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Eröffnung am 7. März 2008, 19 Uhr

Der amerikanische Maler Philip Taaffe gehört zu den wichtigsten Malern seiner Generation. Die Ausstellung Das Leben der Formen im Kunstmuseum Wolfsburg ist die umfassendste Einzelpräsentation Philip Taaffes, die je in einem Museum stattgefunden hat. Sie vereint etwa 80 Gemälde und Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1980 bis 2008 und wurde in enger Abstimmung mit dem Künstler konzipiert. Speziell für die Wolfsburger Ausstellung entstand ein Raum mit Monotypien auf Papier, die sich auf Einzelformen der in der Ausstellung gezeigten Gemälde beziehen, sowie eine Werkgruppe großformatiger Gemälde, die die Ausstellung abschließt.

Taaffe, 1955 in Elizabeth, New Jersey, geboren, absolvierte seine Ausbildung an der Cooper Union in New York. Seine ersten Einzelausstellungen fanden Anfang der Achtziger Jahre in New York und Hamburg statt. In dieser Zeit wurden seine Arbeiten im Kontext der Appropriation Art rezipiert. Nach den Erfolgen in dieser Zeit hat er sein Œuvre in der Zurückgezogenheit seines großen New Yorker Ateliers, das manchmal einer Factory, manchmal einer ehrwürdigen Bibliothek gleicht, konsequent weiterentwickelt. Seine Werke sind weltweit in den Sammlungen bedeutender Museen vertreten.

Philip Taaffe ist als Maler ein Sammler. Sein Werk ging zunächst von der formal sehr klaren Tradition der gegenstandslosen Malerei des 20. Jahrhunderts aus. Die wiederholte Aneignung (appropriation) dessen, was Künstler vor ihm – neben Barnett Newman waren es Marcel Duchamp, Bridget Riley, Ellsworth Kelly – an ästhetischen Positionen erarbeitet hatten, war ein notwendiger Ausgangspunkt, um auf der Basis des Erreichten seine eigene Konzeption von Malerei zu begründen. Während viele seiner damaligen Kollegen sich im Rampenlicht der Szene aufhielten, beschritt Taaffe einen eigenen, trendunabhängigen Weg. Er vertiefte sich in die „unendliche Geschichte“ des Ornaments und in das faszinierende „Leben der Formen“, das der französische Kunsttheoretiker Henri Focillon 1934 zum Gegenstand seiner gleichnamigen Abhandlung machte.

Philip Taaffe bringt in seine Arbeiten eine Bildsprache ein, die abstrakt bleibt, deren Formen- und Stilrepertoire aber durchaus figurative Anklänge hat. Nicht die Gestalt der Bildsprache selbst wird verändert, sondern Taaffe erbringt den Beweis, dass die Darstellung figurativer Elemente abstrakt eingesetzt werden kann. Innerhalb der Abstraktion schafft Taaffe Bildwelten, deren Motivvokabular er bis Anfang der Neunziger Jahre vor allem auf seinen Reisen kennen lernt. Er unternimmt ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten, nach Indien, Südamerika sowie Marokko und lässt sich 1988-1991 in Neapel nieder. Sein global ausgerichtetes Konzept zielt auf eine Art „Ornament als Weltsprache“, das die Formen verschiedenster Kulturen und Weltgegenden zusammenbringt. Er variiert und verarbeitet sie und bringt sie in neuen überraschenden Konstellationen und leuchtenden Farben auf die Leinwand.

So überquert Taaffe das Mittelmeer nach Tunesien und übersetzt die Erfahrungen der nordafrikanischen Kulturen mittels orientalischer Architekturfragmente, die er auf den Gemälden anordnet. Er schafft ein abstraktes Muster von Figuren und erzählt auf diese Weise von seinen Erfahrungen mit einer (fremden) Kultur. In der exakten Übertragung von originalen Objekten in ihrer tatsächlichen Größe entgeht er der Dekoration, indem er das Ornamentale in einen neuen Kontext überträgt und es damit abstrahiert. Seine Technik, die Motive prägend, d.h. in unterschiedlichen Drucktechniken auf das Bild aufzutragen, erlaubt es ihm, eine eigene Form des Ornamentalen und ein eigenes Bezugssystem zu entwickeln.

