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Kaum einem Künstler wurde je soviel Aufmerksamkeit zuteil wie Pablo Picasso (1881–1973), dessen epochales Werk immer wieder zur Auseinandersetzung herausfordert. Im Zentrum der Ausstellung Picasso – Malen gegen die Zeit steht das furiose, ausufernde Spätwerk des Künstlers, der sich 1961 mit seiner letzten Lebensgefährtin und Frau, Jacqueline Roque, nach Mougins zurückzog. Dort entstanden von wilder Geste und zunehmender Geschwindigkeit des Malprozesses zeugende Gemälde, deren explizite Sexualität und scheinbare Formlosigkeit zunächst auf vehemente Ablehnung stießen. 1973 befand der amerikanische Kunsthistoriker Douglas Cooper, es handele sich dabei um „unzusammenhängende Schmierereien, ausgeführt von einem rasenden Greis im Vorzimmer des Todes“. Nur schrittweise – in Folge der das Spätwerk reflektierenden Ausstellungen und Publikationen seit Beginn der 1980er Jahre – drang die Bedeutung dieser Bilder als Manifestation einer radikal erneuerten Malerei ins Bewusstsein.

Werner Spies – der ausgewiesene Kenner des Werkes, Verfasser des Œuvrekataloges der Skulpturen Picassos und Kurator dieser Ausstellung – stellt dem Maler Picasso den meisterhaften Zeichner und den mit großer Freude am Detail fabulierenden Radierer gleichberechtigt zur Seite. Die von ihm ausgewählten Gemälde, Zeichnungen, Grafiken und Klappskulpturen vergegenwärtigen das komplexe Bild eines höchst wandlungsfähigen Œuvres, in dem Gegensätze hart aufeinanderprallen und das serielle Arbeiten am Motiv die endgültige Formulierung verdrängt zu haben scheint. In alle Arbeiten investierte der Künstler ein bestimmtes Quantum an Zeit, woraus die offensichtliche Trennung zwischen einem Stil des Malers und dem des Zeichners resultiert. In einer solchen Organisation der Arbeitszeit spiegeln sich Entsetzen und Widerstand gegen das Altern und den Tod.

Aktfiguren, pastorale Liebesszenen, ungleiche Paare, die Maskerade der Mantel- und Degenstücke dominieren dieses Werk der letzten Lebensjahre. Ein zutiefst melancholischer Klang durchschwingt die Bilder: Die provozierende Sinnlichkeit der weiblichen Akte steht in krassem Gegensatz zu der autobiografisch gefärbten Figur des Voyeurs, der verkleidet als Maler, Bildhauer, Musketier oder alter Mann in Erscheinung tritt. In diesem Gegensatz manifestieren sich zugleich waches Verlangen und ein Bewusstsein von Ohnmacht angesichts der verrinnenden Zeit. Geprägt von einer aus der Meisterschaft gewonnenen malerischen Freiheit, einer akribischen Technik der Zeichnung und einer einzigartigen Erzählfreudigkeit entstand in der Abgeschiedenheit von Mougins ein dichtes, nur scheinbar widersprüchliches Werk, dessen überraschende Dialektik es zu entdecken gilt.

Die Ausstellung, die vom 22. September 2006 bis zum 7. Januar 2007 bereits in der Albertina in Wien gezeigt wird, vereint mehr als 60 Gemälde, 30 Zeichnungen, 8 Skulpturen sowie ca. 60 Radierungen aus der 347 Blätter umfassenden, 1968 im Schaffensrausch weniger Monate entstandenen „Suite 347“ und aus der 1970 realisierten „Suite 156“. Der umfangreiche Katalog, erschienen bei Hatje Cantz, enthält farbige Illustrationen aller ausgestellten Werke sowie Essays von Werner Spies, Georg Baselitz, Jean Clair, Marie-Noëlle Delorme, Ann Hindry, Norbert Miller, Martin Warnke sowie eine reich bebilderte Dokumentation der Jahre 1961 – 1973.

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Picasso - Malen gegen die Zeit
Pablo Picasso

Stationen:
22.09.06 - 07.01.07 Albertina, Wien
03.02.07 - 28.05.07 K20 - Kunstsammlung Nordrhein Westfalen, Düsseldorf