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Eine umfassende Werkschau der Berliner Bildhauerin zum 125. Geburtstag

Renée Sintenis (1888–1965) war eine der bedeutendsten Bildhauerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre berühmteste Skulptur ist der Berlinale Bär, der seit über 60 Jahren als symbolträchtige Ikone auf den Internationalen Filmfestspielen verliehen wird. Anlässlich ihres 125. Geburtstags widmet das Georg Kolbe Museum der Berliner Bildhauerin eine umfassende Einzelausstellung. Die Retrospektive vereint mehr als 100 Plastiken des vielfältigen Werks, dazu gehören in Bronze und Silber gegossene Tierfiguren, eindrucksvolle Darstellungen von Sportlern sowie expressive Porträts, darunter Bildnisse ihrer engsten Freunde wie zum Beispiel Joachim Ringelnatz, der auch eine Reihe von liebevoll augenzwinkernden Gedichten für die Bildhauerfreundin verfasst hat. Eine Auswahl grafischer Blätter gibt aufschlussreiche Einblicke in ihre treffsicheren Studien der tierischen Physiognomie. Darüber hinaus übermittelt eine Vielzahl von historischen Fotografien ein lebendiges Bild der emanzipierten Protagonistin der Berliner Kunstszene der Vorkriegszeit, die zum Inbegriff des viel beschworenen Typus einer ‘Neuen Frau’ wurde. Die Leihgaben der Ausstellung stammen überwiegend aus der Berliner Sammlung Knauf, ergänzt durch Werke aus dem Bestand der Neuen Nationalgalerie, die den Nachlass der Künstlerin betreut sowie aus der Sammlung des Georg Kolbe Museums.

Reisende nach Berlin werden von dem lebensgroßen, bronzenen Jungbären aus der Hand der Künstlerin am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden begrüßt. Auch den grafischen Entwurf des berühmten Bären findet man heute noch auf Grenzsteinen in der ganzen Bundesrepublik – sie zeigen die geografische Distanz zur Hauptstadt an. John F. Kennedy erhielt bei seinem legendären Berlin Besuch vor genau 50 Jahren eine kleine Bärenstatuette vom damaligen Berliner Bürgermeister Willy Brandt überreicht. Anhand von verschiedenen Entwürfen und historischen Aufnahmen erzählt die Ausstellung die Entstehungsgeschichte des Berlinale-Bären – parallel zu den 64. Filmfestspielen (06. bis 16. Februar 2014).

In den Jahren der Weimarer Republik war Renée Sintenis insbesondere für ihre Tierskulpturen berühmt. Ihr Interesse galt den von ihr sehr geliebten Pferden, sowie Eseln, Hunden, Ziegenböcken und Rehen. Meist wählte die Bildhauerin Jungtiere als Vorbilder für ihre Kunstwerke, die sie in verspielten und lebensecht bewegten Posen festhielt. Ihre überwiegend kleinformatigen Skulpturen zeigen ein tiefes Interesse an der Ausdrucksstärke des Körpers. Die Tierbildhauerei war zu ihrer Zeit ein wichtiges künstlerisches Genre und keineswegs eine Frauendomäne, Sintenis‘ Tierplastik zählt zu den wichtigsten Zeugnissen der Bildhauerkunst der Weimarer Republik. Neben Tieren schuf die Bildhauerin eindrucksvolle Porträts. Ihre introvertierten Selbstporträts, sowie expressive Köpfe der Freunde und Zeitgenossen (u.a. von André Gide oder Joachim Ringelnatz) vermitteln ein lebendiges Bild der Zeit und der Suche nach einem neuen Ich. Renée Sintenis formte überdies einige herausragende Darstellungen von Sportlern, die sie, wie den finnischen Läufer Nurmi, in ihrer absolut konzentrierten Bewegung festhielt.

Über ihr bildhauerisches Schaffen hinaus war Renée Sintenis eine aufsehenerregende Persönlichkeit der Berliner Moderne. Bereits mit Mitte 20 erkämpfte sie sich eine eigenständige künstlerische Existenz und zählte damit zu den wenigen Frauen, die sich in der dichten Berliner Kunstszene durchsetzen konnten. Seit 1913 stellte sie regelmäßig aus und wurde von den Kollegen der Freien Secession, der damals einflussreichsten Berliner Künstlervereinigung, sehr geschätzt (u.a. Max Liebermann, Max Beckmann und Karl Schmidt-Rotluff). Mit ihrer hoch aufragenden Körpergröße von 1,80 m, ihrer schlanken Gestalt, ihrem androgynen Äußeren und einem selbstbewussten, modischen Auftreten verkörperte sie in idealer Weise den damals vielfach herbeigesehnten Typus der ‘Neuen Frau’ – auch wenn sie selbst ein eher scheues Wesen hatte. Vielen Malern, Bildhauern und Fotografen war sie aufgrund ihrer markanten Schönheit ein beliebtes Modell, wie beispielsweise Georg Kolbe (1877-1947), Frieda Riess (1890-1955), Fritz Eschen (1900-1964) und ihrem Mann, dem Grafiker und Maler Emil Rudolf Weiß (1875-1942).

Obwohl Sintenis 1934 wegen der jüdischen Eltern ihrer Mutter aus der Akademie der Künste ausgeschlossen wurde (wo sie 1931 als erste Bildhauerin und nach Käthe Kollwitz als zweite Frau in die Sektion bildende Kunst aufgenommen wurde), blieb sie in der Folgezeit – offensichtlich eingestuft als “Vierteljüdin” – von rassistischer Verfolgung verschont. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie an die Berliner Hochschule der Künste berufen und 1955 auch wieder in die neu gegründete Akademie der Künste aufgenommen. Sie wurde mit den höchsten Auszeichnungen geehrt, darunter das Große Bundesverdienstkreuz (1953), außerdem wurde sie zum „Ritter der Friedensklasse“ des Ordens Pour le mérite (1952) geschlagen.

Zur Ausstellung erscheint ein umfassender wissenschaftlicher Katalog, der das bildhauerische Schaffen von Renée Sintenis vorstellt.

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Renée Sintenis
Berliner Bildhauerin (1888–1965)