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Die Kunsthalle Basel zeigt mit der Ausstellung Feeding, Fleeing, Fighting, Reproduction das neueste Projekt der Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz (*1979) und ihre erste institutionelle Einzelausstellung in der Deutsch-Schweiz.

Rosenkranz’ Interesse gilt evolutionären Mechanismen und Prozessen, die dem Denken und Handeln des Menschen zu unterliegen scheinen. Sie verfolgt dabei Differenzen zwischen Körper und Geist ebenso wie das menschliche Zusammenleben per se, sowie den Bezug des Menschen zur Natur. Sie bedient sich dabei wissenschaftlicher Erklärungen, die gängigen Konzeptionen des Menschen scheinbar widersprechen.

In ihren Werken setzt sich Rosenkranz mit einer Vielzahl von spezifischen Materialien auseinander. Die Betonung der Natürlichkeit dieser ist dabei hervorzuheben, da sie z.B. selbst PET (Polyethylenterephthalat bzw. thermoplastischer Kunststoff) als natürliches Material behandelt. Der Mensch wird von ihr – auch wenn evolutionär überlegen– nur als eines von vielen Elementen auf unserem Planeten, sozusagen als Materie selbst, gesehen. Alles was er schafft ist „natürlich“ und auf diese Weise wird der Begriff der „Künstlichkeit“ in Frage gestellt. Rosenkranz’ Denken ist beeinflusst von einer materialistischen Perspektive, die das Subjekt in Frage stellt. Identitäts- und Ge-schlechterunterschiede sind aufgehoben; ebenso wird ihre eigene Position als weibliche Künstlerin bedeutungslos.

Die Arbeiten Rosenkranz‘ gehen auf grundlegende humane Eigenschaften ein, heben sie hervor und bringen sie in einen neuen Zusammenhang. Die Ausstellung soll als ganzheitliche Auseinandersetzung Rosenkranz’ gelesen werden und so ziehen sich wiederkehrende Themen und Elemente durch die Säle der Kunsthalle. Gleich im ersten Saal der Kunsthalle ist ein Waschbecken installiert. Es ist dasselbe wie in den Toiletten der in den Nachbarräumen liegenden Campari Bar. Der Wasserhahn ist permanent geöffnet und es fließt ein Strahl mit blauem Wasser, dessen Klang auf der Keramik die Stille der Räume überlagert. Die Farbe Blau ist das formale Element, auf das man beim Gang durch die Räume immer wieder zurückkommt. Historisch gesehen wurde die Wahrnehmung von Blau innerhalb unseres sichtbaren Spektrums schon im früh-evolutionären Entwicklungsstadium angelegt, als Lebewesen nur in den Meeren existierten. Die Empfindlichkeit für diese Farbe hat sich in der folgenden Entwicklungsgeschichte auf dem Land kaum verändert und so sind wir vor allem auf die Wellenlängen von Blau immer noch viel sensibler als auf andere Farben des sichtbaren Spektrums.

In großformatigen Prints hinter Plexiglas zeigt Rosenkranz monotone blaue Flächen, deren Vorlagen aus vom Netz heruntergeladenen JPEGs der Ende der 1950er Jahre entstandenen IKB Werkreihe (International Klein Blue) von Yves Klein stammen; die monochromen Malereien des französischen Künstlers, die er in einem von ihm patentierten Verfahren, welches die Leuchtkraft der Ultramarine Pigmente befeuert, anfertigte. Die Farbigkeit der Inkjet Pigment Prints Rosenkranz’ basiert auf Dateninformationen, die farblich den jeweiligen Lichtverhältnissen, Scaneinstellungen bzw. fotochemischen Bedingungen etc. unterliegen. Im Anschluss werden die Prints von Hand aufgezogen. Auf Grund der manuellen Arbeitsweise entstehen Luftblasen – einge-schlossen zwischen Plexiglas und Print – die wiederum Yves Kleins Idee eines immateriellen Himmels widersprechen. Die Immaterialität von Luft wird aufgehoben, die Blase wird zum Objekt und Immaterialität grundsätzlich in Frage gestellt.

