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" ’Rainbow Soldier Liquid Heart’ ist ein Projekt, das Photokünstlern verschiedener Generationen und Nationen, ein Forum gibt, sich im direkten Vergleich bezüglich ihrer Obsession, der globalen Reisephotographie zu präsentieren. Wichtig ist hierbei, im Gegensatz zur Düsseldorfer Becherschule, nicht neutrales indifferentes Dokumentieren des angeblich hyperrealen Momentes, sondern die Erarbeitung einer persönlichen Position in Bezug auf die zivilisatorischen und sozialen Phänomene dieses Planeten. Wer gerne über die Welt mäandert, der nimmt auch ihre Mentalität auf und ist damit auch fähig diese zu vermitteln. Das Projekt bietet Menschen, die sehr stark bildverbunden sind, die Möglichkeit einer sehr heterogenen und unideologischen Sicht auf die Welt an. Die erste Stufe dieses Konzeptes bildet ein Screening, will sagen eine Diaschau mit ca. fünfzehn bis dreißig Arbeiten pro obengenannten KünstlerInnen in der Stadtturmgalerie in Innsbruck, dies wird sozusagen das konstituierende Moment für das Projekt überhaupt. Die nächste Stufe ist eine frei abrufbare Website, um dem ganzen, auch über die Ausstellung hinaus, Präsenz zu verleihen. Diese Homepage kann bei zusätzlichen neuen Entdeckungen ständig erweitert werden. Stufe drei wird eine große bis mittelgroße Ausstellung von Originalprints sein, die in verschiedenen Institutionen weltweit zu zeigen ist.“, lautet die Formulierung von Klaus Auderer für das Basiskonzept der Ausstellung „Rainbow Soldier Liquid Heart – Die Ästhetik des Reisens in der zeitgenössischen Photographie“.

Für das nun erarbeitete Reisefoto-Screening auf fünf Monitoren in der Stadtturmgalerie reflektiert der Künstler ausgehend von der eigenen fotografischen Arbeit das Spektrum dieses Mediums. Es ist ein Projekt, das Menschen zusammen bringt, die die Leidenschaft des Reisens mit der Fotografie verbinden. Klaus Auderer spricht von seinen Fotofreunden und meint das zum einen im Sinne einer künstlerischen Verwandtschaft und zum anderen im Sinne einer persönlichen Verbundenheit. Die Zusammenstellung der beteiligten KünstlerInnen bezeichnet Klaus Auderer als biografisch. So lernte er Michael Bry, der - fast noch ein Kind - mit seiner Familie vor den Nazis nach Chile fliehen musste und nach Jahren in den USA und anderen Ländern mittlerweile wieder in Deutschland lebt, bereits als Teenager kennen und ist begeistert, dass Michael Bry trotz seines harten Lebenswegs ein Philanthrop geblieben ist, was sich auch in seiner Fotografie sehr deutlich zeigt. Auch der Ausstellungstitel geht auf eine freundschaftliches Zusammentreffen mit dem Künstler Maxim Kiseljev während der Studienzeit Klaus Auderers in München zurück: Kiseljev verstörte in der Münchner U-Bahn andere Passagiere durch eine spontane Performance im Zuge der er „Rainbow Soldier Liquid Heart“ auf einen 10 Mark-Schein schrieb. Mit sehr wenig Geld in einer teuren Stadt sein Dasein fristen zu müssen, ließ den Wunsch zu entkommen, einfach wegzufahren und zu verreisen immer dringlicher werden. Das Reisen und die Fotografie bedingen einander und das wegen seiner Statik und im Vergleich zu Video und Film langsame Medium ist für Auderer aber wegen seiner Genauigkeit und Präzision umso aussagekräftiger. Er lehnt eine dokumentarische Reisefotografie mit „Kolonialattitüde“ ab und fühlt sich dem Ansatz der Magnum-Fotografen verbunden, der den Betrachtern die Welt näher zu bringen vermag. Als Kurator des jetzt schon sehr umfangreichen Projekts, das in seiner Weiterentwicklung im Internet noch erweiterbar sein wird, ist Heterogenität ein weiterer Leitgedanke. Die teilnehmenden KünstlerInnen sind sowohl von ihrer Herkunft als auch von ihrem kulturellen Hintergrund als auch von ihrer Ausbildung und dem technischen Anspruch sehr unterschiedlich. Was sie alle verbindet ist die Obsession für das Reisen und das Festhalten von Eindrücken und Begegnungen mittels der Fotografie. Passend, dass die Ausstellung mit ihren mehr als 1400 Fotos in Form von fünf DVDs in jedes Handgepäck passt.

