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Die Metropolenwerdung Berlins bewegt die Gemüter: In einer explosionsartigen Vielfalt von Büchern, Stadtführern, Filmen und Reportagen werden Erklärungen gesucht, Statistiken herangezogen, Argumente abgewogen. Wiederkehrendes Symbol für die Stadt im Wandel ist die Baustelle. Sie ist zum Inbegriff des Zustands von Berlin geworden und hat das Veränderliche gleichsam ikonisch eingefroren. Doch unter dieser dominanten Schicht von Bildern und Diskursen befindet sich eine weitaus faszinierendere Ebene: Die Künstler der Ausstellung PLACE MAKERS spüren in ihren Arbeiten den Brüchen des Urbanen nach. Sie machen die Verschiebungen und Risse der Stadt sichtbar, formulieren Fragen nach den verwobenen Dimensionen von Sozialität, Geschichte, Ökonomie, Mythos und Raum. In ihren Arbeiten werden ihre Raumtaktiken und Zugänge zur Stadt sichtbar. Ihre künstlerischen Aneignungsweisen führen uns in die Stadtlandschaft hinein und bringen neue Bedeutungsschichten hervor. Sie machen ein eigenes Gewebe des Urbanen sichtbar. Die Ausstellung zeigt Arbeiten von Nevin Aladag, Jan Brokof, Elín Jakobsdóttir, Daniel Knorr, Wiebke Loeper, Frank Nitsche und Christine Schulz. In ihren Biographien vereinen die Künstler sowohl ost- wie westdeutsche als auch internationale Stationen. Alle Künstler leben in Berlin. Sie arbeiten mit unterschiedlichen Medien wie Print, Holzschnitt, Zeichnung, Video, Fotografie, Malerei und Installation. Gemeinsam legen sie das Urbane Berlins künstlerisch frei und produzieren an der städtischen Lokalität mit.

Künstlerische Positionen und das Place-Making von Berlin Indem Nevin Aladag mit ihrer Arbeit Rebound, den Straßenstaub Neuköllns mithilfe eines Basketballs auf das Weiß des Papiers presste und neben dem luzid-weißen Originaldruck, den sie in der Galerie zeigt, die Arbeit auch als unsignierte Edition im Stadtraum montiert, entwickelt sie ein cleveres, taktisches Spiel, welches zwischen High und Low Culture, zwischen White Cube und Straße, ebenso wie zwischen den Stadtteilen Neukölln und Mitte hin und her dribbelt.

Jan Brokofs Arbeiten entwickeln ihre scharfkantig-kontrastreiche Ästhetik durch die Technik des Holzschnitts mit dessen Hilfe der Künstler das Holz in einer sorgfältigen Bearbeitung in urbane Konturen überführt. In den schwarz-weiß gehaltenen Drucken entstehen die architektonischen Konturen und Formen Ostberliner Wohnkomplexe, die auch in Berlin oftmals dem Abriss anheim fallen. Dabei rekonstruiert der Künstler mithilfe von Fotografien und seinen Erinnerungen das Verschwinden. Die Arbeiten tragen somit zu einer »Archäologie des Alltags« bei und werfen Fragen zu Erinnerung und Gedächtnis, Biographie und Verortung in Zeiten eines sich wandelnden Stadtraumes auf.

Die von Elín Jakobsdóttir eigens für die Ausstellung entwickelte Arbeit Horsebox – basierend auf Zeichnungen und Fotografien ihres Storyboards – führt uns in eine geheimnisvolle Atmosphäre der Stadt. In einem flirrend weißen Licht sehen wir zwei Männer ein rätselhaftes Objekt durch die menschenleeren Straßen Weddings tragen. Die Künstlerin referiert mit ihrer Arbeit an das Konzept des Unbewussten. Sie stellt Fragen zum veränderten Verhältnis von Arbeit, Produktion, Objekten und Raum und reflektiert dabei die Verschiebung dieser Wechselverhältnisse in der de-industrialisierten Stadt.

In seinen abstrakten Malereien lagert Frank Nitsche in seiner eigenen künstlerischen Handschrift Formen des Architektonischen, Konturen von Graffiti, popkulturelle Elemente und konträre Fluchtpunkte übereinander. Parallel an mehreren Leinwänden arbeitend, formt Nitsche vorgezeichnete Entwürfe im malerischen Prozess zu komplexen Liniengerüsten. In seinen Malereien mit ihrer abstrakten Visualität und matten Farbgebung scheinen Anleihen an das Licht und die Konturen der Berliner Urbanität auf.

