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Olaf Nicolai realisiert in Münster ein neues Projekt: Inspiriert von der besonderen architektonischen Situation der Kunsthalle entwickelt Nicolai derzeit ein Installationskonzept, das den Sehsinn reflektiert. In Annäherung an das Spektrum menschlicher Wahrnehmung folgt er dabei ästhetischen, physiologischen und naturwissenschaftlichen Phänomenen u.a. aus früheren Projekten und arrangiert sie unter dem Arbeitstitel „more like a dandy than a warrior“ neu. Dabei bleiben politische wie gesellschaftliche Fragestellungen nicht unberührt.

Eingang in das neue Projekt findet die 2008 entwickelte Rauminstallation "Yeux de Paon". Die großformatigen Seidenvorhänge mit eingewebten Pfauenaugenmustern konfrontiert Nicolai mit einer Sammlung aus 400 farbigen, jeweils 64 Seiten starken Büchern, die jeweils einer Grundfarbe des Farbspektrums folgen. Dazu zeigt er 16 gerahmte Irisdrucke. Der Irisdruck ist ein historisches Druckverfahren, bei dem die Farben Cyan, Magenta und Yellow manuell so auf die Farbwalzen aufgetragen werden, dass sie ineinander verlaufen. Dieser Effekt steigert sich von Druckbogen zu Druckbogen bis sich alle Farben vermischt haben. Jeder Druckbogen ist anders und unterscheidet sich vom nächsten durch seinen individuellen Farbverlauf. Olaf Nicolai spielt mit der Ambivalenz von Einzigartigkeit, Differenz und Reproduktion, sichtbar an den Büchern wie den Drucken, die stets beides sind: Unikate wie serielle Produktionen.

Beziehen sich Vorhänge, Bücher und Drucke auf die vorgeblich visuell greifbaren Aspekte der Wahrnehmung, kehrt Olaf Nicolai in dem eigens für Ausstellung bearbeiteten Film die Verhältnisse von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit um. Die Originalversion des ungarischen Schwarz-Weiß-Films "Agitatorok" (1969, 35 mm, 82 min.) ist eine Produktion aus dem ungarischen Studentenmilieu der späten 1960er Jahre, die wiederum angelehnt an den Roman "Optimisták" (1965) von Ervin Sinko, diesen mit den Revolutionsereignissen von 1919 (einer Zeit des 'liberalen' ungarischen Kommunismus) verbindet. Anklänge an das Brecht'sche Agitationstheater wie an den Sprachduktus der 1969er Jahren schaffen eine sinnfällige Ambivalenz der historischen Zeitebenen. In der Neubearbeitung durch Nicolai folgt auf die historische Originalvorlage eine Schwarzphase, in der die Leinwand dunkel bleibt, die Tonspur isoliert wird und einzig eine Audiodeskription der Handlung für Blinde übrigbleibt. Die Bilder des Revolutionsfilms werden somit in die Imagination und Gegenwart des Zuhörers verlegt und lassen die Wahrnehmung des Unsichtbaren zum Politikum werden. Ein Hauch von Revolution weht den Betrachter an.