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Als eine „kunsthistorische Sternstunde“ hat man die Zusammenführung der beiden Fassungen von Rembrandts „Opferung Isaaks“ im Januar 1992 gefeiert. Zum ersten Male seit mehr als 350 Jahren wurden damals das 1635 datierte Gemälde der Staatlichen Eremitage Sankt Petersburg und die ein Jahr später vollendete Version der Alten Pinakothek im Amsterdamer Rijksmuseum Seite an Seite gezeigt. 1992 währte diese Präsentation jedoch nur wenige Stunden und war nur für die bei einer Fachtagung weilenden Rembrandt-Spezialisten zugänglich. Ab dem 26. Februar 2004 bietet sich in der Alten Pinakothek – jetzt für Rembrandtforscher wie für Kunstfreunde gleichermaßen – die großartige, heiß ersehnte und für lange Zeit fraglos letzte Gelegenheit der vergleichenden Betrachtung der beiden Meisterwerke im unmittelbaren Nebeneinander.

„Rembrandt. verandert. En overgeschildert. 1636.“ [Rembrandt hat (es) verändert und übermalt im Jahre 1636]. Diese in Wortlaut und Aussage einzigartige Inschrift am unteren Rande des Münchner Gemäldes weckt seit ihrer Wiederentdeckung im späten 19. Jahrhundert das besondere Interesse der Rembrandt-Forschung. Bis auf den heutigen Tag ist die „Opferung Isaaks“ der Alten Pinakothek ein Schlüsselwerk und entscheidender Prüfstein der kennerschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Œuvre Rembrandts. Kontrovers sind die Deutungen der Inschrift, höchst unterschiedlich auch die resultierenden Einschätzungen des Gemäldes der jeweiligen Interpreten. Von zentraler Bedeutung blieb und bleibt dabei die Beantwortung der entscheidenden Frage: Worin besteht und wie umfangreich ist der Anteil Rembrandts, was hat der Meister „verändert“ und was „übermalt“?

Mit der unzweifelhaft eigenhändigen ersten Fassung der Eremitage griff Rembrandt erstmals die bewegende alttestamentliche Erzählung vom Erzvater Abraham auf, von dem Gott fordert, er möge ihm seinen einzigen Sohn Isaak als Brandopfer darbringen. Rembrandt findet für den Höhepunkt der Handlung, da ein Engel die Opferung des Sohnes im letzen Augenblick verhindert, einen grandiosen Bildaufbau: Die drei Personen werden als lebensgroße, bildfüllende Figuren auf enger Vordergrundbühne nahe zusammengeführt; der brutale Griff Abrahams, der zupackende Engel und das fallende Messer lassen die Dramatik des Momentes erlebbar werden. Rembrandt schafft mit dieser Komposition eine seiner „barocken“ Historien der 1630er Jahre, die augenscheinlich den unmittelbaren Wettstreit mit Werken der zeitgenössischen Bildkunst, vor allem aber mit jenen des hochgeschätzten Peter Paul Rubens suchen.

Das wohl nur kurze Zeit später begonnene Münchner Gemälde geht nicht nur von dem Sankt Petersburger Bilde aus, sondern war zunächst als eine exakte Kopie desselben konzipiert; dies konnte im Vorfeld der Ausstellung im Zuge einer Infrarotreflektographie-Untersuchung erstmals belegt werden, die etwa die ursprüngliche Anlage des Engels im Sinne der Erstfassung sichtbar machte.

Im Atelierbetrieb des 17. Jahrhunderts war es nicht unüblich, dass die Schüler zur Unterrichtung wie zum anschließenden Verkauf die Werke des Meisters kopierten. Im Fall des Münchner Gemäldes aber hat Rembrandt in diesen Vorgang eingegriffen und gegenüber der ersten Fassung erhebliche Veränderungen eingebracht. Eine ebenfalls in der Ausstellung zu betrachtende, skizzenhafte Kreide-Zeichnung Rembrandts aus dem British Museum zu London kann man als ein Zeugnis dieser Umarbeitung ansehen, die sich im wesentlichen auf den aus den Wolken hervorbrechenden Engel konzentriert. Ein Gewinn war diese Umarbeitung ohne Frage, wird doch der Moment der umschlagenden Handlung noch weit sinnfälliger inszeniert: Der Engel nähert sich Abraham nun nicht mehr von der Seite, sondern vom Rücken her – die Überraschung des Erzvaters ist um vieles größer.

Die geistige Urheberschaft, die „inventio“, für die Neukonzeption der „Opferung Isaaks“ im Münchner Bilde ist damit für Rembrandt gesichert. Die materielle Ausführung hingegen ist in weiten Teilen einer anderen Hand zuzuweisen. Die sehr hohe Qualität der Malweise lässt es richtig erscheinen, den Mitarbeiter unter den bedeutsamsten Schülern des Meisters zu suchen; mit Ferdinand Bol und Govaert Flinck wurden die Meisterschüler Rembrandts der 1630er Jahre regelmäßig genannt, doch ist eine Zuweisung an einen der beiden Maler nicht mit letzter Sicherheit zu treffen. Man beobachtet zwar einen sicheren und flotten, lockeren Duktus der sich an der effektvollen „rauen Manier“ Rembrandts um 1635 orientiert. Schwächen offenbaren sich – gerade im direkten Vergleich mit der Petersburger Version – im zuweilen mehr skizzierenden denn malerisch ausformulierenden Detail. Der Greisenkopf, in dessen Züge Entsetzen und Unverständnis gleichsam eingeprägt sind, gewinnt durch die heftigen Pinselhiebe gegenüber seinem Vorgänger in der St. Petersburger Version noch deutlich an Ausdruckskraft. Andere Figuren wie das wenig artikulierte Antlitz des Engels als auch der flüchtig-flach ausgeführte Widder vermögen nicht zu überzeugen. Rembrandt selbst hat – nach Auskunft der Inschrift – abschließend noch einige Übermalungen angebracht, deren Umfang heute schwer festzustellen ist; doch glaubt man einige akzentuierende Pinselschläge im Bereich der Flügel, im Haarschopf des Engels oder dem Schurz Isaaks zu erkennen.

Mit der um acht Radierungen und Kupferstiche von Rembrandt und seinem Zeitgenossen Jan Lievens erweiterten Präsentation bietet sich die einmalige und außergewöhnliche Gelegenheit, im unmittelbaren Vergleich der beiden gemalten Fassungen der „Opferung Isaaks“ – gleichsam in einer „Schule des Sehens“ – dem Genius Rembrandts nachzuspüren und hinsichtlich des Gemäldes der Alten Pinakothek zu einem eigenen Urteil zu gelangen. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit 96 Seiten und rund 45 Abbildungen mit Texten von Marcus Dekiert und Reinhold Baumstark. Pressetext

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Rembrandt - Die Opferung Isaaks
Kurator: Marcus Dekiert