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Mit einer arbeitsaufwändigen Einzelausstellung würdigt die Städtische Galerie Nordhorn zum ersten Mal in Deutschland den amerikanischen Künstler Peter Santino. Seit 1990 beschäftigt sich Santino in vielfältiger Weise mit dem Thema des Scheiterns, das er nicht als individuelles Versagen betrachtet, sondern als ein grundsätzliches und auf neues Terrain führendes Prinzip in der Welt. Mit drei großen Sandarbeiten, einer Multimediaproduktion, einer Fotoaktion und einer Installation im Außenraum beleuchtet er die verschiedenen Aspekte und kreativen Möglichkeiten, die im Scheitern liegen. Die Ausstellung ist für Santino auch ein künstlerischer Prozess, der mit der Eröffnung für das Publikum noch einsehbar und im Fluss ist.

Am 1.1.1991 gründete der 1948 in Kansas geborene Peter Santino das »Failure Institute«, das als Projekt im Worldwide Web genau bis zum 31.12.1999 existierte. Es sollte in erster Linie ein Treffpunkt für all jene sein, deren Interesse an Fragen des Scheiterns so weit ging, dass sie dieses Wort in eine Suchmaschine eingaben. Der Gedanke des Scheiterns als positiv zu nutzende Kraft ebenso wie das Prinzip der zeitlichen Begrenzung künstlerischer Produktion durchziehen einen großen Teil des Werks von Peter Santino. Dabei geht es ihm nicht um das Gegenteil von Erfolg, sondern viel grundsätzlicher um die Frage, wie sich Dinge in ihrem Scheitern auch weiterentwickeln oder gar vollenden können. In seinen großformatigen und arbeitsaufwändigen Bodenarbeiten aus Sand, die zum Ende einer Ausstellung wieder zusammengefegt werden, in seinen Internetprojekten, Gemälden und Skulpturen fließen immer wieder Aspekte des Vergänglichen und Vergeblichen ein, aus denen seine Arbeiten auch ihre Schönheit und Faszinationskraft beziehen.

Für die Ausstellung in der Städtischen Galerie Nordhorn entstanden vor Ort drei große, zum Teil skulpturale Sandarbeiten: »Failure of Beauty« setzt das Doppelporträt eines israelischen und eines palästinensischen Mädchens in Szene, die gemeinsam vor zwei Jahren bei einem Bombenattentat ums Leben kamen. Mehrere hundert eingefärbte Sandhaufen lassen das grob aufgerasterte Abbild ihrer beiden Gesichter auf dem Boden sichtbar werden. »Failure of Liberty« rückt die New Yorker Freiheitsstatue in einen neuen Bedeutungszusammenhang. Was die Franzosen einst Amerika als später weltberühmtes Wahrzeichen schenkten inszeniert Santino auf poetisch bittere Weise zu einem verächtlichen Gruß zurück an das »Alte Europa« um. Und in »Failure of Truth« begegnet der Besucher einem in Sand geschriebenen Text in Blindenschrift, dessen Botschaft eben nicht ertastet, sondern nur gesehen werden kann – von Menschen aber, die in der Regel diese Schrift nicht beherrschen.

Ungeachtet der gesellschaftspolitischen Themen, die Santino oft als Ausgangsmaterial seiner Arbeiten wählt, sind seine Projekte immer auch Parabeln auf das Zerfallen der Bilder, auf das Scheitern von Mitteilung und Kommunikation in der scheinbar so reibungslos arbeitenden Medienmaschinerie. Seine Arbeiten beziehen die Rasterverfahren der Bildproduktion ebenso mit ein wie Codierungen der Sprache oder die zeitliche Begrenzung und leichte Zerstörbarkeit der Installationen. Der »Fotoroman für das Internet, Mount Shasta« wiederum, der in Nordhorn erstmals mit deutschen Untertiteln in einer Großprojektion zu sehen ist, thematisiert Zeit und Vergänglichkeit in ruhigem Erzählfluss und mit einer Geschichte über das Scheitern einer individuellen Suche.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit inszenierte der Künstler am Eröffnungstag außerdem eine kleine Hommage an Salvador Dalí, der erstaunlicherweise abseits seiner schlagzeilenträchtigen Auftritte auch für Santinos Werk von Bedeutung ist. Zusammen mit dem Kölner Fotografen Helmut Claus und sieben Models wird in einem Ausstellungsraum die Neuinszenierung des berühmten Dalí-Fotos »In Voluptate Mors« vorgenommen, deren Spuren und Ergebnisse erst anschließend vom Publikum in Augenschein genommen werden konnten.

Schließlich entstand während Santinos Aufenthalt in Nordhorn auch noch eine Außenarbeit hinter der Alten Weberei – ein langsam wachsender, künstlerischer Kommentar zum Standort der Städtischen Galerie Nordhorn und der hier erfolgreich verwirklichten Vision der Neubelebung einer ehemaligen Industriebrache.

Peter Santino, der 1948 in Kansas geboren wurde, folgt in seinem Werk seit vielen Jahren konsequent einem schlüssigen Gesamtkonzept. Trotz bedeutender Ausstellungen in den USA (u. a. 1988/1990/1994 American Fine Arts, New York; 1989 The Aldrich Contemporary Art Museum) und mehreren wichtigen Ausstellungsbeteiligungen in Europa (u. a. 1994 Art Basel; 1996 »de Rode Poort«, Museum van Hedendaagse Kunst, Gent; 2001 »Sonsbeek 9«, Arnhem) stand eine größere Einzelausstellung Santinos in Deutschland noch aus.

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Peter Santino - Magnificent Failure / Großartiges Scheitern
Kurator: Roland Nachtigäller