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28.01.2023 – 30.04.2023

on affairs
Noah Barker, Milena Büsch, Carolyn Lazard, Ghislaine Leung, Lorenza Longhi, Vera Lutz, Studio For Propositional Cinema, Sung Tieu

Die Gegenwart und unser medialer Zugang zu ihr ist durch eine Vielzahl von digitalen und analogen Verschränkungen von Textlichem und Bildlichem geprägt. Die Zeichen türmen sich in unseren Regalen wie auch in unseren Smartphones, in Inboxes wie auch den sozialen Medien. Alles überlagert und überdeckt sich gegenseitig. Natürlich ist das System der Kunst dem in gewissen Bereichen auch ausgeliefert, aber eben nicht zur Gänze. Die Ausstellung on affairs nimmt das Eintauchen in diesen gewaltigen Ozean der Bilder und Worte und das Bergen von Fragmenten und Versatzstücken als Sinnbild um die gezeigten Praxen zu charakterisieren und zu beschreiben: durch das Mittel der Isolation um bestimmte Zeichen und Partikel aus dieser Überfülle herauszulösen und auf eine andere Art sichtbar zu machen. Das Isolieren von Objekten, Bildern und Sprache hat in der Kunst eine lang angelegte Tradition, die vom Readymade über die Minimal Art, Spielformen der Pop Art, der (Post-)Konzeptkunst, Institutionskritik oder Relational Aesthetics bis weit in die Produktionsformen unserer Gegenwart ragt. Jüngere Künstler*innengenerationen knüpfen an die reiche Vergangenheit der Infragestellung unserer medialen Filter zur Wahrnehmung der Welt an. Die Strategien sind dabei präzise wie divers, was sie eint ist ein aktualisiertes Spiel um Syntax, Semantik und Materialität, bei hohem kunstimmanentem Wellengang, in für die konzentrierte Betrachtung schließlich ruhig zu haltenden Gewässern.

So arbeitet Ghislaine Leung sich an der Infrastruktur der jeweiligen Ausstellungsinstitution ab und lässt beispielsweise alle unbenutzten Steckdosen in Ausstellungen alle unbespielten Wandsegmente in Sichthöhe braun streichen, aber auch das Wassser eines Brunnens rauschen. Sung Tieu verbindet in ihrer bildhauerischen Praxis Möbel oder Architekturelemente aus Tresorräumen und Gefängnissen und verbindet diese mit Textfragmenten aus der Traumdeutung und Psychoanalyse. In der Verschränkung oder Rekombination entstehen nachhaltige Eindrücke der gesellschaftlichen Repression gegenüber dem Individuum. In Lorenza Longhis Praxis werden visuelle Elemente aus Kommunikationsstrategien und Objekte, die in unserer Gegenwart eine besondere Rolle spielen, reproduziert und neu zusammengemischt, wobei sie handwerkliche Techniken einsetzt, um ihre vermeintliche Neutralität empirisch zu testen und zu hinterfragen. Die Arbeit von Noah Barker beinhaltet eine distanzierte Logik in Bezug auf Kontext und Absicht als Schatten ihrer strukturellen Bedingungen. Ein dauerhafter Aufschub übersteigt eine Just-in-Time-Arithmetik, während die Ergänzung, das Echo und die Wiederankunft latente Motive in einer Praxis sind, die von der vorhergegangenen Produktion von sich selbst und anderen getragen wird. Das Interesse von Vera Lutz liegt bei in sich geschlossenen Systemen. Dies meint zum einen die Hermetik des eigenen Arbeitszugangs, aber auch mit einem Augenzwinkern Stromkreisläufe oder Führungsschienen von Verdunkelungssystemen. Milena Büsch interessiert sich für Alltags- und Popkulturen und deren Darstellungen in Zeitschriften und Magazinen, wobei sie darin vorgefundene fotografische Abbildungen durch Malerei gestisch überarbeitet und den Fokus dabei auf die unterschiedliche Medien verbindenden Qualitäten von Farbe und Struktur legt. Carolyn Lazard arbeitet interdisziplinär und medienübergreifend und erforscht die sozialen und politischen Dimensionen der Pflege an der Schnittstelle von Rasse, Geschlecht und Beeinträchtigung. Mit dem Fokus auf Zugänglichkeit und Abhängigkeit stellen ihre Kunstwerke und veröffentlichten Schriften Krankheit als Ort des Überflusses und der Kollektivität in den Mittelpunkt. Durch Sprache, Aktionen, Sounds und Bilder, durch Produktion, Publikation, Ausstellung und Fiktion versucht das Studio for Propositional Cinema die formalen und zeitlichen Bedingungen gegebener kultureller Formate jenseits traditioneller, konsumierbarer Formen auszuweiten.

Die verschiedenen Spielformen der aktuellen Konzeptkunst, die on affairs versammelt, birgt eine breite Auseinandersetzung mit dem Modus, wie Kunst uns helfen kann unsere Gegenwart besser zu verstehen, ihr zu begegnen und mit ihr umzugehen. Dabei folgt Post-Concept auf Concept, ohne dass die Gegenwärtigkeit ihrer Kunst an Aktualität verloren hätte. Durch die unterschiedlichen Zugänge zur Isolation und Auswahl der Bilder werden nicht nur deren spezifische Qualitäten, sondern deren Bezug zum Objekt in seiner fragilen Vielfalt klarer, sei es in Sprache, Poesie oder Form.

Kommunizierend zu dieser Ausstellung wird in der Haupthalle der HALLE FÜR KUNST Steiermark die Personale sink des österreichischen Konzeptkünstlers Heinrich Dunst gezeigt. sink und on affairs werden durch ein gemeinsames Rahmen- und Vermittlungsprogramm und eine Publikation (saxpublishers, Wien) begleitet.

Kuratiert von Sandro Droschl und Jan Tappe