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Unter dem Titel >POWER< zeigt die Galerie eine Ausstellung mit vier Künstlern, die sich in ihrem Werk in unterschiedlicher Weise auf einer abstrakten und/oder metaphorischen Ebene mit Mechanismen der Macht, Ästhetiken des Autoritären, subversiver Gewalt, gesellschaftlichen Verhaltensmaßstäben bzw. kollektiven Regelsystemen beschäftigen. Dabei werden nicht nur die Funktionen von Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft, sondern auch die Regelsysteme des Kunstfeldes und der privaten Sphäre berührt. Vor dem Hintergrund, dass von Leipzig die entscheidenden Impulse zum Fall der Mauer ausgingen, gewinnt die Themenausstellung mit Künstlern aus sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen eine weitere Bedeutungsebene. Einen ungewollten Aktualitätsrahmen erfährt >POWER< durch den sich seit zwei Wochen zuspitzenden Kosovo-Krieg. Von jedem der Künstler werden mehrere Arbeiten und raumfüllende Installationen zu sehen sein, die zum Großteil eigens für diese Ausstellung entstanden.

ANGELA BULLOCH ist 1966 geboren und lebt in London. Die Künstlerin befragt in ihren vielschichtigen Arbeiten, die sich stets an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen bewegen, menschliche Verhaltensnormen und Handlungsmuster. Ein sechs Meter langer Tunnel empfängt den Besucher beim Eintritt mit einer tösenden Geräuschkulisse. Die Aufnahmen aus einem Londoner Fußballstadion werden durch die Bewegung des Betrachters im Tunnel ausgelöst. Es scheint, als könne man die Installation steuern, sie unter Kontrolle bringen, und doch geht der Einfluss des Individuums nicht über das simple Ein- und Ausschalten der Tonquelle hinaus. Eine weitere Arbeit stammt aus ihrer „Rules“-Serie, in der Bulloch existierende Regelkanons wie Fundstücke behandelt, diese in einen neuen Kontext stellt und somit sowohl deren spezifischen Inhalte als auch Regelsysteme als solche thematisiert.

KENDELL GEERS, geboren 1968, lebt in Johannesburg. Sein künstlerisches Werk ist von den politischen Unruhen seines Heimatlandes und der Ablösung der Apartheid durch die Demokratie beeinflusst. Geers‘ Arbeiten sind immer sehr stark auf das emotionale Erleben durch den Betrachter und dessen Irritation ausgerichtet. Sein Projekt sieht vor, die Galerie ringsum mit einem Zaun aus Widerhakensperrdraht, der üblicherweise zur Sicherung von Grenzen und militärischen Einrichtungen dient, zu verbarrikadieren. Eine künstlerische Intervention, die in einer Stadt der ehemaligen DDR, deren Grenzen mit ähnlichen Schutzvorrichtungen gesichert war, eine gewisse Pointierung erfährt. In den Ausstellungsräumen selbst wird eine Wand-Installation aus orangefarbenen Einmal-Leichensäcken zu sehen sein.

GREGORY GREEN wurde 1959 geboren und lebt in New York. Seine Werke bewegen sich stets am Rande der Legalität. Er fertigt aus einfachen Alltagsgegenständen Brandsysteme, Bomben und sogar Raketen, die alle grundsätzlich voll funktionsfähig sind. Es fehlt lediglich das explosive Material, um ihre zerstörerische Kraft zu entfalten. Die Faszination von Gewalt, wie wir sie fast täglich in Action-Filmen konsumieren, bekommt ein reales Gegenüber. In Leipzig wird mit „Worktable No. 6“ eine Bomb Factory zu sehen sein. Die raumfüllende Installation erweckt den Eindruck, als ob man gerade das Arbeitszimmer eines Terroristen betritt.

FABRICE GYGI, geboren 1965, lebt in Zürich und Genf. Der Schweizer Künstler schafft transportable Raumstrukturen aus Metall und LKW-Plane, die einer Ästhetik von mobilen militärischen oder polizeilichen Kommandoständen entlehnt sind. Ob ein Würstchenstand aus Edelstahl, ein Propagandawagen mit Lautsprechern oder aber, wie in Leipzig, ein „Tribunal“, immer evozieren die Arbeiten durch ihr martialisches Äußeres etwas latent Gewalttätiges. Im Ausstellungsraum wird ein Zelt mit Holzpodesten und -bänken aufgebaut. Es könnte im Bedarfsfalle als Feldgericht oder aber als Veranstaltungsplattform für in der Ausstellung stattfindende Konzerte oder Vorträge dienen. Kein Kunstwerk für die Ewigkeit, sondern eine zu Material gewordene Frage an die Gesellschaft.

Katalog: Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig (Hg.): Power. Angela Bulloch. Kendell Geers. Gregory Green. Fabrice Gygi. Leipzig 1999

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POWER
Kurator: Jan Winkelmann

KünstlerInnen: Angela Bulloch, Kendell Geers, Gregory Green, Fabrice Gygi