press release only in german

Pressetext

Eröffnung: Freitag, 13. Juni 2008, 20 Uhr

Das Kunsthaus Bregenz zeigt in einer historisch einmaligen Ausstellung fast 60, überwiegend großformatige Zeichnungen von einem der bedeutendsten Bildhauer und Zeichner der Gegenwart. Seit den Ausstellungen in Maastricht 1990 (Bonnefantenmuseum) und in London 1992 (Serpentine Gallery) ist dies die erste umfassende Schau des zeichnerischen OEuvres von Richard Serra in Europa überhaupt. Die gemeinsam mit dem Künstler getroffene Auswahl führt zentrale Werkgruppen aus bedeutenden Privatsammlungen und Museen in Europa und den USA sowie von Richard Serra speziell für die Ausstellung in Bregenz produzierte Arbeiten zusammen. Es sind insgesamt sechs Werkgruppen, die einen Dialog über nahezu zwanzig Schaffensjahre hinweg erlauben. Geordnet auf vier Stockwerken sind dies die großformatigen „Diptychs“ von 1989 und die Serie „Weight and Measure“ von 1994, die Serien „Rounds“ aus den Jahren 1996/97 und „out-ofrounds“ von 1999 sowie die neuen Arbeiten „Solids“ (2007/08) und „Forged Drawing“ (2008).

Richard Serra wurde 1939 in San Francisco geboren. Auf sein Studium der Malerei an der School of Art and Architecture bei Josef Albers an der Yale University, das er 1964/65 abschloss, folgten jeweils einjährige Studienaufenthalte in Florenz und Paris. Seitdem lebt Richard Serra in New York, wo er 1966 erstmals Gummi verwendete und 1968 mit seiner werkbestimmenden Arbeit mit Blei begann. Das hierbei erprobte Prinzip von Stützen und Lehnen erweiterte er zum Grundprinzip seines skulpturalen Werks. In dieser Zeit entwickelte er eine eigene Werkgrammatik, die auf formaler Reduktion, dem aktiven Bezug zum Raum und dem zentralen Thema von Schwerkraft und Gleichgewicht basiert. Es entstehen Skulpturen, die den Betrachter die kritische Balance verschiedener Kräfte erfahren lassen und in raumgreifenden Dimensionen zu physisch und psychisch erfahrbaren Größen seiner Wahrnehmung werden.

Nach Serras erster Einzelausstellung 1969 bei Leo Castelli in New York folgten weltweit zahlreiche große Skulpturenausstellungen, Landschaftsprojekte und ortsspezifische Installationen in seinem ureigensten Material, Stahl. Nach seiner großen Retrospektive im Museum of Modern Art 2007 zeigt Richard Serra zurzeit die für das Grand Palais in Paris geschaffene monumentale Skulptur „Promenade“.

Seit 1971 entstehen neben plastischen Werken großformatige Zeichnungen in verschiedenen Techniken. Es ist ein Werkkomplex, der für ihn gleichbedeutend neben dem skulpturalen steht und über den er selbst sagt: „Ich zeichne gern. Das ist eine Tätigkeit, der ich vertraue, eine Art Anhängigkeit. Zeichnen belohnt mich unmittelbar für meine Anstrengung, und das Ergebnis deckt sich mit meinem Einsatz. Es ist eine Tätigkeit, die Alleinsein verlangt. Es ist der konzentrierteste Raum, in dem ich arbeite.“ An anderer Stelle bestimmt Serra das Zeichnen als Quelle seines Werks, auch weil es ihm die Freiheit gebe, über die elementaren Bedingungen seiner Skulpturen nachdenken zu können, ohne sie nacharbeiten zu müssen. Serra hat immer gezeichnet. Zur Yale Art School wurde er aufgrund von Zeichnungen zugelassen, die er eingereicht hatte. Die Farbe seiner Zeichnungen ist schwarz. Eine dichte Paintstickschicht absorbiert und zerstreut das Licht, hervortreten dafür Masse, Dichte und Volumen der Zeichnung. „Schwarz ist eine Eigenart, keine Eigenschaft. Als Gewicht verstanden, ist Schwarz schwerer, schafft ein größeres Volumen und lässt sich in einem Feld auf die Fläche komprimieren. Es ist mit Schmieden vergleichbar. […] Die Verwendung von Schwarz ist die klarste Methode, eine Markierung gegen eine weiße Fläche zu setzen.“ (Richard Serra) Es ist für den Künstler also auch die klarste Methode, etwas zu kennzeichnen, ohne Assoziationen auszulösen. Denn das Schwarz wird als stoffliche Substanz und nicht als Farbe verstanden. Anders jedoch als die raumbezogenen „Wall Drawings“, die auf Leinen gearbeitet direkt mit den Proportionen und Maßsystemen der bestehenden Architektur operieren, sind Serras Zeichnungen auf Papier kontextunabhängig. Der Rahmen dient vielmehr dazu, Papierzeichnung und Wand voneinander zu trennen.

