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Rollen, Akteure, Bühnen, Skripte ... ein Blick auf die Bildlichkeit dieser Begriffe offenbart uns die Gesellschaft als Theater. Wir alle sind Akteure unterschiedlicher kultureller, sozialer und biologischer Rollen. „Wir alle spielen Theater“(Erving Goffman), um den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen zu entsprechen und um unser „Selbst“ darzustellen. Während die Gesellschaft auf eine möglichst reibungslose Koordination von Akteuren und Rollen angewiesen ist und „Spielverderber“ marginalisiert, therapiert, ein- oder aussperrt, thematisiert die Kunst gerade die problematischen Reibungsflächen und Bruchstellen zwischen Rolle und Akteur. Sie reflektiert unser Bedürfnis, hinter die Maske zu schauen, wo wir "authentische“ Menschen zu erwarten scheinen. Die Ausstellung gibt erstmals anhand von Fotografien, Grafiken, Videoarbeiten und Installationen einen Überblick über das Phänomen des Rollenspiels als Thema der Kunst von den paraphrasierenden Tableaux vivants des 19. Jahrhunderts bis zu den Rollenspielen in den sozialen Netzwerken des Internets. Um der Historie und Heterogenität des Spiels gerecht zu werden, gliedert sich die Schau in thematische Felder.

Identitätsprobleme und -entwürfe waren zentrale Themen zeitgenössischer Kunst der 1990er Jahre und wurden in verschiedenen Ausstellungen, die häufig weibliche Identitätsentwürfe ins Zentrum stellten, aufgegriffen. Was ist seit der Debatte der 1990er Jahre passiert? Wie haben die Medien unser Rollenverständnis beeinflusst? 1998 konnte der Film Die Truman Show die totale Überwachung seines Protagonisten - der, ohne es zu wissen, von 5.000 Kameras 24 Stunden am Tag beobachtet, aufwächst und dem mit gigantischem Aufwand „Alltag“ fortwährend vorgespielt wird - noch als dunkle Zukunftsvision inszenieren. Mit der Realityshow Big Brother, die 2000 erstmals ausgestrahlt wurde, hat sich die Unterscheidung von privater und öffentlicher Rolle radikal geändert.

Nachdem der Aufruf der 1968er, spontan und authentisch zu sein, als Paradoxon durchschaut ist, lässt sich heute ein spielerischer Umgang mit Rollen und das mühelose Wechseln zwischen ihnen feststellen. Virtuelle Identitäten werden in Second Life und in Internet-Foren angenommen.Die Wiederholung und Verdopplung sind für das Rollenspiel zentral. In der Kunst folgt daraus aber eine besondere Pointe, indem die Wiederholungeiner ikonografischen Vorlage oder eines Kunstwerks die Rolle hervorhebt und die Selbstdarstellung als Reinszenierung entlarvt. Die Ausstellung schafft einen Überblick über die Thematik des Rollenbildes und Rollenspiels, der sich an folgenden inhaltlichen Leitlinien orientiert: Rollenspiele im 19. Jahrhundert, Religiöse Rollenspiele (biblische Szenen wie die Passionsgeschichte, Das letzte Abendmahl), Bildparaphrasen, Identitätsentwürfe (Reflektionen zur Künstlerrolle, Künstler als Kunstwerke, Geschlechterrollen und –stereo-typen, Travestie, Multiplikation und Wiederholung, Ethnische Identität, Ich ist ein Anderer), Theatralität, Fiction und Fantasy, private und öffentliche Rollen (Sozialisation, Soziale Klasse und Beruf), Serious Games (Re-enactment, Rollenspiel als Therapie und politisches Instrument). Zu diesen Themen sind unter anderem Positionen von folgenden KünstlerInnen im MdM MÖNCHSBERG vom 23. Juli bis 30. Oktober 2011 zu sehen:

Marina Abramović, Irene Andessner, Eleanor Antin, Hippolyte Bayard, Tina Barney, Christa Biedermann, Christian Boltanski, Candice Breitz, Claude Cahun, Julia Margaret Cameron, Robbie Cooper, Martin Dammann, Christoph Draeger, Marcel Duchamp, Yan Duyvendak, Sławomir Elsner, Eva & Adele, Harun Farocki, Cao Fei, Gilbert & George, Niklas Goldbach, Douglas Gordon, Francisco de Goya, Rodney Graham, G.R.A.M., Aneta Grzeszykowska, Fred Holland Day, Christian Jankowski, Glenn Kaino, Martin Kippenberger, Jürgen Klauke, David LaChapelle, An-My Lê, Ulrike Lienbacher, Urs Lü̈thi, Christopher Makos, Madame Yevonde, Man Ray, Anja Manfredi, Manon, Dieter Meier, Yasumasa Morimura, Adi Nes, Suzanne Opton, Ferhat Özgür, Jack Pierson, Sascha Pohle, Benjamin Rinner, Dirk Rose, Ugo Rondinone, Julika Rudelius, August Sander, Erik Schmidt, Elfie Semotan, Cindy Sherman, Taryn Simon, Elaine Sturtevant, Timm Ulrichs, Andy Warhol, Gillian Wearing, William Wegman, Hannah Wilke, Ming Wong, David Wojnarowicz u.a.m.