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Anlässlich des 1655 im Barock erbauten Schlosses Agathenburg reagieren die zeitgenössi-schen Künstler auf eine Epoche, die von Widersprüchen geprägt ist. Die Ausstellung rückt das Gesamtkunstwerk des Barock und das Erlebnis des Besuchers in den Mittelpunkt: Ein begehbares Labyrinth aus Spiegelfolien nach dem Grundriss des Parks von Versailles unterwandert Ordnungssysteme( Geelke Gaycken/ Sonja Vordermaier); Schokoladenpatisserien spielen mit den Exzessen neuzeitlicher Gesellschaften ( Sonja Alhäuser); und ein aus Baumarktmaterialien konstruierter Flügel ist ein Wunderwerk der Mechanik zwischen Mißtönen und Wohlklängen (Alexander Laner). Die Künstler thematisieren die Ungereimtheiten des Barock zwischen Ausschweifung und Kontrolle. Analogien zum 21. Jahrhundert bleiben nicht aus. Ihre Positionen befassen sich mit Wissenschaftsglauben und Irrationalität, mit Maßlosigkeit, Selbstüberschätzung und Lustgewinn.

Die Gruppenschau "Nüchterne Räusche" lädt Künstler ein, sich im 1655 erbauten Schloss Agathenburg mit dem Zeitalter des Barock auseinanderzusetzen. Der Titel zitiert den Kulturhistoriker Egon Friedell, der die überreizte und nervöse Stimmung am Übergang des 17. ins 18. Jahrhundert mit der Wirkung von dem in Mode kommenden Kaffee vergleicht. Als charakteristisches Tonikum des Barock bewirke er an den europäischen Höfen "nüchterne Räusche".

In seiner Widersprüchlichkeit deutet der Titel die generellen Polaritäten der Epoche an: Opulenten und bewegten Formen in Malerei und Skulptur stehen geometrisch strenge Architekturen gegenüber. Exzessive Festivitäten haben ihren Widerpart in starren Zeremonien. Bahnbrechende Entdeckungen in Optik, Mathematik und Mechanik kontrastieren mit religiösem Eifer, feudalem Herrschaftsanspruch und Ängsten um die Vergänglichkeit alles Irdischen. Das Barock gilt als Jahrhundert der Extreme.

Die beteiligten Künstler thematisieren die Ungereimtheiten der Epoche zwischen Ausschweifung und Kontrolle. Analogien zum 21. Jahrhundert bleiben nicht aus. Ihre Positionen befassen sich mit Irrationalität und Wissenschaftsglauben, Maßlosigkeit, Selbstüberschätzung und Lustgewinn. Statt stilistisch Formen und Inhalte zu imitieren, werden Aspekte des Barock mit Haltungen und Fragestellungen einer zwischen den sechziger und achtziger Jahren geborenen Künstlergeneration verknüpft.

Die Ausstellung begreift das Barock als Gesamtkunstwerk und rückt das Erlebnis des Besuchers in den Mittelpunkt. Ein begehbares Labyrinth aus Spiegelfolien nach dem Grundriss des Parks von Versailles unterwandert absolutistische Ordnungssysteme und wird zum Garten der Lüste (Geelke Gaycken/Sonja Vordermaier). Schokoladenpatisserien, groß wie Kanonenkugeln, vermengen die Brutalität des Dreißigjährigen Krieges mit den Exzessen der höfischen Gesellschaft (Sonja Alhäuser). Ein aus Baumarktmaterialien konstruierter Flügel bringt das Barock als Zeitalter mechanischer Entdeckungen und musikalischer Höhepunkte in Erinnerung und ist in der Ausstellung bespielbar. Alexander Laner baute ihn ohne technisches Vorwissen - Risiko und Chance, Missklang und Wohlklang liegen nah beieinander.

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Nüchterne Räusche
Zeitgenössische Kunst und Barock
Kurator: Sabine Mila Kunz

Künstler: Sonja Alhäuser, Geelke Gaycken / Sonja Vordermaier, Claudia Kapp / Benjamin Blanke, Seb Koberstädt, Alexander Laner, Jürgen Stollhans, Judith Walgenbach