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03.09.2022 - 23.10.2022
Eröffnung: 03.09.2022 um 15:30

ROCHADE.Was sonst?
Gibt es Strategien für eine lebenswerte Welt?

KünstlerInnen:
Eilert Asmervik, Adrian Buschmann, İlkin Beste Çırak & Nigel Gavus, Sigrid Mau

Kuratorin:
Irmi Horn

Die international besetzte Ausstellung zeigt im kunstGarten und der Street Gallery Arbeiten von Eilert Asmervik, Adrian Buschmann, İlkin Beste Çırak& Nigel Gavus und Sigrid Mau und wird von der Bürgermeisterin der Stadt Graz, Frau Elke Kahr, und der Kunsthistorikerin Iris Kasper, MA eröffnet.Die jungen Künstlerinnen setzen sich mit den Lebensbedingungen, Hoffnungen, Erwartungen und Aussichten der Erdenbewohnerinnen kritisch, humorvoll, sarkastisch und überaus ästhetisch auseinander.
Sie zeigen Perspektiven und Blickwinkel, die vom Jetzt, dem status quo, in die Zukunft gerichtet sind und wie bisher in der Kunst bedeutungsvolle Szenarien in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen lassen. Zeitgenössische Positionen & Utopien treten in einen Diskurs.

In Zeiten der Pandemie und des Krieges, der Zeitbombe Klimawandel, der weiterhin ungerecht verteilten Güter der Erde und der Gewinne daraus, die durch Leistung unzähliger namenloser und großteils ausgebeuteter Menschen und deren Kinder erzielt werden, sind die meisten Menschen noch nicht dazu bereit, auf Überfluss zu verzichten, Gerechtigkeit einzufordern und dafür aufzutreten: eine Gerechtigkeit, die den Rechtsstatus, das Eigentum an den Produktionsmitteln, das Einkommens- oder Ausbildungsniveau, das Geschlecht, die nationale oder ethnische Herkunft betrifft.

Mag der eine oder die andere meinen, wieso werden Künstlerinnen oder Kulturinstitutionen unterstützt, wo es doch an so vielen Ecken und Enden fehlt. Immerhin gibt es zu bedenken: Ende 2020 besaß 1,1 Prozent der Weltbevölkerung 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens. Im Jahr 2021 galten in Österreich insgesamt rund 1,6 Millionen Personen als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Über eine Million Kinder sterben jährlich an schwerer, akuter Mangelernährung, und jeden Tag sterben etwa 150 Arten – Tiere und Pflanzen – auf dieser Welt aus und kehren nie wieder zurück.

Aus der Geschichte wissen wir, dass viele Künstlerinnen ein hartes Leben fristen mussten und nur gut überleben konnten, wenn sie Gönnerinnen hatten. Und diese Mäzen*innen schmückten sich dann meistens mit der abgelieferten Kunst.

Auch Leonardo da Vinci überlebte durch Mäzene. Z. B. Ludovico Sforza, Cesare Borgia, Lorenzo de Medici. Da Vinci war ein universalgelehrter Künstler und hinterließ vor seinem Tod noch Informationen wie diese: „Die Luft wird dünner und ohne Feuchtigkeit sein, die Flüsse werden ohne Wasserzufuhr bleiben, das Erdreich nichts mehr wachsen lassen. Die Tiere werden verhungern. Auch den Menschen wird nichts übrig bleiben, als zu sterben. Die einst fruchtbare Erde wird wüst und leer.“

Und genau aus diesem Grund, dass Künstlerinnen, von denen noch immer viele ums Überleben ringen müssen, und Gelehrte dorthin zeigen, wo etwas zu hinterfragen ist, sollten wir alle uns glücklich schätzen, wenn Kunst auch in Zeiten wie diesen anerkennenden Respekt findet, öffentlich gefördert wird und Menschen berühren kann.
Künstler
innen sollten von ihrer Arbeit „Kunst“ leben können. Ihre Arbeit sollte nicht als finanzielle Wertanlage, sondern als ästhetisch-empathisches Erlebnis oder ethisch-moralische Folter, als Wertanlage eines Erkenntnisgewinns gesehen werden.

Wenn Kunst und Kultur als fundamentale Bestandteile der Gesellschaft erkannt werden, sollte auch ein Zusammenhalt der Menschen durch eine Rochade in den Besitzmechanismen zu einer gerechten, lebenswerten Welt errungen werden.

Oder reicht es, wenn die Kunstsammlung Habsburg-Lothringens im kunsthistorischen Museum aktuell für € 18 öffentlich zugänglich ist?

Eilert Asmervik, geboren in Trondheim, Norwegen, studiert seit 2019 Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien (Klasse Daniel Richter), lebt und arbeitet seit 2021 in Paris (Beaux Arts de Paris).
Auf der Suche nach dem Unbekannten zog Eilert im Alter von 15 Jahren nach Malmö, Schweden, um das Bryggeriets Gymnasium zu besuchen, das Skateboarding als zentralen Bestandteil in den Lehrplan integriert.
Anschließend studierte er klassische Musik und Improvisation (Birka FHSK, Schweden). Dabei lernte er instrumentale Disziplin, die Früchte restriktiver Schöpfung, Methoden, sich selbst nicht im Weg zu stehen, das Pausieren, die Wege des Zen, polyphone Harmonie und andere universelle Prinzipien der unendlichen Schöpfung zu schätzen.
Seit Beginn seiner Beschäftigung mit Bildender Kunst (Prosjektskolen, Oslo, 2018-19) arbeitet er hauptsächlich mit Malerei und Sound.
Als Mitbegründer der internationalen, fluiden Freiheitsplattform „InterStar“, die eine Oktave über Asger Jorn und eine unter Sun Ra agiert, trägt er kontinuierlich bei, interdisziplinären, intermediären, inter-ästhetischen Ausdruck in die Welt zu bringen, in Form von Guerilla-Shows, Publikationen, Editionen, Konzerten und anderen, experimentellen Formaten.

