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Der amerikanische Künstler Ray Johnson (1927 – 1995) galt lange Jahre als legendärer Außenseiter und Kultfigur innerhalb der zeitgenössischen Kunst. Trotz seiner über mehr als 50 Jahre andauernden künstlerischen Tätigkeit, die er zumeist in New York in engem Kontakt mit den einflussreichsten Künstler seiner Zeit verbrachte, blieb er bis zu seinem Tode einem größeren Publikum unbekannt. (Teil einer Mailing-Aktion an Bill Wilson, 1965)

Johnson war aber de facto ein Superstar innerhalb eines speziellen Kunst-Netzwerkes, das in den 60er und 70er Jahren entstand und das postalische System als künstlerisches Medium nutzte – ein Medium, das es möglich macht, geschriebene und bildnerische Werke innerhalb eines großen Netzwerkes von „Schreibern“ auszutauschen und zu verteilen, anstatt sie in Galerien und Museen auszustellen. Ray Johnson ist in erster Linie als Urheber dieses Netzwerkes bekannt. 1955 begann er Kunstwerke per Post als Geschenke an eine festgelegte Liste von Empfängern zu verschicken. In den 60er Jahren erhielt dieses schnell anwachsende postalische Netzwerk den Namen The New York Correspondence School of Art (eine ironische Anspielung auf die berühmte „New York School“ für Malerei). Johnson nahm bis zu seinem Tode aktiv an der globalen Mail Art Bewegung teil. Johnson´s Gebrauch des Postwesens als künstlerisches Medium verband sich mit der allgemeinen Entstehung vieler radikaler Kunstprojekte in den 60er Jahren, die ihre Aufmerksamkeit auf soziale Fragen richteten. Der Austausch per Post ist ein soziales Netzwerk, basierend auf dem Typus gegenseitigen Austauschs welcher die menschliche Gesellschaft generell charakterisiert. In Ausweitung dieser Praxis wurde die Mail Art-Bewegung als Modell für eine utopische Gesellschaft betrachtet, in der alle Individuen frei miteinander kommunizieren und soziale Grenzen und Trennungen nicht länger existieren.

Ray Johnson´s Arbeit handelt aber nicht von freier Kommunikation, sondern von Kommunikationsproblemen. Aus diesem Grund sind seine Versendungen keine „kompletten“ und „leserlichen“ Texte und Bilder, sondern verwirrende Stücke und Fragmente. Alles, was er verschickte, ist Teil einer endlosen Collage, in welcher Beziehungen zwischen Wörtern, Bildern, Namen und Personen auftauchen, nur um unterbrochen zu werden. Und wo das moderne Postsystem richtige Namen und Adressen benutzt, um die Gesellschaft zu regulieren und zu ordnen, produziert Ray Johnson´s System ein Namenschaos, das jede solche Regulierung stört. Dieses Chaos der Benennungen, das seine Versendungen auszeichnet, spielt auch auf den starken Fokus der modernen Kunst auf Künstlernamen und Signaturen an. Da man typischerweise nicht ein Bild von Monet oder Warhol, sondern einen „Monet“ oder einen „Warhol“ besitzt, könnte man die moderne Kunst als die Kunst der richtigen Namen bezeichnen. Aber wenn diese berühmten Namen – und die mit ihnen assoziierten visuellen Effekte – durch Ray Johnson´s besonderes postalisches Netzwerk gefiltert werden, ist nicht länger sicher auf wen oder was sie sich beziehen. Der Künstler – und das Kunstwerk – sind nicht länger „an ihrer üblichen Adresse“.

An diesem Punkt ist es weniger leicht, Kunst als „eine Kommunikation“ zu denken. Auf diese Weise stört Ray Johnson viele unserer meistgehegten Überzeugungen davon, was Kunst angeblich zu sein hat.

Es erscheint ein zweisprachiger Katalog (Deutsch / Norwegisch) mit zahlreichen Abbildungen, einer Künstlerbiographie sowie einer Bibliographie.

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