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Im hinteren Raum des Kunstpavillons ist eine monumentale, schwarze Wand errichtet worden. Eine 24 m©˜ große schwarze Fläche füllt den Raum.

Aus der Nähe und je nach Betrachtungswinkel ist ein grafisches Muster erkennbar. Philipp Messner hat alle Nationalflaggen, der 191 in der UNO vertretenen Staaten* von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe, Schwarz auf Schwarz auf jeweils DIN A3 große Alutafeln gedruckt.

„Inhaltlich nimmt das Projekt Bezug auf die Darstellung einer Nation und den Begriff der Nation selbst. Die symbolisch visualisierte Form dieses Begriffs ist die Flagge.

Der Schwarzdruck ist wie ein Schritt im Schatten, das grafische Muster, das eine Identifizierung beim Großteil der Flaggen ermöglicht, bleibt erhalten. Flaggen, die ein reines Streifenmuster haben wie z.B. Deutschland oder Italien, sind als solche nicht mehr erkennbar. Sie fügen sich aber in der Gesamtfläche ein und sind sozusagen einen Schritt näher zur bildlichen Auflösung.

Das Schwärzen ist als ‚Neutralisierungsakt’ zu verstehen. Die Entscheidung alle Nationalflaggen zu drucken, zeigt deutlich, dass es nicht um einzelne Nationen geht, nicht um eine Stigmatisierung.“

Philipp Messner

Eine Flagge ist ein standardisiertes Symbol für eine Nation, das für Differenzierung nach außen und Einheit nach innen zu stehen vermag. Die Ereignisse der letzten Tage haben deutlich gezeigt wie mittels Nationalfahnen über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg reduzierte, aber unmissverständliche Botschaften übermittelt werden können: Wegen einer in einer dänischen Tageszeitung erschienenen Karikatur des Propheten Mohammed, die offenbar das religiöse Empfinden einiger Moslems verletzt hat, werden in verschiedenen Ländern der islamischen Welt dänische Flaggen mit Füßen getreten und verbrannt.

Politisch lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Bedeutung einzelner Nationen zugunsten größerer Systeme verringert wird. So fehlt es beispielsweise aber andererseits der Europäischen Union an Identifikationspotenzial für die Bevölkerung. Auch der UNO als weltweitem zwischenstaatlichem Zusammenschluss ist es seit ihrer Gründung 1945 nur auf einer sehr rudimentären Ebene gelungen, einheitliche kulturelle und politische Vorstellungen der Menschheit zu definieren.* Nationalflaggen dienen - obwohl genormt, auf wenige Farben reduziert und in der Aufteilung der Farbflächen zumeist in den Verhältnissen 3:5 oder 1:2 gehalten - der Demonstration einer Identifikation. Die Verwendung der Banner in nationalen Auseinandersetzungen oder bei Feierlichkeiten, aber auch die Art ihrer Präsenz in den Medien öffnen ein weites Feld des Diskurses.

Philipp Messners Installation „Arsenale“ bietet den Rezipienten den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Assoziationen und Denkmöglichkeiten. Dem Künstler selbst geht es weniger darum ein politisches Statement abzugeben. Er drückt seine Skepsis darüber aus, was Bilder vermitteln sollen. Seine Strategie ist es, dem System bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner auf den Grund zu gehen. Er sieht die einzelnen Flaggen als Versatzstücke eines Konstruktionssystems. In der Dekonstruktion des Abbilds bleibt hier die Grafik erhalten und die Farben verschwinden. Bis zu vier Ebenen von Schwarz in zunehmender Dichte stehen auf der Basis der geschwärzten Alutafel zur Verfügung um die durch die Flaggen vertretenen Staaten zu differenzieren.

Die Flashanimation „Flash Flag“ zeigt blitzlichtartig, in rasanter Abfolge Schwarz-Weiß-Mutationen aller Nationalflaggen. Einem, vom Künstler nicht näher definierten Algorithmus folgend wird eine Reihe von Flaggenmotiven (nicht alle) so schnell hintereinander gezeigt, dass dem Auge kaum Zeit bleibt ausreichend Bildinformationen zu generieren, dass einzelne Staaten differenzierbar sind. Die Abspielgeschwindigkeit richtet sich nach der Rechnerkapazität des Computers.

Bei der 15 Sekunden dauernden 35mm-Kurzfilmarbeit, die während der Ausstellungsdauer vor jedem Film im Cinematograph und in den beiden Sälen des Leokinos gezeigt wird, beschäftigt sich Philipp Messner mit den Grundfarben der Drucktechnik und der Filmentwicklung im CMYK*-Farbmodell. Die vier horizontal gelegten, das Cinemascope ausnutzenden Farbstreifen zeigen die reduzierteste Form aller Möglichkeiten. Jeder Film ist darin enthalten. Die maximalen Möglichkeiten bietend, ist die totale Auflösung nur einen kleinen Schritt entfernt.

Diesem Gedanken folgend ist es relevant, dass die künstlerische Handschrift hinter einem industriellen Produktionsprozess zurücktritt. Das trifft auch auf die monumentale, egalisierende Arbeit im Kunstpavillon zu.

Das Thema Egalität, das Philipp Messner durch das Schwärzen der Flaggen intendiert, ist auf nationalstaatlicher Ebene nicht zu realisieren. In der Erweiterung der menschlichen Gesellschaft auf virtueller Ebene, den Cybercommunities im Internet, ist dieses Ideal angedacht. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Attraktivität sind alle Diskutanten gleich.

Philipp Messner setzt mit der Realisierung des Projekts „Arsenale“ in Innsbruck einen weiteren Schritt in seiner künstlerischen Auseinandersetzung, die in der Hinterfragung der Wahrnehmung und des - wie es der Künstler selbst nennt - „Funktionierens“ von Oberflächen verankert ist. Marion Piffer Damiani konstatierte bereits 2003: „Die den Werken zugrunde liegende Frage lautet: Welcher ‚Standpunkt’ bestimmt unsere Orientierung in der Wirklichkeit?“

Ingeborg Erhart

*Ar|se|nal das; -s, -e: 1. Zeughaus; Geräte- u. Waffenlager, 2. Vorratslager, Sammlung. Insgesamt gibt es 192 vollständig (von der UNO) anerkannte souveräne Staaten. Darunter fallen die 191 Mitglieder der UNO sowie die Vatikanstadt. Weitere Staaten sind nur von einer Minderheit der weltweiten Staaten anerkannt, dies sind u.a. Taiwan (offiziell Republik China), Somaliland, Westsahara (DARS), die Cookinseln und Niue. http://de.wikipedia.org/wiki/Staat vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/UNO Kompetenzen

CMYK steht für Cyan (Türkis), Magenta (Fuchsinrot), Yellow (Gelb) und Key (Schwarz; steht für Schlüsselfarbe, Black bzw. Kontrast) und ist ein subtraktives Farbmodell.

Pressetext

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Arsenale*
Philipp Messner
Ort: Kunstpavillon