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RELIKTE. Pauline M´barek
21.10.2017 bis 25.11.2017 Vernissage: 20.10.2017 18:00 - 21:00 Uhr

Die Thomas Rehbein Galerie freut sich, neue Arbeiten von Pauline M’barek (*1979) zu präsentieren.
Im Werk von Pauline M’barek tritt der Körper als Erkundungsinstrument auf. Als Medium der Weltaneignung ermöglicht er Erkenntnis, denn der elementare Erfahrungsschatz des Menschen basiert auf Sinneseindrücken, durch welche sich auch die Beziehung zur Umwelt erschließt. Mit den Sinnen erfährt, erfasst der Mensch seine Umgebung, das „Greifen“ ist zugleich ein „Begreifen“. Der Körper ist integraler Bestandteil des Selbst, ermöglicht aber gleichzeitig den Zugang zur Außenwelt. Als Grenze zum Anderen erscheint der Körper gleichermaßen durchlässig und dicht, porös und verschlossen. Sowohl Subjekt als auch Objekt, trägt und hinterlässt er Spuren der Interaktion.

M’barek setzt sich mit Wahrnehmungsprozessen auseinander, die sie aufspürt und bildhaft umsetzt bzw. in eine konkrete materielle Form überführt. M’barek befasst sich somit mit der Freilegung von Spuren subjektiver Wahrnehmungsmomente: „In der Ausstellung Relikte steht die Erkundung der sinnlichen Wahrnehmung durch einen Körper anhand von archäologischen Verfahren des Grabens, Entbergens und Abformens im Mittelpunkt: Auf welche Weise lassen sich sinnliche Wahrnehmungen materialisieren?“ (M’barek)

In ihrer Werkgruppe RELIKTE transformiert M’barek die vom Körper beim Graben hinterlassene Spuren und damit gleichsam die erfahrenen Sinneseindrücke in plastische Gestalt. Die resultierenden Objekte sind Zeugnisse einer Bewegung von Händen, die tief in den Sand eindringen. Durch blinde, unterirdische Suchbewegungen entstandene Hohlräume werden durch unzählige, feine Gipsschichten abgegossen und als Positiv wieder ausgegraben: „Der Abguß der grabenden Hand wird so zum Relikt, das Loch zum Gefäß, das Negativ zum Positiv.“ (M’barek) Als Ergebnisse dieser Umwandlung von Aktion in Artefakt offenbaren sich ästhetisch höchst anspruchsvolle gefäßartige Formen, deren grobkörnige und von Muschelpartikeln durchsetzte Außenwand an antike, verkrustete Unterwasserschätze erinnert.

Wie archäologische Fundstücke sind auch die einzelnen skulpturalen Objekte der Arbeit CONTENANCE (frz. Fassungsvermögen) präsentiert. Die amorphen, aufstrebenden, der Schwerkraft scheinbar trotzenden, Gipsschüttungen lassen bei näherer Betrachtung Negativabdrücke von Händen erkennen. Als Behältnis für die zähflüssige Gipsmasse, welche langsam durch die Finger zu Boden fließt, hinterlässt die Hand einen Abdruck beim Erstarren des Materials. Das Material, welches gemeinhin als leblos und starr empfunden wird und vornehmlich zur naturgetreuen Reproduktion eingesetzt wird, offenbart sich hier als bewegliche, sämige Masse. Zugleich bildet es die Spuren menschlicher Berührung exakt ab, lässt die haptische Erfahrung sichtbar werden.

Der Sichtbarmachung des Sehsinns gewidmet ist die Videoarbeit GLANCE, in deren Mittelpunkt ein stark vergrößertes Auge steht, welches beim Beobachten gefilmt wird. Das Auge wird als konkretes, körperliches Sehorgan gefilmt, also in seiner sinnlichen Außenwirkung bzw. Erscheinung. Die Spiegelungen auf seiner glatten, glänzenden, mitunter tränennassen, Oberfläche lassen die umgebende Außenwelt erkennen, zu der auch der eigene Körper gehört. Die Reflektionen verorten zwar den Körper, aus dem heraus das Auge blickt, enthüllen jedoch nicht den Vorgang des Sehens selbst, der sich im Inneren des Körpers abspielt und verborgen bleibt.

Eine weitere Videoarbeit EXPOSURE (engl. Freilegung und Belichtung) schildert die Bewegungen einer Hand, die in eine weiße Fläche, den Sandboden, ein Loch gräbt. Je tiefer und somit dunkler das Loch wird, desto mehr erscheint die Hand, durch das einfallende Sonnenlicht überstrahlt, wie ein weißes Negativ. Auf dem Grund des Loches erscheint die flirrende Oberfläche des aufkommenden Wassers, das im Wechsel mit dem einbrechenden Sandmassen eine beinahe dramatische Handlung ergibt. Die Hand nimmt erst wieder positive Gestalt an, wenn der Meeresspiegel erreicht wird. Ihre Körperlichkeit kehrt zurück, jedoch losgelöst von dieser als Reflektion auf der Wasseroberfläche. Das Bild ist freigelegt.

Für Pauline M’barek ist der Körper und sein Wahrnehmungsapparat zugleich Untersuchungsgerät und Gegenstand der Untersuchung. Dabei geht es in ihrer Kunst weniger um die Offenlegung eines Ergebnisses, sondern vielmehr um die konkreten körperlichen Äußerungen, die solchen Vorgängen des Aufdeckens und Entdeckens eingeschrieben sind.