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Peles Empire. The Sky Opens Twice
29.06.2019 — 05.09.2019

Gestern wird Heute, Oben wird Unten, Innen wird Außen: Der Wechsel von Paradigmen und Perspektiven ist inhaltlicher Dreh- und Angelpunkt der Einzelausstellung „The Sky Opens Twice“ des Berliner Künstlerinnen-Duos Peles Empire im Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien (KM– Graz). Gleich mehrere großformatige Neuproduktionen spielen mit der Wahrnehmung der Besucher_innen der Institution durch die Adaption, Spiegelung und Streckung ihrer Architektur. So breitet sich der Himmel in der Haupthalle im Erdgeschoss des Künstlerhauses in den Raum aus, während eine großformatige Arbeit auf der Außenwand der Apsis des Künstlerhauses den Einblick in das Innere des Ausstellungsraums offenbart. „The Sky Opens Twice" führt die Variabilität der Realität vor Augen, weist darauf hin, dass sich die Gegenwart – wenn auch nicht immer unmittelbar sichtbar – aus der Vergangenheit speist und lädt zum Dialog und zur Erweiterung des Horizonts ein.

Die Hinterfragung des Verhältnisses zwischen Original und Kopie und die repetitive Anwendung verschiedener Reproduktionsverfahren bilden Peles Empires Programm. Die Künstlergruppe widmet sich seit über einem Jahrzehnt dem Spiel zwischen Ursprung und Wiederholung: Die historische Bildvorlage all ihrer Werke bilden Fotografien des Schlosses Peleș in der rumänischen Stadt Sinaia. Die aktuellen Skulpturen und Rauminstallationen verweisen meist jedoch nur noch vage auf ihren durch die zahlreiche Kopie fast schon unsichtbaren Ursprung. Die Verbindung von Ausstellungsort und eigenem Werk ist ein programmatisches Prinzip für Peles Empire, das fortlaufend umgesetzt wird. Im Wechselspiel zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, Zitieren, Übertragen und Neukonnotieren eröffnet sich so mit jeder neuen Exposition auch eine neue Perspektive auf Vergangenheit und Gegenwart. Das Künstlerhaus findet in den Bildlegenden des Kollektivs gleich mehrfach Widerhall: Neben einer intensiven Abarbeitung am aktuellen Erscheinungsbild der Institution lassen sich auch Bildzitate aus der Gründungszeit des 1952 im Zeichen der weißen Moderne erbauten Prachtbaus in der Ausstellung entdecken.

„The Sky Opens Twice“ (2019) ist der Titel der großformatigen und eigens für die Ausstellung konzipierten Installation in der Haupthalle der Institution und verweist zudem auf ein Blatt aus dem ersten Collagenroman von Max Ernst, „La femme 100 têtes“, aus dem Jahr 1929. Der Himmel über dem Künstlerhaus scheint sich dem Titel entsprechend zu öffnen, denn das Abbild der über 100 Quadratmeter großen Fensterdecke der Ausstellungshalle erstreckt sich nun auch über ihre Seitenwände. Das Quellmotiv der im Raum präsentierten Skulpturen aus Ming Porzellan, Ton, Jesmonite, Wachs, Styropor und Seil ist eine Fotografie, die eine Marmorsäule mit Löwenstatue im Schlossgarten Peleș zeigt. Beim längeren Betrachten des Sujets, welches auf der Einladungskarte zur Ausstellung abgedruckt ist, offenbart sich seine Absurdität: Das Nebeneinander von Gegenwart und Historie der Szenerie ist surreal und zugleich ein typisches Merkmal der Kunst von Peles Empire. Die prachtvolle Säule scheint als Kabelmast zweckentfremdet, stützt nichts mehr als bloß den Himmel.

Peles Empire bilden das rumänische Historismusschloss auch immer wieder in ihrer Wahl von Methode und Material ab. Momente der Gleichzeitigkeit und des Gegenübers sind hierbei zentral. So referenzieren die Künstlerinnen gezielt immer wieder Verfahrenstechniken und Genres vergangener Jahrhunderte. Für „The Sky Opens Twice“ fertigte das Kollektiv in Anlehnung an die illusionistisch wirkende flämische Stilllebenmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts ein monumentales Trompe l'Œil an, welches sich als Spiegelung der Fensterdecke über die Wände der Haupthalle des Künstlerhauses zieht. Eine Mixtur aus realen und reproduzierten Kunstwerken, ihren Entstehungs- und Präsentationsorten täuscht hier das menschliche Auge: Wie bei seinem historischen Vorbild, gibt der aus A3-Fotokopien zusammengesetzte Digitaldruck eine Dreidimensionalität vor, wo in der Realität kein Raum vorhanden ist. Das hierarchielose Nebeneinander der abgebildeten Materialien weitet den Blick des Betrachters über den Ausstellungsraum hinaus und lässt ihn in eine surreal anmutende Situation eintauchen, in der Geschichte nicht mehr linear gedacht wird.

Die Ausstellung ermöglicht auch einen fiktiven Blick von Außen ins Innere der Grazer Kunstinstitution: Ein weiteres großformatiges Trompe l'Œil mit verzerrter Perspektive in die Ausstellungshalle ist auf der Außenseite der Apsis des Gebäudes aufgebracht. Auch wenn es sich hier wiederum um eine bildliche Illusion handelt, ist die implizierte einladende Geste von „The Sky Opens Twice“ durchaus ernst gemeint. Dem Werk von Peles Empire liegt das Zusammenkommen durch Kunst und das Begreifen der Ausstellung als gesellschaftlicher Diskursraum schon von Beginn an zugrunde. In der Apsis des Künstlerhauses rekonstruieren die Künstlerinnen deshalb eine Bar, die 2017 im Rahmen der Skulptur Projekte in Münster erstmals zu sehen war. Im Rahmenprogramm zur Grazer Ausstellung wird die Bar als Ort des Zusammenkommens für Künstler_innengespräche, Lectures, Screenings und Lesungen im Künstlerhaus fungieren.

Peles Empire wurde 2005 in Frankfurt am Main gegründet und besteht aus Barbara Wolff (1980 Făgăraș, Rumänien, lebt in Berlin) und Katharina Stöver (1982 Gießen, lebt in Berlin). Die Künstlerinnen studierten beide an der Städelschule in Frankfurt bei Wolfgang Tillmans, Michael Krebber und Hermann Nitsch und an der Slade School of Fine Arts und den Royal Academy Schools in London. Als Peles Empire nehmen sie international an Ausstellungsprojekten teil, waren zuletzt u.a. im Modern One der Scottish National Gallery of Modern Art in Edinburgh (2019), im Neuen Berliner Kunstverein (2019), bei den Skulptur Projekten Münster (2017), im Kunstverein Hannover bei „PRODUKTION. Made in Germany Drei“ (2017) und dem Kunstverein Kassel (2017) zu sehen. Das Künstlerinnen-Duo betreibt neben ihrem eigenen künstlerischen Schaffen zudem seit mehr als einem Jahrzehnt einen Projektraum, in dem Ausstellungen und Veranstaltungen Menschen zusammenbringen. Der Space „Peles Empire“ hatte zeitweise Dependancen in London, Frankfurt, Berlin und der rumänischen Stadt Cluj.