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Pressetexte:

Raphael Danke Filer à l'Anglaise

Raphael Danke (geb. 1972 in Aachen, lebt in Berlin) zeigt im Kunsthaus Baselland seine erste institutionelle Einzelausstellung. Der Künstler studierte an der Kunsthochschule in Berlin und war in den ersten Jahren nach seinem Studium v. a. durch die Gemeinschaftsarbeit mit seinem Bruder Tobias Danke ins Bewusstsein gerückt. Seit 2005/06 arbeitet er ausschliesslich alleine und ist v.a. mit Einzelpräsentationen in aufstrebenden Junggalerien wie Sorcha Dallas in Glasgow und Sandra Buergel in Berlin aufgefallen.

Unter dem Titel „Filer à l’anglaise“ – dem französischen Ausdruck, welcher das diskrete Verabschieden meint, ein Verschwinden ohne sich zu bedanken und ohne den Abschied kundzutun (im Englischen „Take a french leave“ bezeichnet) – zeigt Raphael Danke eine Reihe von Collagen, Skulpturen und Installationen. Die Verbindung zum Verschwinden stellt Danke vor allem durch seine spezielle Collagentechnik her, für welche der Künstler auf verschiedenste Modemagazine zurückgreift und aus den ausgewählten Vorlagen, mittels Ausschneiden, die Figuren wörtlich zum Verschwinden bringt. Die Modeindustrie, welche häufig als Produktionsmaschinerie für ein verzerrtes Körperbild gilt, und ihr Sprachrohr das Magazin, dienen dem Künstler als Ausgangsbasis für eine reale materielle Körpermanipulation: Der Künstler entfernt die abgebildeten Körper und verschachtelt die übrig gebliebenen Farb- und Flächenteile bis zum Punkt, an welchem eine neue, oft surreal anmutende Komposition entsteht. Kleiderwürfe, Haarausschnitte und Fragmente von Accessoires blitzen aus Linienstössen hervor oder bilden erst durch diese Einschnitte Form- und Farbgebilde. Allein die Titel lassen erahnen, was sich hier – auf vielleicht französische oder englische Weise – verabschiedet hat. Die Collagen weisen darüberhinaus ein individuelles Passepartout-Mass auf, welches sich durch die Grössendifferenz zwischen dem Ausgangs- und dem neu entstandenen Bild errechnet. Das Entfernte (die abgebildete/n Figur/en) bleibt auf diese Weise proportional als Zitat von Raumfläche erhalten. Mit Blick auf ihre ursprüngliche Herkunft präsentiert Danke die Collagen im Kunsthaus Baselland teilweise montiert auf eine leporelloartigen Kartonwand. Eine Diaprojektion bringt erstmals auch die für die Collagen verschwundenen Körper wieder zum Vorschein – sie tauchen kurz auf, abgelöst von dem jeweils nächsten werbeästhetisch zurecht gerichteten Bild des (meist weiblichen) Menschen.

Die Bildwerdung seiner eigenen Person hinterfragt Danke in der Couch-Installation „Dunkle Bereiche vergrössern“ (2006). Eine sogenannte Aurafotografie des Künstlers, Bild seiner eigenen Aura, diente als Vorlage für eine Überwurfsdecke, die wie im privaten Bereich üblich ein Sofa vor Abnutzung schützt. Mit Hilfe des Photoshop-Filters „Dunkle Bereiche vergrössern“ hat Danke seine eigene Person entfernt. Übrig blieb lediglich das Bild seiner bunten Aura. Der Künstler platziert das umgesetzte, gewebte Bild in der Eingangssituation des Kunsthaus Baselland und bringt gleichsam das Empfinden von öffentlichem und privatem Raum durcheinander.

Die thematische Auseinandersetzung mit Fragen zu Raum und Figur, ihrem Verhältnis zueinander und das Thema des Verschwindens der Figur beschäftigt Danke auch in der Skulpturenreihe „Filer à l’anglaise“ (2008). Die bekannten russischen Holzpuppen, die im Innern ihrer grössten Form eine Vielzahl linear verkleinerter Kopien verbergen, sind per se räumliche Volumina, die ineinandergestülpte Figuren beherbergen bzw. sie verstecken. Analog zu seinen Collagen ist auch in diesen Skulpturen der Körper als Fragment bzw. in Spuren zitiert.

