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Die Galerie Kamm freut sich die Gruppenausstellung „Relations“ zu präsentieren. Der Ausstellung liegt der Kontext, in dem sich die Künstler der Galerie bewegen, zugrunde: jeder Künstler der Galerie hat einen Künstler eingeladen, der für seine Arbeit wichtig ist - entweder als Vorbild, als Anregung oder als Freund.

Ben Carter (eingeladen von Albrecht Schäfer) Ben Carter verbindet in seiner Skulptur zwei von der Struktur und Farbe sich ähnelnde Materialien: den Stein, eine versteinerte, biomorphe Form und Beton, der einer industriellen Norm entspricht. Er möchte dabei weder ein spezifisches Objekt, noch eine formale Skulptur oder einen Gebrauchsgegenstand produzieren, obwohl der Prozess die Einfachheit eines industriellen Vorgangs besitzt und dessen Ergebnis Teil eines beliebig erweiterbaren Systems sein könnte. Stattdessen interessiert ihn das Unerwartete bei einer Übertragung eines Materials von einem willkürlichen Ort zu einem anderen. Daraus entsteht eine neue, subjektive Grammatik der Stoffe, die Fragen aufwirft nach Form, Skulptur, Norm, Uniformität, Subjektivität und ihrer Metamorphose.

Jacob Dahl Jürgensen (eingeladen von Simon Dybbroe Møller) Jacob Dahl Jürgensens Skulpturen, Collagen und Installationen vernetzen Bezüge aus Kunst und Design der frühen Moderne mit New Age, okkultistischer Ikonografie und der Populärkultur. „As above, so below“ ist eine konstruktivistische Skulptur aus ineinander gesteckten, durchsichtigen und spiegelnden Plexiglasscheiben, die sich der Form nach einem Hexagramm annähert. Die Skulptur fungiert als Kerzenhalter für farbige, parfümierte New Age-Style Kerzen, deren Wachs die Skulptur hinunterläuft. Der Titel der Arbeit ist nach dem hermetischem Grundsatz benannt, dass das was oberhalb ist, dasselbe ist, was unterhalb ist. Von diesem Axiom ausgehend wird das Hexagramm als okkultistisches Symbol verstanden und der Satz soll den Schlüssel aller Geheimnisse in sich tragen. „Crystal Ball“ ist eine geometrische, duftende Skulptur aus Räucherstäbchen. Die Struktur wird in der Mathematik als Icosahedron bezeichnet, ein Gitter-Modell des letzten der fünf platonischen Grundsätze. Sie bezieht sich auf die geodätischen Sphären und Kuppeln, die von dem Technik-Utopisten R. Buckminster Fuller entdeckt wurden, was im Gegensatz zu dem Material der Skulptur steht: Räucherstäbchen aus der Fabrikation des indischen Gurus Sai Baba.

Luc Delahaye (eingeladen von Ulrike Feser) Der Fotograf Luc Delahaye ist seit 1989 in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs. Er ist vorwiegend auf der Suche nach unmittelbaren, existentiellen Momenten. Seine dokumentarische Fotografie verweist eher auf die eigene Person, als auf eine bildjournalistische Tradition, die ihr Tun als allgemein-aufklärerisch empfindet. Die Fotografie „Fighting the Taliban“, 1996 zeigt eine Kampfszene, in die Luc Delahaye unmittelbar involviert ist. Die Apparatur des Fotografen zeichnet Effekte des Kriegsgeschehens auf, dennoch schreibt sich ein seltsam abstrahierendes Moment mit ins Bild ein. „Ich dachte immer daran, dass wer das Risiko eingeht, auf diese Weise sein Eintrittsticket bezahlt.“ Luc Delahaye, in: Kunstforum. Bd. 165, 2003, S. 181

Charles Gaines (eingeladen von Edgar Arceneaux) Rätsel, die hinter Mordtaten in den USA stecken, sind Ausgangspunkt der 1994 entstandenen Serie „Capital Crime and the Night Sky“ von Charles Gaines. Auf dem ersten Bild sind zwei Re-Fotografien, die einen Tatort sowie das polizeiliche Foto eines Mörders oder Mordverdächtigen zeigen, mit dem Bild eines Sternenhimmels zusammengebracht. Es handelt sich um den Himmel über Los Angeles am selben Tag, an dem der Mord geschah, am 2. September 1973, allerdings datiert fünfzig Jahre später. Wenn bestimmte Konstellationen der Sterne zyklisch wiederkehren, besteht dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignisse auf der Erde, zum Beispiel ein Verbrechen, bei vergleichbaren Himmelskonstellationen wieder stattfinden? Gaines spielt mit den kollektiven Ängsten und Mythen, die sich um die Themen Mord und Kosmologie ranken. Sein systematisches Vorgehen in der Tradition der Concept Art spielt mit der Spannung zwischen Folgerichtigkeit und Zufall, zwischen Schicksalhaftigkeit und Kontingenz. Ludwig Seyfahrt in: Recherche – entdeckt! Bildarchive des Unsichtbaren, hrsg. von Andreas Baur mit Ludwig Seyfahrt, Frankfurt/M. 2004

