norbert Pfaffenbichlers Ausstellung ist der dritte Teil der Reihe CONCEPT FILM, die filmische Verfahren und Strategien im Ausstellungskontext zeigt und zur Diagonale 2009 mit der gleichnamigen Ausstellung von Dorit Margreiter und Ursula Mayer eingeführt wurde. CONCEPT FILM (II) fand im Kunstverein "Arti et Amicitiae" in Amsterdam statt und präsentierte Arbeiten von Dariusz Kowalski, Ben Pointeker, Lotte Schreiber und Gebhard Sengmüller.

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Norbert Pfaffenbichler
SILENT ALIEN GHOST MACHINE MUSEUM
Kurator: Sandro Droschl