„Ansicht 1 : 1 (la différence)“ (2006), eine Installation aus einem speziell gefertigten schwarzen Paar Schuhe mit hohen, schiefen Absätzen und einigen Gipswandteilen bezieht mehrere Referenzsysteme ein und zitiert die menschliche Figur mit dem potentiellen Fetischobjekt des High-heel Schuhs in Männergrösse. Die Relativität von Dingen und dem Leben an sich beschwörend schreibt Kurt Schwitters: „Da das Leben relativ ist und der eine Absatz schief ist, ist der andere umso mehr – geraderer“. Raphael Danke übernimmt dieses Bild für seine Installation und platziert die Schuhe auf Gipskartonelementen, die sich wiederum an Carl Andrés „Equivalents I-VIII“, einer Bodenskulptur aus Ziegelsteinen orientiert. Als Referenz für den Grundriss der Installation diente Umberto Boccionis futuristisches Bild „Dynamismus eines menschlichen Körpers“. Danke verwebt die Substanz des fiktiven Raumes mit der physischen und psychischen Energie eines menschlichen Körpers. Seine Referenzsysteme liefern Erkenntnisse, die sich während der Produktion oder im Nachhinein konstruieren und die „wie Rückstände an den Arbeiten hängen“.

Omer Fast Recent Works

Omer Fast (geb. 1972 in Jerusalem) zählt zu den herausragendsten Film- und Videokünstlern der letzten Jahre. Der Künstler, welcher seit 2001 in Berlin lebt, ist u.a. durch Ausstellungen im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh, im Museum of Art in Indianapolis und im MUMOK (Museum für Moderne Kunst) in Wien bekannt geworden. Mit The Casting (2007), einer Mehrkanal-Videoarbeit, welche auch in der Ausstellung Unlimited der Art Basel zu sehen war, wurde der Künstler im Rahmen der Whitney Biennale vom Whitney Museum of American Art mit einem der international renommiertesten Kunstpreise ausgezeichnet.

Der Künstler untersucht in seinen Einkanal- und Mehrfachprojektionen die Transformation von Erfahrungen in Erinnerungen und Erzählungen. Dabei unterläuft er die Logik der linearen Erzählung und lotet aus, wie Geschichten zu solchen werden und wie sie innerhalb ihrer Entstehung Veränderungsprozessen unterworfen sind.

Das Kunsthaus Baselland präsentiert Omer Fasts erste institutionelle Einzelausstellung in der Schweiz und legt den Fokus bewusst auf seine aktuellsten Filmarbeiten der letzten zwei Jahre: De Grote Boodschap (2007), Looking Pretty for God (After GW) (2008) und Take a Deep Breath (2008). In Kooperation mit dem Kunstverein Hannover entsteht ein Katalog.

Im Jahre 2007 entstand im Auftrag der belgischen Contour Biennale Mechelen der im Loop präsentierte Film De Grote Boodschap (Die grosse Nachricht). In Anlehnung an die Charakteristika von TV Serien, konstruiert Fast eine sich wiederholende Geschichte aus vier Szenen, gespielt in drei verschiedenen Räumen, in welche die Kamera quasi linear und Wände durchdringend hinein fährt. De Grote Boodschap handelt von versteckten Ängsten und Vorurteilen, die sich aus unzureichenden und bruchstückhaften Informationen ergeben. Im Zentrum steht eine alte Frau, deren Erzählungen von der Vergangenheit selbst nach ihrem Tod Rätsel aufgeben. Die Nachbarn unterhalten sich über die Frau und ihre Wohnung und versuchen, aus unbestimmten Hinweisen Ereignisse und Zusammenhänge zu rekonstruieren. Die Schlüssigkeit des filmischen Verlaufs gibt einen narrativen Zusammenhang vor, der jedoch nicht eingelöst wird. Gideon Lewis-Kraus schreibt in seinem Katalogbeitrag: „Es gehört zur ethischen Erfahrung bei der Betrachtung von Fasts Arbeiten zu entdecken, wie wir eine Person auf allzu einfache Weise für einen Vertreter einer Geschichte halten – sei es seine eigene Geschichte oder die historische Geschichte. Fast ermahnt uns, dass Menschen zu widerstandsfähig sind, um in historischen Kategorien behandelt zu werden, zu unterschiedlich, um sie über einen Kamm zu scheren. (…) Menschen sind mehr als das, was die Geschichte von ihnen erzählt, aber auch mehr als die Geschichten, die sie über sich erzählen und in denen sie gefangen sind.“