Der Venedig-Biennale Künstler Daniel Knorr entwickelt mit seiner Videoarbeit, Impressions 1.Mai 2004, eine meditative Arbeit zum jährlich stattfinden Berliner-Ritual. Indem Knorr das langsam dahin fließende Wasser des Kiehlufers mit seinem Treibgut filmt und die im Hintergrund herüber tropfenden Sounds der Stadt einwebt, wird die Instabilität und Spannung des Wassers ebenso wie die sich wandelnde Bedeutung eines städtischen Rituals förmlich körperlich spürbar.

In der Fotoserie, Lad, beschäftigt sich Wiebke Loeper mit dem Verschwinden ihrer Kindheitsorte in Ost Berlin. Der von ihr gewählte Titel referiert auf das plattdeutsche Wort für eine Truhe auf Rädern, in der Kostbarkeiten des Haushaltes vor Brand, Unwetter und Sturmfluten gesichert werden. Mit ihren Fotografien tastet sie die graffitiüberzogenen Mauern ihrer alten Schule nahe des Alexanderplatzes ab, dokumentiert den Abriss der anliegenden Kaufhalle anhand einer rechteckigen Leerstelle und fängt den dämmernden Schlaf der verlassenen Sporthalle ein. Ihre Arbeit stellt widerständige Fragen nach der Entwertung von biographischem Wissen, Erinnerung und Ort im Zuge der räumlich-politischen Transformationen des Nachwende-Berlins.

Die ehemalige Meisterschülerin John Armelders, Christine Schulz, entwickelt in ihrer eigens für die Ausstellung entwickelten Arbeit, Odds 2007, einen mehrperspektivischen Raum aus Found-Footage und Sequenzen berühmter Berlin-Filme. Indem sie herausragende filmische Szenen mit eigens gedrehtem Videomaterial mischt, betreten wir förmlich einen »dritten Raum« und tauchen in ein Meer von Stadtbildern ein. Ihre Arbeit wirft Fragen zu unseren urbanen Imaginationen auf, zum Verhältnis von gebauter Umwelt und Film ebenso wie erfahrungsbasiert unser Bildgedächtnis eigentlich ist.

Biographien

Kuratorin Christine Nippe wurde 1976 in Bremerhaven geboren. Sie studierte am Kunstwissenschaftlichen Institut Kulturwissenschaften und Ästhetik sowie Europäische Ethnologie mit dem Schwerpunkt Stadtforschung an der Humboldt Universität zu Berlin. Sie arbeitete im Queens Museum of Art, New York bei der 5. berlin biennale für zeitgenössische Kunst und als freie Lektorin im Hatje Cantz Verlag, Berlin. Momentan schreibt sie ihre Doktorarbeit mit dem Titel »Kunst und Stadt. Bildende Künstler in Berlin und New York: zum symbolischen Kapital von Metropolen.« Dafür war sie als Visiting Scholar am Department of Art History and Archaeology der Columbia University in New York.

Künstler Nevin Aladag wurde 1972 in Van/Türkei geboren und wuchs in Deutschland auf. Sie studierte bei Olaf Metzel an der Akademie der Bildenden Künste in München. Ein Stipendium des Künstlerhaus’ Bethanien führte sie nach Berlin. Nevin Aladag hat ihre Arbeiten in der Kunsthalle Palazzo in Basel, in der Kunsthalle Fridericianum in Kassel, bei der Ausstellung Fokus Istanbul im Martin-Gropius-Bau, bei der Ausstellung Coolhunters im ZKM in Karlsruhe sowie bei der Ausstellung Blut und Honig in der Sammlung Essl in Wien gezeigt. Sie wird von der Gitte Weise Gallery vertreten.

Jan Brokof wurde 1977 in Schwedt geboren. Sein Studium der Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden schloss er 2004 ab. 2004–2006 war Brokhof Meisterschüler bei Prof. Ralf Kerbach. 2005 erhielt er den Preis der Marion Ermer Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur in Sachsen und Thüringen. Jan Brokofs Arbeiten wurden unter anderem in der Sammlung Schmidt-Drehnhaus im Kupferstichkabinett Dresden, in der Galerie für Junge Kunst in Dresden auf der Scope in New York und in der Galerie Conrads in Düsseldorf gezeigt. Er wird von der galerie baer I raum für aktuelle kunst in Dresden vertreten.