Klaus Auderer nennt die Begegnung mit Michael Bry als einen der zentralen Gründe dafür, dass er selbst zu einem reisenden Fotografen geworden ist und unter anderem in Israel Kunst studiert hat. Bei seinen Reisen geht es ihm immer auch darum die sozialpolitische Stimmung eines Landes zu verstehen und dem Status quo auf den Grund zu gehen. Viele der teilnehmenden KünstlerInnen sind bikulturell oder haben einen Migrationshintergrund. Daher ist es für ihn auch wichtig, dass im Rahmen der Ausstellung „Rainbow Soldier Liquid Heart“, die man durchaus auch als Beziehungsgeflecht bezeichnen kann, eine interkulturelle Diskussion geführt wird. Tudor Codre (RO/F) und Frank Stürmer (RO/D) haben rumänische Wurzeln. Sie stammen aus intellektuellen Familien, die ihre Heimat wegen des Ceauşescu-Regimes verlassen haben. Die Belgierin Ine Dehandschutter, deren Arbeit an der Schnittstelle zwischen Journalismus und Kunst angesiedelt ist, hat mit Klaus Auderer in Israel studiert. Bei ihrer Diplomarbeit setzte sie sich mit einem Frauengefängnis auseinander. Dalila Eliyahu, die auch eine politische Aktivistin ist, stammt aus einer irakisch-israelischen Familie, deren Emigration ihres sozialen Umfeldes auf die arabisch nationalistische Stimmung im Irak der fünfziger Jahre zurückzuführen ist. Ihre Familie lebte Jahrhunderte lang unbehelligt im heutigen Irak und musste nach Israel auswandern. Der in Berlin und Innsbruck lebende Multimedienkünstler Robert Gfader wählt als Fotograf ob auf Reisen oder im näheren Umfeld häufig sich wiederholende Motive wie „colour marks“, „blind walls“, Wäschespinnen oder „a few sofas“ und lenkt so den Blick auf scheinbar Unbedeutendes, das aber dennoch Orte zu prägen vermag. Die Maler Michael Hackel und Emanuel Seitz sind Binnenreisende in Bayern. Bei dem Screening werden ihre Handy-Fotografien präsentiert. Sylvia Henrich, die bei Allan Sekula studiert hat, lernte Klaus Auderer in Bonn kennen. Der Kontakt zu Zoltán Jókay und der Wienerin Andrea Witzmann kam wegen der hohen Qualität ihrer Arbeiten zustande. Sonja Junkers, deren Urgroßvater als Flugzeugbauer der ersten Stunde auf Grund seiner politischen Haltung von den Nazis enteignet wurde, sagt: "Es ist schön, dass der Flughafen München so gut ausgebaut wird und man hier auch ganz schnell wegkommen kann.“ Die reisenden Fotografen Lars Koepsel, Katja Linder und Barbara Schöning stammen aus Süddeutschland. Mit Katja Linder verbindet Klaus Auderer neben einer langjährigen Freundschaft der ausgeprägte Hang zur Provinzflucht. Dave Lumenta und Adeline Ooi reisen ethnologisch motiviert. Lumenta ist Ethnologe an der Universität Kyoto und die chinesische Malaiin Ooi, die in London studiert hat, arbeitet als Kuratorin in Kuala Lumpur. Klaus Auderer lernte die beiden in Indonesien kennen, wo sie zuvor wochenlang an der malaysischen Grenze in einem Holzfällercamp zubrachten. Barbara Sophie Nägle und Annekathrin Norrmann, eine Malerin, die aus einer lettisch-deutschen Aristokratenfamilie stammt, sind gute Freundinnen von Klaus Auderer. Barbara Nägle studierte in den USA bei Steven Shore, hat jedoch ihren „europäischen Blick“ beibehalten. Brian McKee ist US-Amerikaner und zeigt u. a. Fotos von „Beirut Bombings“. Seda Mimaroglu kam aus Istanbul und Aigerim Weimer aus Alma-Ata (Kasachstan) zum Kunststudium nach München und Dieter Rehm war Klaus Auderers Werkstattprofessor an der Münchner Kunstakademie. Kalle Singers Wurzeln liegen sowohl in Bayern als auch auf Honduras. Er ist sozusagen beim Reisen aufgewachsen. Sein Vater leitet eine Hilfseinrichtung für Straßenkinder in Bolivien. Er selbst hat bereits als Fotoschüler ein Projekt über Straßenkinder umgesetzt. Alfred Ullrich, dessen Mutter eine Sinti und aus diesem Grund auch in mehreren Konzentrationslagern war, lebt in Deutschland und kehrt für eine Bierperformance in die Stadt seiner Familie Wien zurück. In Ottakring überfährt er mit dem Auto Bierdosen. Videostills davon werden in der Ausstellung gezeigt. Diese marginalen Hinweise auf das Werk und die Biografien der teilnehmenden KünstlerInnen machen bereits deutlich welch umfangreiches Material Klaus Auderer für dieses Screening aus einem persönlichen Blickwinkel zusammengetragen hat und welch große Ressource über zeitgenössische Reisefotografie im allgemeinen die Ausstellung „Rainbow Soldier Liquid Heart“ darstellt.

Ingeborg Erhart

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Rainbow Soldier Liquid Heart
Die Ästhetik des Reisens in der zeitgenössischen Photographie
Ort: Stadtturmgalerie
Kurator: Klaus Auderer

Künstler: Klaus Auderer, Michael Bry, Tudor Codre, Ine Dehandschutter, Dalila Eliyahu, Robert Gfader, Michael Hackel, Sylvia Henrich, Zoltan Jokay, Sonja Junkers, Lars Koepsel, Katja Linder, Dave Lumenta + Adeline Ooi, Barbara Sophie Nägle, Annekathrin Norrmann, Brian McKee, Seda Mimaroglu, Dieter Rehm, Barbara Schöning, Emanuel Seitz, Kalle Singer, Frank Stürmer, Alfred Ullrich, Aigerim Weimer, Andrea Witzmann