In Looking Pretty for God (2008), Fasts Beitrag zur Manifesta 7, koppelt der Künstler Interviews von Bestattungsunternehmern mit farbig arrangierten Fotografien von Kindermodels. Während die Leichenbestatter über das Einbalsamieren und Verschönern von Leichnamen sprechen, sehen wir professionelle Maskenbildner, welche die Kindermodels schminken. Der dokumentarische, scheinbar neutrale Blick wird endgültig entlarvt, wenn die Kinder den Off-Text der Interviewten zu sprechen scheinen. Looking Pretty for God hebt die Form der Dokumentation auf eine fiktiv-metaphorische Ebene und stellt Fragen zur Repräsentation im direkten Kontext von Tod und Leben und deren jeweiligen Vermarktungsmöglichkeit. Die Herstellung von Geschichten — sei es um Verkaufsentscheidungen zu manipulieren oder das Erinnerungsbild an eine verstorbene Person zu gestalten — bilden darin den zentralen Fokus.

Take a Deep Breath (2008) ist Fasts dritter Film, der neben The Casting (2007) und Spielberg‘s List (2003) in Israel seinen Ausgangspunkt nimmt. Die 2-Kanal-Videoinstallation knüpft ästhetisch und erzählerisch an Hollywood-Filmproduktionen. Die Handlung spielt an einem Set, an welchem der Augenzeugenbericht eines Selbstmordattentats nachgestellt werden soll. Es ist die Erzählung des Arztes Martin F., der auf dem Weg zu seinem Lieblingsfallafel Lokal ein Explosionsgeräusch hört, worauf er aufgrund seiner ärztlichen Hilfeleistungspflicht sofort zum Ort des Geschehens eilt. Dort findet er einen Mann vor, der beide Beine und einen Arm verloren hat. Er versucht, den Schwerverletzten mit Mund-zu-Mund Beatmung zu reanimieren. Dies die Einstiegsgeschichte. Als der Rettungsversuch scheitert und er den Schauplatz verlässt, wird schnell klar, dass der Arzt versucht hatte, den Selbstmordattentäter zu retten was ihn vor ein moralisches Dilemma stellte. Die einzelnen Handlungsstränge – der Augenzeugenbericht als solcher, das am Set gefilmte Material sowie das Geschehen während des Drehs – überlagern sich in einer Pirouette aus Erzählungen über die Erzählung bis zum Punkt, an dem sich Realität, Dokumentation und Interpretation kaum noch unterscheiden lassen. Der Prozess des Filmens selbst und damit die Herstellung und Wahrnehmung von Fiktion werden zum eigentlichen Gegenstand der Illusionsmaschinerie: Omer Fast lotet aus, was geschieht, wenn sich die Ebenen zwischen dem, was real ist und dem, was realistisch ist, ununterscheidbar verflechten.

Kaspar Müller Bias

Kaspar Müller (geb. 1983 in Schaffhausen, lebt in Basel) zählt zu jenen jungen Künstlern, die bereits kurz nach Vollendung ihres Studiums mit einer regen Ausstellungstätigkeit auffallen. Müller hat an der HGK Basel sein Diplom im Jahre 2006 abgeschlossen und war bisher v.a. im Zusammenhang mit den Ausstellungen um den Off-Space Vrits in Basel tätig.

Unter dem Titel „Bias“ zeigt Müller seine erste institutionelle Einzelausstellung. Die Bedeutung des englischen Wortes „Bias“ umschreibt eine relativ grosse Interpretationsbreite: Von „Vorliebe“ oder auch „Neigung“ bis hin zur mathematischen „Verzerrung“ bzw. „Abweichung“ reicht der inhaltliche Spielraum. Kaspar Müller stellt damit seine Ausstellung unter einen Titel, welcher die permanente Überprüfung des Gesehenen und Erlebten geradezu herausfordert.