Gegenüber von Blau im Sinne des Wild Blue Yonder – den Dimensionen der größten natürlichen Illusion, dem Blau des Himmels – steht Rot, die Farbe des Blutes, für den Kreislauf des menschlichen Körpers. Dessen für uns sichtbare Rotfärbung und die genetischen Pigmentierung der Haut sind dafür verantwortlich. So leuchtet es auch durch das Weiß der Wände, welche mit einer Mischung aus der weißen Dispersion der Institution und Kunstblut oder echtem Blut bestrichen wurde. Eine Wasserflasche von SmartWater steht vor der rosafarbenen Wand, gefüllt mit einer Flüssigkeit. Ist es Wasser oder Kunststoff? Hautfarbe? Die Arbeit spricht es nicht aus, verweist aber doch auf das Streben nach Frische und ewiger Jugend. Die Konservierung von Schönheit, von Reinheit als körperliches Kriterium; Gesundheit und Fitness, auch evolutionäre Fitness, Bereiche die sich immer wieder in Rosenkranz’ Ausstellungen finden lassen, tauchen hier auf.

Eine weitere Arbeit in der Ausstellung beschäftigt sich mit der Einflussnahme von Farben auf unsere Entscheidungsfindung. Eine scheinbar zufällige Folge riesiger Farbflächen wird in die Ausstellungsräume im Erdgeschoss der Kunsthalle projiziert. Begleitet wird die Projektion von einer computergenerierten Stimme namens «Heather», die die Wörter «Yes» und «No» – Zustimmung und Ablehnung – in allen möglichen verschiedenen Intonationen aus dem Bedeutungsspektrum des Sprachprogrammes wiederholt. Hier bezieht sich die Arbeit auf eine spezifische Verwendung von Farben in der Wissenschaft, das sogenannte «Brainbow» -Projekt. Dieser von Wissenschaftlern genutzte Farbkreis wurde bei einem Experiment an Mäusen entwickelt, deren Hirnaktivität durch die Einfärbung von Neuronen im Spektrum des RGB-Farbraum farblich differenziert sichtbar gemacht wurde. Rosenkranz beschäftigt sich damit, auf welche Weise auch existentielle, menschliche Emotionen farblich gebrandet und daher auf rein farb-analoge Art und Weise betrachtet und als immaterielles Gut gehandelt werden können.

Pamela Rosenkranz’ Ansatz beruht nicht auf einem wissenschaftlichen Interesse per se. Sie bedient sich Ergebnissen und Spekulationen aus Naturwissenschaften ebenso wie aus Politik, Geschichte, Philosophie und Populärkultur. Die Ausstellung Feeding, Fleeing, Fighting, Reproduction ist in dem Sinne ein in sich geschlossenes Projekt, das in der kollabierenden und rundumschlagenden Zusammenführung der Konflikte zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und persönlicher Erfahrung besteht. Dabei kritisiert Rosenkranz eine moderne Konzeption von Kunst, die eine Subjektivität des Künstlers, die sich aus bestimmten Rollenbildern gebildet hat, in den Mittelpunkt stellt. Auf diese Weise hinterfragt sie die Vorstellung eines Subjektes schlechthin und zweifelt Begriffe wie Erfahrung, Identität und Geschlecht grundsätzlich an.

Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt von Peter Handschin. Mit Unterstützung des Kantons Uri.

Pamela Rosenkranz (*1979, Altdorf, CH) lebt und arbeitet in Zürich, CH Amsterdam, NL. Rosenkranz erwarb 2004 den Master of Fine Arts an der Hochschule der Künste Bern und studierte 2005 Vergleichende Literatur-wissenschaft an der Universität Zürich. 2010 nahm sie am Independent Residency Program der Rijksakademie, Amsterdam teil.