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Aurora, die Morgenröte - in der römischen Mythologie ist sie mit der Aufgabe betraut, ihren Bruder den Sonnengott am Himmel hinaufzuführen. Als Philipp Otto Runge Anfang des neunzehnten Jahr-hunderts seinen kleinen „Morgen“ malte, galt Aurora ihm und seinen Zeitgenossen als ein Topos der Verheißung. Den Romantikern erschien das Dasein als ein unendliches Werden. Alles Gefühlvolle, Märchenhafte und Phantastische spielte darin eine besondere Rolle und die Suche nach dem Ausdruck des Unendlichen führte sie auch zu den geheimnisvollen, dunklen Seiten des Unterbewussten.

Auf die Sehnsüchte der menschlichen Natur konzentriert sich der in Köln lebende Piotr Dluzniewski (*1952). Seine Gemälde und Zeichnungen und parallel entstehende Skulpturen aus Metallbändern sind erotischen Phantasien gewidmet. Es sind die ebenso animierend wie mysteriös erscheinenden Frauen-gestalten, welche in den Darstellungen der häufig sadomasochistischen Lustspiele dominieren. Hochhackige Stiefel, prallrunde Formen und Blicke aus großen Augen scheinen dem männlichen Begehren zugleich Bestrafung und Erlösung zu verheißen. Das überreiche Angebot an Weiblichkeit, die Kulissenartigkeit des Interieurs und die beinahe triviale Detailfreudigkeit der Inszenierung, zeugen sowohl von einer Faszination als auch von einer ironischen Distanz des Künstlers. Dem Betrachter, möge er sich animiert oder irritiert fühlen, ist in jedem Fall die Rolle des Voyeurs bestimmt.

Wie der Ausstellungstitel schon andeutet, beziehen sich Piotr Dluzniewskis neueste Arbeiten auf die Stimmung der frühen Morgenstunde. Die Bilder zeigen junge Frauen beim Erwachen, beim ersten Blinzeln in den neuen Tag oder auch beim Ritual des morgendlichen Ankleidens. Gerahmt von Landschaft oder Interieur, ist ihr Körper nur ausschnitthaft wiedergegeben. Die lasierend aufgetragene und stellenweise ganz ausgesparte Ölfarbe lässt die Maserung der Holzbildträgers unter sich sichtbar bleiben. „Traum unter dem Vulkan“ heißt eines der Bilder, das im Vordergrund eines Zimmer eine Schlafende zeigt. Ihr ebenmäßiges Gesicht ist von welligem Haar gerahmt und ihre vollen, blassroten Lippen sind leicht geöffnet. Unter dem zarten Stoff des Nachthemds zeichnen sich die Rundungen ihrer Brüste ab, zwischen diese schmiegt sich eine Perlenkette. Eine Vase und eine Türöffnung gestalten das Zimmer zu den Seiten, und in der oberen Bildmitte gibt ein Fenster die Aussicht auf einen Vulkan frei, hinter dem am Himmel das Morgenrot aufzieht. Durch Übermalung akzentuiert, verselbständigt sich die Maserung aus dem Bilduntergrund und es scheint als würden in ihr die erwachenden Bewusstseinsschichten der noch Träumenden sichtbar. Die wechselseitige Überlagerung der Bildebenen zeigt die jungen Frauen in einer Sphäre zwischen Werden und Sein. Himmelblau dominiert die zurückhaltende Farbigkeit der Bilder und verbildlicht auf geradezu allegorische Weise die im Erwachen noch unschuldige Sinnlichkeit ihrer Protagonistinnen. Die Welt erwacht und der Anbruch des neuen Tages verheißt noch alle Möglichkeiten. Dieses Versprechen Auroras vermittelt Piotr Dluzniewski dem Betrachter und nicht nur darin erweist er sich in seinen aktuellen Bildern als den Romantikern verwandt.

Dagmar Behr Pressetext

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Piotr Dluzniewski "Aurora"