Felix Stephan Huber (eingeladen von Zilla Leutenegger) Die Schwarz-Weiß-Kopie von Felix Stephan Huber entstammt der Arbeit „a-side“. Mit den Medien Video, Foto und Kopie schafft er ein für ihn typisch bühnenhaftes, aber fragiles, offenes Arrangement , welches mehrere Blickrichtungen erlaubt. Wohnblockanlagen und Naturausschnitte thematisieren einen Grenzraum. Der Übergang von urbanen Raum zur Peripherie wird in den Mittelpunkt gerückt. Die Schwarz/Weiß-Kopie zeigt eine Person in einem parkenden Auto, irgendwo in einem Nichts einer Landschaft an Berlins Stadtgrenze. Exemplarisch ist Hubers Versuch, der Sehnsucht, das Nichtgreifbare greifbar zu machen, eine bildliche Entsprechung zu geben. Die tradierte Vorstellung einer Identitätsfindung in der Natur und Suche nach dem Ganzen wird durch die Motivwahl und dem fragmentarischen Charakter zitiert und gleichzeitig nivelliert. Im Vordergrund steht die Flüchtigkeit und das Zufällige von Wahrgenommenem und die Frage nach Wirklichkeitskonstruktionen.

Mike Kelley (eingeladen von Katharina Jahnke) Von Mike Kelley werden Seidenbanner aus der 10-teiligen Reihe „Pansy Metal/Clovered Hoof“ gezeigt. Mike Kelley, der in seiner Arbeit immer wieder Zeichen von privater und kultureller Identifikation hinterfragt, bezieht sich in dieser Serie auf seine irisch-amerikanische/katholische Herkunft. Vor allem aber erinnern die Banner an Trophäen und Andenken, wie sie beispielsweise bei Rockkonzerten als Souvenir gehandelt werden und vollziehen die für Kelley charakteristische Gratwanderung zwischen High-und Low-Culture bis ins letzte Detail: Die trashig/banalen Symbole, martialisch/gotischen Schrifttypen und ehrwürdig/aggressiven Posen verschmelzen auf einem dafür überaus absurd wirkenden Material, der Seide. Das breite Spektrum unterschiedlichster Quellen und künstlerischer Methoden, die Nähe von Schönheit/Pathos und Groteske wird auch deutlich in Hinblick auf die ursprüngliche Präsentation: die Banner wurden erstmals 1989 während einer Performance mit Heavy Metal Musik präsentiert. Gleichzeitig wird das Thema „Fankult“ und das ironische Zelebrieren davon ein ganz eigener Kommentar zu der Ausstellung.

Alice Maude-Roxby (eingeladen von Cornelia Schmidt-Bleek) Alice Maude-Roxby, die als Künstlerin und Schriftstellerin arbeitet, zeigt eine fünfteilige Text/Bild Arbeit. Die Idee für die Arbeit entstand auf einer Reise nach Burgund, auf der sie die Fotografin Francoise Masson traf und interviewte. Als kommerzielle Fotografin arbeitete Masson in den unterschiedlichsten Kontexten, unter anderem für Werbekampagnen. Gleichzeitig fotografierte und dokumentierte Masson in den Siebziger Jahren die mit hohen Risiko verbundenen Performances von Gina Pane. Das Interesse an diesen Fotografien führten Alice Maude-Roxby zu Masson und auf ihrer Reise durch Burgund zeigte Francoise Masson der Künstlerin die Orte, an denen Gina Pane nicht-öffentliche Performances aufgeführt hatte. Diese Orte wurden von Masson auch für ihre kommerzielle Fotografie genutzt, und die ausgestellten Arbeiten verbinden diese beiden sehr unterschiedlichen Kontexte. Die Texte kreisen um die Schnittmenge von Kunst und Leben in der Erfahrung der Fotografin. Publiziert sind die vollständigen Texte in: Maude-Roxby/Masson: On record: advertising, architecture and the actions of Gina Pane, Artwords 2004. Die ausgestellten Fotos sind von Francoise Masson.

