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In der Reihe »Offenes Depot« lädt die Staatsgalerie Stuttgart Künstler/innen ein, mit ihrer Sammlung zu arbeiten. Ausgangspunkte sind in den Depots und Archiven des Museums befindliche Arbeiten und Sammlungsbereiche sowie die Auseinandersetzung mit dem Depot als Ort der Verwahrung und Kategorisierung selbst.

In der zweiten Ausstellung in dieser Reihe präsentiert Melvin Moti (*1977, lebt und arbeitet in Rotterdam) Arbeiten aus dem Gemälde-Depot und dem Magazin der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart. Nicht die (kunst)historischen Informationen und Ordnungssysteme sind dabei Ausgangs- und Bezugspunkte in seiner umfangreichen Auswahl, sondern vielmehr beobachtete Beziehungen zwischen den Arbeiten. So kombiniert Moti zuvor tempo-rär abgehängte Meisterwerke mit sonst selten oder nicht gezeigten Werken des 16. bis 20. Jahrhunderts aus den Museumsdepots und einer eigenen Arbeit.

In zwei komplementären Räumen spiegelt die Installation unter dem Titel »Die Kunst der Orientierung« Betrachtungen und Assoziationen Motis: Im ersten Raum konzentriert sich die raumgreifende Präsentation auf das Phänomen der Schwerkraft. Im zweiten Raum kreisen die Blicke vor allem zwischen Werken mit nächtlichen, dunklen oder obskuren Szenarien. Moti interessieren solche wirksamen visuellen Anziehungskräfte und Dynamiken, die über Zeiten und Gattungen hinweg von den Werken ausgehen und sie – jenseits einer linear orientierten Kunstgeschichte – zu Protagonisten oder Statisten anderer Geschichten werden lassen. Im weiteren Sinne bezieht sich Moti in seinem Vorgehen auf den deutschen Kulturwissenschaftler Aby Warburg (1866-1929) und seine Vorstellungen von einem Freiraum visueller und geistiger Entdeckungsreisen, den Warburg als »Denkraum« bezeichnete. So kreisen Motis Filme, Fotografien, Objekte und Bücher immer wieder um die Imagination als Teil der Psyche und der gesellschaftlichen Realität – als produktives Gegengewicht zu Fiktionalisierung und Virtualisierung. Auch sein Video »The Black Room« (2005), das Moti in diese Auswahl integriert, beharrt auf einem solchen Raum für andere Bilder und ihre Wirklichkeit: Während die Kamera fast monochrome schwarze Flächen erkundet und man ein Interview über Schreibexperimente unter Selbst-Hypnose hört, entwickeln sich so unabhängige Vorstellungen jenseits von konkret Gesehenem und Gehörtem. Wie in Motis Video ist die Vorstellungskraft der Betrachter/innen das schließliche Mittel zur Orientierung, das auch in seiner »Offenes Depot«-Präsentation Arbeiten aus der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart neu erfahrbar macht.