Richard Serras Zeichenmaterial ist der Paintstick, eine wachsartige Ölkreide, die in feste Stiftform gepresst ist. Serra schmilzt mehrere Stifte, um sie zu großen Pigmentklötzen zusammenzugießen. Dieses Umrüsten ermöglicht ihm den großflächigen, dichten Auftrag des Materials Schwarz. Der Künstler trägt die für das Zeichnen erwärmte oder geschmolzene Farbe entweder direkt mit großen Armbewegungen auf das Papier auf oder benutzt als Zwischenträger ein Fliegengitter, durch das er die Farbe presst. Bei den neuen Arbeiten mit dem Titel „Solids“ geht Richard Serra noch einen Schritt weiter. „Die geschmolzenen Paintsticks werden auf eine harte Oberfläche am Boden gegossen. Manchmal, aber nicht immer kommt ein Stück Fenstergitter auf die flüssige Paintstickmasse. Das Papier wird entweder auf das Gitter oder direkt auf die flüssige Masse gelegt. Mit einem schweren Anreißzeug wird Druck auf die Rückseite des Papiers ausgeübt. Die Vorderseite des Papiers nimmt die Markierung auf. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wo die Vorderseite des Papiers durch ein geschwärztes Gitter markiert wird, wird nichts direkt auf die Vorderseite gezeichnet. Ich sehe die Zeichnung erst, wenn das Papier vom Boden abgezogen und umgedreht oder das Gitter abgehoben wird.“

Das Material und der gesamte Arbeitsprozess dienen dem schrittweisen Aufbau der Zeichnung. Es ist ein elementarer Prozess, der mit intensiver Kraft ausgeführt das Ergebnis einer unmittelbaren Handlung ist. Durch das Aufspalten und Abbrechen des Duktus verhindert Richard Serra den Charakter des Gestischen und ermöglicht eine dichte Oberflächenkonstruktion. Gestische Merkmale vermeidet Serra, um das Bewusstsein des Betrachters zu schärfen und auf die eigene Körperlichkeit zu lenken. Ihm geht es nicht um subjektive Gesten, um narrative Verweise; im Mittelpunkt seiner Zeichnungen steht das Prinzip des Markierens, des anonymen Duktus, in dem die Zeichnung über die Dichte des Materials und den kompakten Arbeitsprozess selbst ihre Form zu finden scheint. Gerade weil jede illusionistische Strategie vermieden wird, können die Formen gleichzeitig Gewicht, Masse und Volumen implizieren. Denn Richard Serra weiß, auch durch seine Ausbildung bei Josef Albers, sehr wohl, dass das Gewicht einer Zeichnung nicht nur von der Zahl der Wachskreideschichten abhängt, sondern hauptsächlich von ihrer Form.

Für die Arbeiten der Serie „Weight and Measure“ hat Richard Serra zwei große Bögen zweifach laminierten Hiromi-Papiers zusammengefügt. Er hat jeden der beiden Bögen als aktive Substanz und nicht als passiven Bilduntergrund behandelt, indem er das obere Blatt so platzierte, dass es sich geringfügig mit dem unteren überschnitt. Zusammen mit den schichtartig aus Paintstick aufgebauten schwarzen Flächen erinnern diese Werke wie die „Diptychs“ in ihrer Arbeitsweise an das Ausbalancieren von 4/9 KUB 08.03 Presseinformation Richard Serra Stahlplatten mit Raum, Gewicht, Gleichgewicht, Größe, Maßstab, Platzierung und Dichte.

