press release only in german

PATRICK RIEVE Doing Time Der Hamburger Künstler Patrick Rieve errichtet im Galerieraum eine abschließbare Einzelzelle, in der er sich bis zur Eröffnung seiner Ausstellung für eine Woche freiwillig und allein aufhalten wird. Der Raum besteht aus Boden, Wänden, Decke sowie einem Gitter und ist auf zwei mal drei Metern Grundfläche nur mit dem funktional Notwendigsten ausgestattet wie eine Gefängniszelle. Die Zelle steht quer im Raum, sodass ihr Insasse nicht unmittelbar ansichtig ist. Rieve wird einen orangefarbenen Overall als Zeichen seiner Isolierung tragen.

Während seines Aufenthalts in der Zelle wird der administrative Galeriebetrieb ohne Einschränkungen so weitergehen wie es außerhalb der Öffnungszeiten üblich ist. Mit seinem Rückzug realisiert Rieve eine außergewöhnliche Zeiterfahrung unter höchst ambivalenten Umständen, die vor allem ihn selbst herausfordert, aber auch seine Umgebung in Anspruch nimmt. Die Essensversorgung muss ebenso gewährleistet sein wie ein Rettungsweg für den Notfall, und der Routinealltag wird von der zusätzlich anwesenden aber nicht sichtbaren Person in der Zelle atmosphärisch beeinflusst.

Vor der Eröffnung wird sein Rückzug beendet. In der anschließenden Ausstellung ist zusätzlich eine Serie von isometrischen Zeichnungen zu sehen, die technische Raumbeschreibungen einer legendären Flucht von der Gefängnisinsel Alcatraz detailliert wiedergeben. Der Ausbruch gelang Frank Morris und den Gebrüdern Anglin damals aufgrund akribischer Vorbereitungen und Täuschungsmanöver. Rieve verarbeitet in seinen Zeichnungen die technischen Aspekte ihrer Flucht.

Rieve verkehrt das Thema der Flucht aus einem Gefängnis, das in den Zeichnungen exemplarisch verarbeitet wird, in sein Gegenteil. Er benutzt das Ausstellungsobjekt als Gelegenheit zum mehrtägigen Rückzug von alltäglichen Verbindlichkeiten und um sich in Selbstdisziplin zu üben. Für die selbst auferlegte Askese wählt er die Knastzelle, was der scheinbar sanften Konzentrationsübung einen aggressiveren Ton verleiht und zusätzlich das Thema der Kontrolle und Überwachung anschlägt.

Bereits für die Ausstellung Mapping a City: Hamburg-Kartierung (2003-2004) im Hamburger Kunstverein realisierte Rieve einen gezielten Schuss in die Galerie für Landschaftskunst. Der Galerieraum wurde damals zum Gegenstand einer verunsichernden Beobachtung durch ein fiktives Zielfernrohr, was die Zeichnungen im isometrischen Aufriss als Blick von oben wiedergaben. Die aktuelle Installation schafft durch die bewohnte Zelle in der “weißen Zelle“ des Galerieraums eine konkrete Lebenssituation auf Zeit: “Doing Time“.

Dirck Möllmann

STEF HEIDHUES Korridor „Passagen sind Häuser oder Gänge, welche keine Außenseite haben - wie der Traum.“ Walter Benjamin, Passagen-Werk

Ursprünglich bezeichnet der Begriff „Situation“ (von lat. „In situ“) eine physische Umgebung, eine Lage, einen Ort. Hinzu kommt der Aspekt des Zeitverlaufs, des subjektiven Erlebens und des objektiv beobachtbaren Verhaltens.

Sich in einen Korridor zu begeben, bedeutet, dass man sich physisch und psychisch auf ein geordnetes System einlässt, Momente, Träume und Aufgaben sind meistens organisiert oder provoziert. In der Literatur, im Film, im Theater, im Traum und in der Wissenschaft steht der Korridor oft stellvertretend für Wünsche, Ängste oder auch für die Beschreibung des Alltäglichen. Der Korridor ist nicht nur ein Gang, den man durchquert. Er ist auch eine Zeitschleife, durch die man aus der Privatheit, dem Interieur, in einen öffentlichen Raum geschleust wird. Außerdem findet auch eine Konfrontation mit der Privatheit des anderen statt, die sich vermeintlich hinter den verschlossen Türen des Korridors verbirgt. Diese Bewegung ist meist von einer hohen Geschwindigkeit bestimmt, da es überwiegend einen organisatorisch-sachlichen Grund gibt, weshalb man sich in den Korridor begeben hat.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, von einem Korridor ausgehend ein organisiertes System zu nutzen, z.B. ist in den Warenkorridoren sehr eindeutig organisiert, was und wie konsumiert werden soll. Diese Struktur bezieht meistens auch die Schnelligkeit des möglichen Konsums mit ein. In diesen Zeitschleifen ist immer die Gegenwart mit installiert.

Es können sich auch Dinge ereignen oder Bilder entstehen, die mit dem realen Vorgang des Durchquerens nichts zu tun haben. In den Arbeiten der Hamburger Künstlerin Stef Heidhues wird immer wieder die Situation des Beobachtens der des Beobachtet-Werdens gegenüber gestellt. Die Installation Korridor konfrontiert die Betrachter mit einer Fülle von Assoziationen, die ganz persönliche Bilder entstehen lassen.

Corinna Koch Pressetext

only in german

Patrick Rieve "Doing Time"
Ort: Im großen Raum

und

Stef Heidhues "Korridor"
kuratiert von Corinna Koch
Ort: Im Arbeitsraum zum Forschungsschiff