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Suse Weber und René Lück demonstrieren in der Ausstellung unterschiedliche Sicht- und Umgangsweisen mit biografisch-historischen Versatzstücken der Ost- bzw. Westkultur.

Suse Weber (geb. 1970 in Leipzig) spielt in der Materialinszenierung "Der Drache" mit einem zentralen Phänomen der politischen Kultur der DDR. Der Titel benennt ein Fabelwesen, das sowohl mit Faszination als auch Erschrecken konnotiert ist. Die Installation besteht aus symmetrisch um ein Bild eines Feuerpaars angeordnete blaue Fahnen. Diese hängen an teilweise zweigeartigen Stangen und deuten in Konfrontation mit dem Feuer auf die gleichzeitig Faszination und Schrecken bergende FDJ: sowohl eine Freiheit, Abenteuer und Gemeinschaft als auch Disziplin, Gehorsam und Ideologiegläubigkeit vermittelnde staatliche Massenorganisation der Jugendlichen in der DDR. Suse Weber verzichtet auf konkrete Hinweise hierauf und verleiht der Arbeit einen bildhaften Charakter. Hierüber betont sie einen folkloristisch ornamentalen Aspekt und formuliert eine abstrakt-distanzierte Sichtweise dieses staatlich-totalitären Signums der DDR-Politik.

René Lück (geb. 1970 in Ludwigshafen am Rhein) transformiert zwei seiner Schulbücher - das Geographie- und das Geschichtsbuch - in überdimensional raumgreifende Skulpturen gefertigt aus Dachlatten und Sperrholz. Aus dem Geographiebuch mit dem Titel "Terra Geographie", wählte René Lück die Seite, die den Ur-Kontinent zeigt. Mittels Verzichts auf konkrete Benennung der einzelnen Länder vermittelt die Arbeit ein grobes Bild der eng zusammengerückten Erde vor der Kontinentaldrift. Die Seite aus dem Geschichtsbuch "Geschichtliche Weltkunde" informiert über "Die Gruppen des deutschen Widerstandes" konfrontiert mit dem berühmten Bild der Geschwister Scholl. Eine türkisfarbene Fläche hierunter fungiert als abstrakter Platzhalter innerhalb der konkreten Zitate antifaschistischer Bewegungen. Durch die überdimensionale Präsentation und die Nutzung einfacher Materialien erhalten die Seiten der Schulbücher modellhaften Charakter und formulieren in Korrespondenz mit der groben und offenen Präsentation vielschichtige Betrachtungsweisen.

"Der Satz" - lautet der Titel einer Wandinstallation von Suse Weber in einem weiteren Ausstellungsraum. Zwischen Anführungsstrichen aus roten Badeanzügen, getrennt durch ein rotes Komma steht die Fahne der Türkei dem Stadtwappen von Halle gegenüber - beide in vice versa rot-weißen Farben mit ähnlichen Motiven. Auf abstrakt-bildhafte Art spannt Suse Weber den Bogen zwischen der türkischen und der sächsischen Minderheit im wiedervereinigten Deutschland und formuliert hierüber Hinweise auf und Fragen nach aktuellen politisch-gesellschaftlich relevanten Erscheinungen.

Demgegenüber hängt ein Transparent von René Lück, auf dem "GEGEN REFORMISMUS - GEGEN STALINISMUS - WAS WILL DIE SAG" steht. Es zeigt das vergrößerte Cover des Manifestes der Sozialistischen Arbeiter Gruppe, einer politisch linken Organisation marxistischer Prägung, in der René Lück mehrere Jahre aktives Mitglied war. Mittels einer überdimensionalen Präsenz, gelöst aus ihrem eigentlichen Kontext wird das Transparent zum Zeichen politischer Opposition.

Suse Weber und René Lück geht es nicht um persönliche Vergangenheitsbewältigung oder naturgetreue Reproduktion. Vielmehr setzen sich beide in Beziehung zu bewusst gewählten zeitgeschichtlichen Ereignissen bzw. Phänomenen ihrer unterschiedlich geprägten Kulturen - Suse Weber auf abstrakt-metaphorische, René Lück auf konkret-modellhafte Art.

Meike Behm Pressetext