Die frühen Arbeiten Adrian Buschmanns (Kattowitz/PL 1976) waren geprägt von Referenzen zur Kunst der Romantik, von der Suche nach dem Nichts, von an Verweigerung grenzender Reduktion. Die Beschäftigung mit Vorbildern (Picabia, Chwistek, Kandinsky) zeigt sich in Buschmanns Werk ebenso wie das Streben nach selbstreferenziellen Eigenschaften eines Gemäldes. Ein komplexes System aus Zeichen und Strichen, vorwiegend abstrakt mit wenigen figürlichen Details, daneben nicht klar begrenzbare Farbflächen, Textbestandteile und stark malerische Partien definieren seine Kompositionen. Adrian Buschmann studierte an der Akademie der Künste Berlin bei Daniel Richter und erhielt einen Anerkennungspreis des STRABAG Artaward International 2013. Seit 2014 lebt und arbeitet Buschmann an der italienischen Riviera, in Wien oder sonstwo. Seine Installationen im kunstGarten sind eine Überraschung, sie entstehen vor Ort und sind ab der Eröffnung zu sehen.

İlkin Beste Çırak & Nigel Gavus

1994 Izmir, lebt in Wien / 1992 Graz, lebt in Wien und Graz

İlkin Beste Çırak ist als bildende Künstlerin und Poetin tätig. Sie ist Absolventin der Universität für angewandte Kunst (Social Design) und studiert derzeit Bildhauerei & Raumstrategien an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ausgehend von öffentlichen Räumen als Kern des Zusammenlebens beschäftigt sie sich mit Lokalitäten, Identität, Kulturproduktion und Partizipation. Sie lebt und arbeitet in Graz und Wien.

Nigel Gavus ist als Filmemacher und bildender Künstler tätig. Er absolvierte die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film und studiert derzeit an der Akademie der bildenden Künste Wien. In seiner Arbeit beschäftigt er sich mit Zeit, Erinnerung, Identität und der Beziehung zwischen Poesie und Kino. Er lebt und arbeitet in Wien und Graz.

It’s on a day like this … (16mm to Video, Color, Sound, 16:00 min, 2021)

Synopsis:
Eine Frau liegt auf einem Bett, umgeben von alltäglichen – popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen das ganz Große umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt durch Genauigkeit und Prägnanz entgegentritt.

Der Film könne denken, indem er Verhältnisse zwischen Menschen und Dingen herstelle und abbilde, schrieb Alexandre Astruc. In Nigel Gavus’ und İlkin Beste Çıraks It’s on a day like this… wird die bestechende Klarheit dieser Beobachtung im Film und am Film augenscheinlich: Eine Frau liegt auf einem weiß bezogenen Bett, umgeben von einfachen – alltäglichen, popkulturell aufgeladenen wie auch persönlich symbolischen – Dingen. Sie tritt mit diesen in einen Dialog, berührt sie, greift sie auf, bringt sie in Bewegung und legt sie wieder weg. Dazu entspinnt sich auf der Tonspur ein Strom von Gedanken, der im Kleinen, der Welt der Objekte, das ganz Große, die Fragen der Existenz in einer Gegenwart außerhalb des Bildes, umkreist: ein Film, der der Beschränktheit einer von vier Wänden umgebenen Welt, eines von vier Seiten umgebenen Kaders durch die Genauigkeit und Prägnanz eines körperlichen Spiels und eines filmischen Blicks entgegentritt. Alles ist möglich, auf kleinstem Raum, im Kino wie im Leben.

Text: Alejandro Bachmann

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Letters from a Window (35mm to Video, B&W, 4:30min, 2020)

Synopsis:
Stillstehende Bewegung – Bewegung im Stillstand – Fotofilm. Momentaufnahmen einer Reise durch städtische Zonen, durch ein verloren gegangenes Außen. Dazu das poetisch-monologisierende Voice-over einer Frau, die über die Trennung von der Welt, über Erinnerung und Traum reflektiert. Ein surrealer filmischer Brief über die unwirkliche Stimmung in Krisenzeiten.

„I’m a shadow. I’m a vague image that travels in memories. What distinguishes a human from a picture?“ Eine Frau auf dem Weg durch eine Stadt. Momentaufnahmen des Außen, des urbanen Treibens, von Architektur, Menschen, Gesichtern und flüchtigen Begegnungen. Festgehalten in kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern – Standbilder, denen durch Bewegungsunschärfen, Bildmontagen und eine atmende Handkamera Leben eingehaucht wird. Stillstehende Bewegung, Bewegung im Stillstand, Fotofilm. Das lebendige Leben aber spielt sich auf der Tonebene ab: Stadtgeräusche, Straßenverkehr, hier und da Stimmen von Passant/innen – Abhandengekommenes. Das, was den Menschen ausmacht, von Steinen unterscheidet, entfaltet sich im poetisch-monologisierenden Voice-over, das über die Trennung von der Welt und von geliebten Menschen, über Erinnerung und Traum reflektiert. Innere Bewegung, Entfremdung, Sehnsucht. Die unwirkliche Stimmung einer Zeit der Krise – festgehalten in einem surrealen filmischen Brief, den es zu übermitteln gilt.

Text: Michelle Koch