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Rana Hamadeh: Standard_Deviation II
vom 7. Juli bis 3. Oktober 2022
Künstleringespräch: Mittwoch, 6. Juli um 17.30 Uhr (in Englisch)

Eröffnung: Mittwoch, 6. Juli um 19 Uhr

Die Einzelausstellung Standard_Deviation II von Rana Hamadeh wird das gesamte Edith-Russ-Haus für Medienkunst einnehmen. Sie umfasst eine neue zeitbasierte Klang-, Bild- und Netzwerkmedieninstallation, die sich über die beiden Etagen des Gebäudes erstreckt und die Ausstellungsräume in eine lebendige, atmende „Theatermaschine“ verwandelt. Diese verzweigte kakophonische Installation ist die neueste in Hamadehs Standard_Deviation-Serie, die Teil des diskursiven Dachprojekts The Destiny Project (2020 -) ist.

Das langfristig angelegte Forschungsprojekt The Destiny Project untersucht die Modalitäten der Produktion, des Konsums, des Kreislaufs und der Artikulation des Begehrens im zeitgenössischen globalen öffentlichen Diskurs. Es richtet sich insbesondere auf die Ökonomien, Technologien und Schicksale/Bestimmungen des Begehrens, wie sie sich in Feldern wie der prädiktiven Analytik und den aufkommenden Diskussionen um die Praktiken von datenbasierter und algorithmische unterstützter Rechtsprechung manifestieren.

Standard_Deviation II verwendet die grundlegende Erzählung der sophokleischen Tragödie König Ödipus als Hilfsmittel, um die Beziehungen von Begehren, Reproduktion, Ableitung und Selbstähnlichkeit zu durchdenken. Das Werk bietet keine Nacherzählung des erschütternden Unglücks von Ödipus, dem König von Theben, dessen schmerzliche Reise der Selbstfindung sich auf dem Höhepunkt der thebanischen Pest entfaltet, sondern eine Lektüre von Sophokles' Stück selbst - d.h. eine Lektüre von Sophokles' „Figuration der Tragödie“ - als einer Maschine und Technologie des Aushaltens. Hamadeh übersetzt das dramaturgische Konstrukt des Stücks in ein Geflecht aus parallelen Erzählungen, klanglichen Beziehungen und maschinellen Vorgängen. Sie bedient sich dabei der künstlerischen Strategie der Neubearbeitung historischen Materials, um zeitgenössische Fragen zu behandeln. In ihrer Komposition konzentriert sich die Künstlerin auf Ödipus' Mord an seinem Vater Laios - durch den der Sohn zum Stellvertreter seines Vaters wird. Dieses Schicksal - die ständige Sehnsucht des Stellvertreters, zu seinem Ursprung zu werden - kann als organisierendes Prinzip in Hamadehs Ausstellung und als Quelle dramatischer Spannung betrachtet werden.

Indem Hamadeh die Komplexität der Dinge aufgreift, anstatt sie zu reduzieren, möchte sie eine Erfahrung der unzähligen Verstrickungen des Lebens vermitteln. Standard_Deviation II setzt die fortwährende Untersuchung der sprachlichen, rechtlichen und performativen Infrastrukturen und Technologien der Gerechtigkeit durch die Künstlerin fort und wendet sich dieses Mal der zutiefst relevanten Frage des „Begehrens“ als einer treibenden Kraft unserer Gesellschaften zu. Rana Hamadeh war 2021 Preisträgerin des Stipendiums der Stiftung Niedersachsen für Medienkunst am Edith-Russ-Haus.