Jerry Mc Millan/Ed Ruscha (eingeladen von Annette Kisling) Ed Ruscha und Jerry McMillan kannten sich seit der High School und kamen in den späten Fünfzigern von Oklahoma City nach Los Angeles. Jerry McMillan portraitierte Ed Ruscha über viele Jahre. Die umfangreiche Serie von Portraits besteht teils aus Schnappschüssen, teils aus inszenierten Aufnahmen. Das 1970 entstandene Portrait »Ed Ruscha with six of his books balanced on his head« thematisiert humorvoll die vermeintliche Identifikation des Künstlers mit seiner Arbeit. Ed Ruscha stellte zwischen 1963 und 1978 insgesamt 16 Bücher her. Er ließ die Bücher in einer hohen Auflage produzieren, um bewusst zu vermeiden, sie als exklusive Kunst-Objekte anzusehen. Die Bücher tragen Titel wie »Twentysix Gasoline Stations«, »Some Los Angeles Appartments«, »Every Building on the Sunset Strip« oder »Thirtyfour Parking Lots in Los Angeles«. Die thematische Ordnung wird zum Mittel, die Mehrdeutigkeit der Bilder zu steigern. Die beständige Wiederholung eines Motivs zeigt das Interesse an der Präsenz des Alltäglichen, des Gegebenen. Für die Aufnahmen der »Parking Lots« beauftragte Ed Ruscha 1967 einen Flugpiloten und einen Fotografen. Ruscha ist nicht an einer subjektiven, künstlerischen Geste interessiert, vielmehr an der seriellen Aufzeichnung eines Phänomens der ihn umgebenden Massenkultur. »Pools came when I was swimming every day and Parking Lots when I felt like being aerial.« Ed Ruscha, 1973

Ivan Razumov (eingeladen von Pavel Pepperstein) Ivan Razumov, der in der Tradition der russischen Konzeptualisten steht, zeigt Arbeiten aus der Serie „Pioneers“. Als die Sowjetunion und mit ihm die ideologische Symbolik Anfang der Neunziger Jahre kollabierte, setzte ein neues Bewusstsein, angesiedelt zwischen einer Kindheit im totalitären Staat und einer heranwachsenden Welt aus Konsum und High Tech, ein. Dieses Bewusstsein, Teil einer neuen Kultur zu sein, brachte die Strömung der russischen Konzeptualisten hervor, zu denen Razumov zählt. Gegenstand seiner Untersuchung ist das kollektive Gedächtnis Russlands. „Once, having assumed the responsibility for figurative content of the present culture, and its consequence, I issued the images, that had been lost or thrown out together with old abc-books, while the society were making dizzy and breathtaking jump from the Past of Empire of Evil to the Future of the Third World. Gently restoring these icons and visions of the come true global revolution, I let myself recover them with the same changes I did already, being a school hooligan. But this time these changes only made the images ready for consumption of recipient of today, who absorbs them, often neither having found out a bomb inside, nor recognized the deja vu“. Ivan Razumov

Corinne Wasmuht (eingeladen von Gabriele Basch) Die Malerei von Corinne Wasmuht entwickelt sich unter dem Dualismus von strengem konzeptuellem Bildaufbau einerseits und dem malerischen Prozess andererseits. Für ihre Bildideen sammelt Corinne Wasmuht Bilder aus Alltag, Wissenschaft und Kunst, um daraus ein neues Ganzes zu formen. „Unter bestimmten thematischen Vorgaben wird das Material (...) in immer wieder neuen Durchgängen auf seine Komplexität und seinen möglichen Sinngehalt überprüft. Also nicht Aufzeichnung eines Bilderstroms, sondern Anlage eines eigenen Bilderkosmos. Das jedoch geschieht mit den Mitteln der Malerei, mit den Mitteln einer traditionellen, disziplinierten Malweise, die aus einer ganz anderen Zeit kommt und die obsolet zu sein scheint. Eine zeitgenössische, von avancierter Technik bestimmte Lebenserfahrung wird – auf zuerst paradox anmutende Weise – mit einem gleichsam anachronistischen Instrument bearbeitet.“ Julian Heynen, Augen-Puls, in: Wasmuht-Gerwers-Skreber, ars viva 96/97Malerei, pub. vom BDI e.V.

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