press release only in german

Für die Ausstellung Not by default wurden junge Berliner Künstler eingeladen, die sich in erster Linie auf das Internet als Dreh- und Angelpunkt einer digitalen Kultur beziehen. Sie alle vertreten die Generation der 'digital natives' und produzieren ihre Kunst im Kontext einer Online-Community, beziehen also ihre Inspirationsquellen als auch Ihre Präsentationsplattformen fast ausschliesslich aus dem Netz.

Die teilnehmenden KünstlerInnen wurden nicht wie normalerweise üblich von der Galerie ausgewählt, sondern folgen einem Empfehlungsprinzip, wobei der von [DAM]Berlin repräsentierte Künstler Aram Bartholl seinen Lieblingskünstler empfahl, der wiederum einen Künstler nannte, der wiederum einen Künstler nannte usw.

Constant Dullaart zeigt seine neue Arbeit Hard Crystal Display, 2012, ein aus Google-Bildern, Playlist-Musik, LCD-Monitor und gläsernem Fächer zusammengesetztes Wandobjekt, das auf den ersten Blick wie ein 3D-Objekt oder Hologramm aussieht. Es entsteht eine skurrile Mischung aus stets präsentem Windows-Betriebssystem, Sonnenuntergangsfotos, Entspannungsmusik und Glasfächer, allen gemeinsam eine triviale, kitschige Note und in der Kombination vielleicht als Inbegriff des schlechten Geschmacks einer Internet-Ästhetik zu verstehen.

Dullaarts Video In Your Office zeigt den Künstler, wie er in einer Wohnung auf dem Fußboden wiederholt acht kleine weisse Teller ringsherum im Kreis verschiebt. Das Video ist auf YouTube eingestellt und jeder, der schon einmal ein YouTube-Video geladen hat, erkennt das Nachstellen des Lade-Symbols des weißen Kreises in der Performance wieder. Selbstreferentiell, trocken und mit ironischem Unterton ist In Your Office nicht nur ein Insider-Witz, sondern auch ein Kommentar im Sinne von Aram Bartholls Motto, uns das selbstverständlich Gewordene unserer 'digitalen Gewohnheiten' mit Verfremdungseffekt vor Augen zu führen.

Auch Jaakko Pallasvuo widmet sich formal gesehen der populistischen Ästhetik der Internet-Kultur. Seine YouTube-Videos verwehren sich einer herkömmlichen Kunstästhetik und propagieren vielmehr einen 'schlechten Geschmack'. In Some Men Are Islands, 2012, bewegen sich Texte über die Screen, Überblendungen und Wischeffekte bestimmen den Schnitt, Filter rufen graphische Verzerrungen und wilde Musterbildung hervor. Die Zusammensetzung seiner Filme erfolgt bruchstückartig, es gibt weder eine narrative Struktur, noch eine Resolution, das Ende kommt abrupt. In Pallasvuos Videos wird immer wieder die Sinnfrage künstlerischer Produktion behandelt. Von Selbstzweifeln über damit einhergehenden Ängsten bis hin zu erlebten Niederlagen seines Versuchs, als Künstler seinem Anspruch zu genügen, scheut er vor keiner Peinlichkeit zurück.

Ignacio Uriartes Werk hingegen hat erst einmal garnichts mit digitaler Kultur zu tun. Er hat eine ganz eigene künstlerische Sprache entwickelt und sein Handlungsspielfeld ziemlich genau eingegrenzt, indem er sich ausschließlich der Utensilien des gewöhnlichen Büroalltags als Ausdrucksmittel bedient. Uriarte macht Kunst aus A4 Blättern, Kugelschreibern, Excel-Dateien, Schreibtischen und Papierkörben – banale, aus dem Büro-Kontext entliehene Alltagsgegenstände, die er streng formal in Form diverser Materialstudien arrangiert. In 4 x 4 single line labyriths (2008), sehen wir aus je vier Dreiecken zusammengesetzte Quadrate, die mit je nur einer zusammenhängenden Linie in einer Excel-Datei gezeichnet sind, so dass ein labyrinthartiges Muster entsteht.

Das Thema in Ana García-Pinedas Zeichnung ist die Geschichte der Zivilisationen oder vielmehr die Art und Weise, wie diese in unserem kollektiven Gedächtnis fortleben. Für ihre Recherche benutzt sie die Google-Bildersuche und macht sich die unendlichen, absurden Verlinkungen zu eigen, die die Suchmaschine generiert. Die verschiedenen Zivilisationen werden in der Zeichnung in ironischer, geradezu comic-hafter Manier miteinander in Beziehung gesetzt, eine Figur verschlingt die andere oder versucht, an die Spitze der Pyramide zu gelangen. Dabei posieren die sympolhaften Charaktere für den Betrachter.

Tobias Leingruber führt mit seinem Projekt Social ID Bureau, 2012, erstmals Facebook-Ausweise für's 'echte Leben' ein und kommentiert so die beunruhigende Macht auf unsere Privatsphäre, die dem Social Network Giganten zu eigen ist. Mit seinem Projekt Timemachine, 2007, hat er ein Programm geschaffen, welches beim Surfen Website so verändert, als stammten sie von den amateur-artigen ersten Webdesign Versuchen der Mitte der 90er Jahre.

Der Begriff 'Post Internet Art' wurde für diese Ausstellung gewählt, um eine neue Ära zu beschreiben, in der vor allem diejenigen, die mit dem Internet groß geworden sind, die Implikationen und Gepflogenheiten einer digitalen Kultur reflektieren und durch ungewöhnliche Anwendung des Gewöhnlichen – Not by default - neue Sichtweisen aufzeigen. Diese Kunst äußert sich keineswegs in rein digitalen Formaten, sondern ist Raum greifend, haptisch, politisch, drängt raus aus der Galerie hinein in die Stadt, in die Gesellschaft und ist für den normalen Galerien-Betrieb etwas Besonderes.

only in german

NOT BY DEFAULT - POST INTERNET ART AUS BERLIN
Kurator: Wolf Lieser

Künstler: Constant Dullaart, Ana Garcia-Pineda, Tobias Leingruber, Jaakko Pallasvuo, Ignacio Uriarte