Speziell für seine Ausstellung im Kunsthaus Baselland entstanden drei Figuren aus Stroh, eine Tuschezeichnung, Fotocollagen und weitere skulpturale Elemente wie ein geschliffener, mit Klarlack bearbeiteter Stock, mehrere Kegelformen aus Stoff und ein Glastisch mit unterschiedlichen Objekten. Die gesamte Ausstellung ist inszeniert mit Objekten, die als Installation für diese Präsentation entworfen und zusammengebracht wurden.

Basim Magdy Last Good Deed

Basim Magdy (geb. 1977 in Assiut/Ägypten, lebt in Basel), welcher auf eine rege Ausstellungstätigkeit in Galerien, Off-Spaces, Ausstellungsräumen und Museen in Ägypten, den USA, in Spanien und in der Schweiz verweisen kann, wurde vom Kunsthaus Baselland für die Gestaltung eines neuen Fassadenprojektes eingeladen.

Magdy arbeitet in den verschiedensten Medien wie Zeichnung, Malerei, Skulptur, Video und Installation. Seine Konzeptionen sind oft bestimmt durch die Gegenüberstellung von Gegensätzen, welche beispielsweise Alltägliches mit Fiktivem, Lächerliches und Slapstickartiges mit dem vermeintlich Normalem, oder Seriöses mit Humoristischem vermischen. In seinen Arbeiten vollzieht sich häufig eine inhaltliche und konzeptuelle Umkehrung, welche dem Werk seinen spezifischen Charakter gibt.

Unter dem Titel „Last Good Deed [Letzte Gute Tat]“ (2009) entwarf der Künstler ein fotografisches Szenario, welches die Sterblichkeit des Menschen mit einem Touch von schwarzem Humor aufgreift. Die urbane, industrielle Randzone, an welcher das Kunsthaus Baselland gelegen ist, ebenso wie die daraus resultierenden konstanten strukturellen Veränderungen, waren Ausgangspunkt für generelle Überlegungen, die das existentiell Ephemere und Vorübergehende zum Thema haben. Der Künstler entwarf in der Folge ein Motiv, das einen Mann auf einem Auto stehend zeigt. Den Blick zum Himmel gerichtet, versucht die Person mit einer Art verlängerter Hand den Himmel zu kitzeln. Die Texzeile erklärt, das der Protagonist sich seiner eigenen Sterblichkeit bzw. sich seines jederzeit möglichen Sterbens bewusst ist und darauf mit einer seltsamen Tat reagiert: Er will mit dem Himmel in Kontakt treten. Die Frage, was geschieht nach dem Tod und jene nach der Manipulierbarkeit höherer Kräfte begleiten die Überlegungen der Handlung. Gibt es eine übergeordnete Kraft im Himmel? Welche Rolle spielt Religion? Kann der Himmel positiv gestimmt werden, wenn er vorher gekitzelt wird? Wie fühlt sich der Himmel generell an? Wirkt sich eine positive Grundstimmung des Himmels positiv auf das Leben nach dem Tod aus? Stellvertretend für uns lässt Basim Magdy seine Figur die Fragen stellen und stattet sie mit einer komikhaften Geste aus: Der Mann nimmt seine rechte Hand ab, steckt sie auf einen Zollstock, der als Armverlängerung dient und versucht, sich bis in die Fingerspitzen streckend, das Himmelsgewölbe zu berühren. Realität und Fiktion vermengen sich ebenso wie Absurdes mit Möglichem und Unmöglichem. Der Ambivalenz, welche dem Thema inhärent ist, begegnet der Künstler mit einem ironisch humoristischen Konzept. Umsetzungstechnisch wählt Magdy für die Fassadenfront eine der Werbeästhetik verpflichtete Fotografie. Die Diskrepanz zwischen gewählter Ästhetik und thematischem Inhalt ist Teil des Konzepts. Der Künstler animiert das Nachdenken über Endlichkeit unseres Daseins und, damit einhergehend, über gelebte Qualität im Alltag.

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Raphael Danke: Filer à l'Anglaise
Omer Fast: Recent Works
Kaspar Müller: Bias
Basim Magdy: Last Good Deed