Elín Jakobsdóttir wurde 1968 in Selfoss/Island geboren. 2002 absolvierte sie mit einem MFA in Fine Art an der Glasgow School of Art/Großbritannien. Die Künstlerin erhielt mehrere Stipendien des British Councils und des Scottish Art Councils. Elín Jakobsdóttirs Arbeiten wurden in der Einzelausstellung Revisions in Relative Time in der Market Gallery im Rahmen von Glasgow International 2005, in der Ausstellung A Coté Rêve un Sphynx Accroupi im Louvre Museum in Paris sowie im Nordic Institute for Contemporary Art in Bergen/Norwegen gezeigt.

Daniel Knorr wurde 1968 in Bukarest/Rumänien geboren. Von 1989–1995 studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in München und später am Vermont College of Norwich University/USA. Der Künstler erhielt 1999 den Villa Romana Preis, Florenz. Daniel Knorrs Arbeiten wurden in vielen Einzelausstellungen gezeigt wie etwa im Creek Art Center in Shanghai/China, auf der 51. Biennale in Venedig/Italien sowie auf der Art Chicago/USA. Knorr wird 2007 auf der Triennale für Kleinplastik in Fellbach und auf der Moskau Biennale/Russland vertreten sein.

Wiebke Loeper wurde 1972 in Ost Berlin geboren. Sie studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Joachim Brohm und Arno Fischer. Sie war Meisterschülerin bei Joachim Brohm. 2004–2005 erhielt sie das Künstlerstipendium der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Shrinking Cities Projektes. Wiebke Loeper zeigte ihre Arbeiten etwa in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, auf der 3rd Ars Baltica Triennial of Photographic Art, Contemporary Art Center Vilnius/Litauen, in der Plaza Gallery Tokio/Japan, in der Kunsthall Bergen/Norwegen, in der Villa-Contemporary Art Center Tel Aviv/Israel sowie in der Malmö Konsthall/Schweden.

Frank Nitsche wurde 1968 in Görlitz geboren. Er studierte an der Hochschule für Bildende Künste, Dresden. Frank Nitsche zeigt seine Arbeiten aktuell in den beiden Einzelausstellungen im FRAC Auvergne – Ecuries de Chazerat, Clermont Ferrand/ Frankreich und im Musée d’Art Moderne et Contemporain, Strasbourg/Frankreich. Des Weiteren zeigte er seine Arbeiten bei Leo Koenig Inc., New York/USA, in der Galerie Max Hetzler, Berlin und bei der Galerie Gebr. Lehmann, Dresden. Außerdem stellte er in zahlreichen Gruppenausstellungen aus, darunter das ZKM, Karlsruhe, die Tate Modern, London/GB, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart sowie im Centre Pompidou, Paris/Frankreich. Frank Nitsche wird durch die Galerie Gebr. Lehmann vertreten.

Christine Schulz wurde 1961 geboren. Sie lebt und arbeitet in Garbolzum und Berlin. Ihr Studium der Freien Künste absolvierte sie an der HBK in Braunschweig bei John Armleder, Birgit Hein und Thomas Virnich. Sie war Meisterschülerin bei John Armleder. 2002 erhielt sie das Jahresstipendium des Landes Niedersachsen und der Künstlerhäuser Worpswede. Christine Schulz zeigte ihre Arbeiten in Einzelausstellungen bei der Galerie Upstairs, Berlin, im Kunstverein Gifhorn sowie auf der Preview Berlin. Außerdem hat sie in verschiedenen Gruppenausstellungen teilgenommen wie im Kunstverein Hamburg, im Electron, Breda/Niederlande und in Shanghai Zendai Museum of Modern Art, Art Bank Space, Shanghai/China. Christine Schulz wird durch die Galerie Upstairs vertreten.

Curators Without Borders wurde mit dem Ziel gegründet die weltweiten Beziehungen zwischen Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Kunstinstitutionen in Europa, den USA und darüber hinaus zu verbessern und Ausstellungsmöglichkeiten für junge Künstler anzubieten. Curators Without Borders Anliegen ist, eine Vielfalt und Breite kuratorischer Ansätze zu repräsentieren, die weder durch Ideen, Konventionen oder geographische Grenzen eingeschränkt werden sollen. Wir interessieren uns für die Kunstproduktion auf einer lokalen Ebene und wie sich Künstler in ihren künstlerischen Ideen weltweit durch Informationstechnologien, veränderte Grenzziehungen und Diasporas beeinflussen.

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PLACE MAKERS
Berlin’s Urbanity in Contemporary Art
Kuratiert von Christine Nippe

Teilnehmende Künstler: Nevin Aladag, Jan Brokof, Elin Jakobsdottir, Daniel Knorr, Wiebke Loeper, Frank Nitsche, Christine Schulz