Die „Rounds“ und „out-of-rounds“ sind das Ergebnis eines kraftintensiven Materialaufbaus, der den Formen durch die dicken Ablagerungen des Paintsticks materielle Präsenz, Masse und Gewicht verleiht. Dabei markiert bei den „out-of-rounds“ eine gebogene Pappform den Kreisumfang und begrenzt den Paintstick während des Aufbaus. Das durch den hohen Druck herausschießende flüssige Material hat die explosiven Markierungen an den Rändern erzeugt.

Mit der für Bregenz geschaffenen Arbeit „Forged Drawing“ greift Serra eine in den 1970er- und 1980er-Jahren in Angriff genommene Werkserie auf. Dabei handelt es sich um Stahlblöcke in den vier Grundformen, die man mit einem Schmiedehammer herstellen kann: Kreis, Rechteck, Oktogon und Quadrat. „Das sind die Bausteine, auf welche die meisten Schmiedeprodukte zurückzuführen sind. Ich dachte, es sei der Mühe wert, darauf aufmerksam zu machen, dass Kreis, Rechteck, Oktogon und Quadrat die zeichnerischen Grundelemente für alles sind, was die Schmiede einer Hütte produziert. Ich habe die Tatsache sozusagen wörtlich genommen und re-präsentiert, indem ich die Stahlformen an die Wand hängte und ihre Oberfläche mit Ölkreide überzog.“

Serras zeichnerische Programmatik, Körperbewusstsein mit Materie zu verbinden und sowohl die visuelle als auch die taktile Wahrnehmung zu integrieren, ermöglicht ein Erleben von verdichtetem, intensiviertem Raum in Verbindung mit verdichteter, materialisierter Zeit.

Mit rund 60 Werken zeigt das Kunsthaus Bregenz erstmals seit 1990 das zeichnerische OEuvre des Bildhauers Richard Serra. Das Katalogbuch, das zu dieser historisch wichtigen Ausstellung erscheint, entsteht in enger Zusammenarbeit mit Richard Serra und präsentiert sechs Werkgruppen aus nahezu zwanzig Schaffensjahren. Ein besonderer Höhepunkt ist, dass die großformatigen »Diptychs« aus dem Jahr 1989 der neuesten Werkgruppe der »Solids« (2007/08) gegenübergestellt werden. Das für Bregenz neu bearbeitete Werk »Forged Drawing« vermittelt mit den Werkgruppen »Weight and Measure«, »Rounds« und »out-ofrounds« die eigenständige Kraft und künstlerische Bedeutung von Richard Serras zeichnerischem Werk.

Alle Arbeiten der Ausstellung werden in großformatigen, teils als Ausklapper gestalteten hochwertigen Abbildungen wiedergegeben. Die mit dem Werk Serras vertrauten Kunsthistoriker James Lawrence und Richard Shiff schreiben kenntnisreich über das zeichnerische Schaffen Serras, das gleichwertig neben dem skulpturalen steht. Eine eigens auf die Werkgruppen der Ausstellung bezogene Biografie und Bibliografie machen das zweisprachige Katalogbuch zu einem Standardwerk der Serra-Literatur. Richard Serra Work Comes out of Work Deutsch/englisch Hrsg. von Eckhard Schneider Gestaltung: Peter Dorén, Dorén+Köster, Berlin Mit Beiträgen von James Lawrence und Richard Shiff 228 Seiten, 24 x 30 cm Hardcover, Leinen mit Schutzumschlag. Aus der Werk- und Produktionsnähe zu den Künstlern entstehen exklusiv für das Kunsthaus Bregenz spezielle Editionen, die während der Laufzeit der Ausstellungen dem Publikum zu einem besonders attraktiven Preis angeboten werden. Die Arbeit stammt aus der Werkserie »out-of-rounds« von 1999 und wurde als Plakatmotiv und als Sonderdruck für die Edition von Richard Serra ausgewählt. Das spezielle Druckverfahren vermittelt die dichte Materialität der schwarzen Ölkreide, aus der die Zeichnung im Original aufgebaut ist. Richard Serra out-of-round X, 1999/2008 Novaton-Druckverfahren (Duplex mit Drucklack) auf schwerem Tintoretto- Gesso-Papier Papierformat: 69,4 x 59,4 cm Limitierte Auflage von 251 Stück, nummeriert und signiert.

Partner und Sponsoren Das Kunsthaus Bregenz bedankt sich bei seinen Partnern für die großzügige finanzielle Unterstützung und das damit verbundene kulturelle Engagement.