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Bruno Henneböhl (51) mit dem Taufnamen Lazarus ist Blockflötenspieler in der Düsseldorfer Altstadt. Der behinderte Mann mit dem Rauschebart sitzt in Bodennähe auf dem Rand eines Blumenkübels. Bruno war früher katholisch und hat als Küster gearbeitet. Er ist zum russisch-orthodoxen Glauben konvertiert. Immer nur eine halbe Stunde darf er an einem Ort musizieren und muss dann die nächste halbe Stunde pausieren. Darauf achtet der lokale Ordnungsdienst streng. Brunos armseliges Spiel bringt nicht viel Geld. Die meisten Menschen ziehen an ihm vorbei, ohne ihn und seine Hündin „Bienchen“ zu beachten. Einige schauen verächtlich herab. Nur wenige werfen ein paar Münzen in sein Bastkörbchen. Manchmal fragt ihn ein Kind, ob er ein bestimmtes Liedchen spielen kann. Darüber freut er sich sehr. Bruno war mal verheiratet. Seine Frau ist gestorben. Das hat ihn aus der Bahn geworfen. Seine Mutter lebt im Altenheim einer kleinen Stadt im Münsterland. Er schreibt ihr manchmal, sieht sie aber nur selten. Der Glaube an Gott hat ihn davor bewahrt, in irgend einer Form süchtig zu werden. Trotz seiner nicht rosigen Tage hat Bruno ein sonniges Gemüt. „Die Menschen sind meistens nett zu mir“, bringt er hervor und ergänzt: „Ich bin mit meinem Leben zufrieden.“ Bruno hält die kleine Digitalkamera mit zittriger Hand. Seine dicken Finger können kaum den filigranen Auslöser bedienen. Nach wenigen Minuten hat er drei Dutzend Fotos geschossen. Leute ohne Köpfe, Vorbeieilende, von unten abgelichtet. Bruno ist einer von zwölf Menschen mit dem Lebensmittelpunkt Straße, die der weltberühmte Fotograf Thomas Struth motiviert hat, ihr Lebensumfeld mit der Kamera festzuhalten. Struth, dessen Arbeiten auf der ganzen Welt zu schwindelerregenden Preisen verkauft werden, will damit „einen Paradigmenwechsel herbeiführen“. Er lädt Obdachlose ein, für kurze Zeit ihren passiven Status der begafft Werdenden zu verlassen und selbst aktiv ihre Umwelt abzubilden und auf diese Weise zu interpretieren. „Durch die Fotografie“, so der Schüler der legendären Lehrer Bernd und Hilla Becher, „transzendieren Menschen am Rande der Gesellschaft ihr von außen oft als gescheitert betrachtetes Leben und verleihen ihm damit eine bestimmte Sinnhaltigkeit.“ Die Betrachtung der eigenen Fotos führten zudem zu einer neuen Wahrnehmung, auch beim externen Betrachter, der mitunter die vage Vorstellung von einer anderen Existenzmöglichkeit bereits innewohne. Die Ergebnisse der Struthschen Expedition sind so unterschiedlich, wie die Lebensgeschichten der unfreiwilligen Künstler. Die Bilder geben jede Menge Details über die Verletzlichkeit im sozialen Abseits preis, ohne düster und deprimiert zu wirken. Sie zeigen eine andere urbane Wirklichkeit, die gewöhnliche Passanten nicht wahrnehmen können. Die Fotos der Obdachlosen, die Struth in aufsuchender Kleinarbeit mit großer Empathie hat schaffen lassen, sind technisch nicht immer perfekt, in jedem Fall aber beeindruckend und authentisch. Hubert Ostendorf

Mappe mit 12 Fotos von 12 Obdachlosen (je 20 x 30 cm) zzgl. 2 Fotos von Thomas Struth 1.000 Euro. Pressetext

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Obdachlose fotografieren Passanten
Ein Projekt für fiftyfifty von Thomas Struth