Spätestens seit seinem längeren Aufenthalt in Neapel entwickelt er sein Œuvre in unterschiedliche Richtungen. Er beginnt nicht nur, die Kunsttraditionen des Mittelmeerraumes seit der Antike für seine Malerei zu nutzen. Er entwickelt überdies seine markanten, zwischen Abstraktion und Ornament, zwischen Monochromie und üppigem Formenspiel angelegten Bildfindungen weiter. In den folgenden Jahren kommen die Erfahrungen mit unterschiedlichen Kulturen aus der ganzen Welt hinzu, die er bis heute als Fundus für seine Arbeit verwendet. Seit Mitte der Neunziger Jahre erweitert er seine Quellen um Naturdarstellungen, die vorwiegend aus historischen Büchern stammen, die er in seiner eindrucksvollen Bibliothek sammelt. Die Kunst von Philip Taaffe ist gekennzeichnet von einem tiefen Bedürfnis nach Spiritualität und Transzendenz.

In der Wolfsburger Ausstellung werden die einzelnen „Kapitel“ seines Œuvres durch die flexible Architektur in eigens geschaffene Räume gefasst und somit aus den Bildern heraus entwickelt. Dem Grundriss der Ausstellung liegt die Form eines Mäanders zugrunde, das der Besucher durchläuft. Am Scheitelpunkt der Ausstellung hat der Künstler eine turmhohe Installation aus Einzeldrucken eingerichtet. Die hier gezeigten Blätter wurden direkt von den Druckstöcken abgenommen, die Taaffe für die Produktion seiner Gemälde verwendet. Dieser Einblick in die geistige und materielle Werkstatt des Künstlers wird durch Objekte aus der islamischen Kulturgeschichte, naturwissenschaftliche Fundstücke und naturkundliche Buchillustrationen ergänzt.

Diese Arbeitsmaterialien und Objekte verdeutlichen nicht allein den Herstellungsprozess dieser prächtigen Bilder, sondern gewähren Einblicke in gegenwärtige wie vergangene Kulturen dieser Welt, die über die ihnen entlehnten Ornamente in den Bildern Philip Taaffes immer wieder aufs Neue in überraschende Dialoge eintreten.

Katalog Der 240-seitige Katalog ist als Standardwerk zum Œuvre Taaffes angelegt und fällt durch sein reichhaltiges Material und seine großzügige Gestaltung auf. Alle Exponate der Ausstellung sind ganz- bzw. doppelseitig abgebildet, sofern sie zum Redaktionsschluss fertiggestellt waren. Gegenüber früheren Publikationen zu dem Werk bekommt der Leser durch Atelieraufnahmen Einblick in die Werkstatt des Künstlers und die Herstellungsweise seiner Bilder. Der Essay des Kunsthistorikers und Taaffe-Kenners Kay Heymer gibt einen profunden Überblick über die Werkentwicklung und die vielfältigen kunsthistorischen und kulturgeschichtlichen Bezüge. Von Markus Brüderlin stammt ein Text, der die malerische Abstraktion als Fortsetzung der Ornamentgeschichte untersucht, gefolgt von einem Aufsatz von Co-Kurator Holger Broeker, der dem spezifischen, mit der Arbeitstechnik verbundenen Zeitbegriff nachgeht. Ein ausführliches Gespräch mit dem New Yorker Kunsthistoriker und -kritiker Brooks Adams vertieft die Annäherung an das vielschichtige Werk.

Die Ausstellung "Philip Taaffe: Das Leben der Formen. Werke 1980 - 2008" wird großzügig von der VOLKSWAGEN BANK GmbH unterstützt.

Kuratoren: Dr. Markus Brüderlin und Dr. Holger Broeker

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Philip Taaffe: Das Leben der Formen. Werke 1980-2008
Kuratoren: Markus Brüderlin, Holger Broeker