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Roger Ballen wird 1950 in New York City geboren. Über seine Mutter, Adrienne, kommt er bereits als Jugendlicher mit der Fotografie in Berührung. Ab Mitte der 1960er-Jahre arbeitet sie zuerst in der Agentur MAGNUM, bevor sie 1968 in New York die Galerie »Photography House« gründet. Auch wenn seine ersten fotografischen Arbeiten bereits in den späten 1960er-Jahren entstehen, studiert Ballen Psychologie an der UCLA in Berkeley. Nach dem Ende seines Studiums reist Ballen 1974 zum ersten Mal nach Südafrika. Zurück in den USA, beginnt er ein Geologie-Studium, das er 1981 abschließt. Im gleichen Jahr zieht Ballen nach Südafrika. Dort angekommen beginnt er 1982 mit den Aufnahmen für die Serie »Dorps«, vier Jahre später erscheint das gleichnamige Buch. Es ist bereits das zweite – die erste Publikation, »Boyhood«, war 1978 noch in den USA erschienen.

Ulrich Pohlmann schreibt über »Boyhood«: »In manchen Bildern dieser frühen Serie ist Ballens Interesse und Faszination an dem Grotesken, dem Abgründigen und der surrealen Ambivalenz menschlicher Verhaltensformen, die zu seinem künstlerischen Markenzeichen werden sollten, erkennbar. Auch formalästhetisch finden sich Merkmale späterer Aufnahmen wieder wie die Isolierung der Figur vor leeren Wänden und abstrakten Hintergründen, die das Physiognomische umso deutlicher zutage treten lassen. Auffällig ist weiterhin Ballens Bestreben, dem dreidimensionalen Raum eine abstrakte Flächenwirkung abzugewinnen, um die Personen wie auf einer Bühne agieren zu lassen.« (Ulrich Pohlmann: 'A shadow runs through my work'. Ein Versuch, das Unnennbare zu benennen. Zu den Fotografien von Roger Ballen, in: Roger Ballen. Fotografien 1969–2009, Ausst.kat. Stadtmuseum München/Sammlung Fotografie, München 2010, S. 7). In dieser Beschreibung sind bereits Verweise auf die nachfolgenden Serien, die Roger Ballen anfertigt, angelegt. Pohlmanns Bezüge zum Grotesken und dem Surrealen wie auch sein Vergleich mit dem Agieren auf einer Bühne, nehmen sogar schon die Arbeiten der aktuellen Ausstellung »Theater der Absurdität« vorweg.

Mit »Platteland«, das Ballen 1994 veröffentlicht, dem Jahr in dem das Apartheid-System abgelöst wird durch die ersten allgemeinen Wahlen Südafrikas, kommt es zu einem Skandal. Ballens Aufnahmen einer weißen Unterschicht, die sich weiterhin der sich auflösenden Rassentrennung widersetzt und den Veränderungen ablehnend gegenübersteht, entsprechen in keinster Weise dem Bild, das diese Gesellschaftsgruppe von sich in der Öffentlichkeit sehen will. Die Aufnahmen sind zumeist Ganzkörperporträts, einzeln oder als Doppel- bzw. Gruppenporträt. In den meisten Fällen sind es die Wohnräume der Menschen selbst, in denen die Bilder entstehen, in seltenen Fällen auch Außenaufnahmen. Ballen zeigt die Menschen mit direktem, unverstellten Blick, legt gerade dadurch auf schonungslose Art und Weise die Tragik offen, die augenscheinlich die Lebensumstände dieser Menschen vollständig umschließt.

Zu diesem Zeitpunkt ist die formale Herangehensweise Ballens an seine Motive bereits ausgestaltet. Quadratischer Bildausschnitt, ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß, das die Aufnahmen bestimmt und Ihnen vordergründig einen objektiv-dokumentarischen Anschein gibt. Ballen selbst nennt die Weiterentwicklung dieses Stils später »dokumentarische Fiktion«. Die folgenden Serien, allesamt als Publikation in einen bestimmten Rahmen und Umfang gebracht, heißen »Outland«, »Shadow Chamber« und »Boarding House«. Weiterhin besucht Ballen Orte, die außerhalb des anerkannten Gesellschaftsspektrums liegen. Immer stärker wird die Interaktion zwischen dem Fotografen und seinen Akteuren zu einem bestimmenden Merkmal seiner Arbeit, die sich direkt auf die Inszenierungen auswirkt. Menschen und Räume, Tiere und Objekte, am Ende auch Zeichnungen und ganze Raum-Collagen, dies alles wird zu den Variablen in Ballens Fotografien. Er selbst ist derjenige, der diese Variablen setzt, sich immer wieder aber auch auf die Spontaneität des Personals einlässt. Dabei entstehen Aufnahmen von absurder Eindringlichkeit, berührende Momentaufnahmen wie auch drastische Bilder, die eines jedoch nie zulassen: den unbeteiligten, Distanz haltenden Betrachter.

Einen weiteren Schritt in dieser Entwicklung vollzieht Ballen mit der Serie »Asylum of the Birds« und der gleichnamigen Publikation aus dem Jahr 2014. Der Mensch als körperliches Wesen ist darauf kaum noch als Ganzes zu sehen. Stattdessen sind es einzelne Körperteile, Hände, Arme, die kombiniert werden mit Puppenköpfen- und -körpern, Tiere, vor allem Vögel, bevölkern die Szenerie. Dies alles spielt sich ab vor einem vollständig komponierten Hintergrund, bestehend aus ganzen Raumschalen und Installationen aus Objekten, Requisiten, Zeichnungen und Collagen. Der menschliche Ausdruck zeigt sich gespiegelt in einer animalischen Fratze, während die Umgebung wirkt wie ein surrealistischer Darkroom, der das tiefste Innere der menschlichen Seele ans Tageslicht befördert. Wie stark dabei autobiographische Bezüge eine Rolle spielen, lässt ein Zitat Roger Ballens erkennen: »My purpose in taking photographs over the past forty years has ultimately been about defining myself. It has been fundamentally a psychological and existential journey.«