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Eröffnung: Freitag, 16. Januar 2009, 19:00

Roseline Rannochs Ordnung der Dinge

Dinge und Proben von Dingen, von Objekten, von Stoffen, von Teilen von Dingen, gefunden, gegossen, geworfen, zerfärbt, zerschnitten, aufeinander gestapelt, gesehen und unter dem Blick zerfallen – Sachen und Proben von Fragmenten von Stoffen, von Formen werden von Roseline Rannoch so angeordnet, so vereint, dass man ihre gewohnte Ordnung, der sie entstammen, noch ahnt, aber bereits konzentriert ist auf den Versuch, ein anderes Wahr-Nehmen und Be-Greifen der Welt einzuschlagen. Dem Wesen der Dinge auf den Grund zu gehen, um sie anschließend ‘ontisch’ kategorisieren und ordnen zu können, und sich so ihrer zu bemächtigen, ist noch bis heute das Prinzip unzähliger Diskurse und ästhetischer Praktiken. Roseline Rannoch führt in ihren emanzipierenden Objektanordnungen nicht nur vor, dass ein solcher Essenzialismus seit langem nicht mehr greift. Begegnet man Rannochs (An-)Ordnungen der Dinge wird einem vor allem auch unweigerlich klar, was man alles gewinnt, gibt man die altmetaphysische Wesensauffassung auf.

Auch in ihren neuesten Konstellationen emanzipiert Roseline Rannoch wieder die Formen der Dinge von ihren Stoffen und die Stoffe der Dinge von ihren Formen. Aber nun verschiebt, zerlegt und ver-rückt Roseline Rannoch auch noch das Verschiebende, Zerlegende, Ver-Rückende selbst: ihren eigenen Blick. Er wird zum sezierten Objekt, zum Bild und Abbild seiner selbst, er geht fremd und kehrt dann wieder zurück zu ihr, um sich so verändert weiter über die Welt und ihre Ordnung der Dinge zu stülpen. So finden sich in Rannochs Anordnungen diesmal neben vielen anderen auch eigene, sehr persönliche visuelle wie haptische Wahrnehmungsutensilien und Requisiten wieder – neben Filtern, Scheiben, Messgeräten und Münzen auch ein neues sowie ein abgetragenes Paar Schuhe und ein benutzter Kontaktlinsenbehälter. Derart nähert Roseline Rannoch sich ihrem eigenen Abbild in den Dingen und in den Blicken und dem Abbild der Dinge und der Blicke in sich. Sie führt die Stoffe, Bedeutungen und Inhalte vor, mit denen diese Dinge aufgeladen sind, und aufgeladen werden von uns allen, und verschiebt sie gekonnt, von einem Objekt zum anderen und vom Subjekt zum Objekt und zurück; aber nun auch sehr persönlich, ja intim von sich selbst zum Anderen und wieder zurück. So lässt Rannoch nun auch ihre und unsere Blicke sich narzisstisch ineinander spiegeln, lässt sie fantasmatisch im Raum schweben, und sich gegenseitig be-greifen und be-bildern – idiosynkratischen Bildern gleich, kurz bevor sie diskursiviert, mitgeteilt und verstanden werden. Zwei gestisch gegossene und geformte, Embryonen ähnliche kleine Klumpen, die sich aneinander spiegeln und gegenseitig verformen. Ein steril-kühler, glänzender Metalltisch, vermenschlicht mit einer Uhr am Gelenk. Raum, Blicke und Objekte sezierende Scheiben, die Regenbögen zaubern und zurechtschneiden auf dem Körper dieses Tischs – oder wessen Köper denn eigentlich genau? Schließlich Kontaktlinsen, zum Einsatz bereit. Alles Techniken des Selbst für ein verbessertes Leben und ein schärferes, präziseres Sehen: des Selbst, des Anderen und der (alten wie neuen) Ordnung der Dinge und wieder zurück, wiederholt und zugleich verschoben.

Was so entsteht, und vor Augen gestellt wird, sind Urszenen der ästhetischen Betrachtung und des Begreifens, der Zerteilung in Subjekt und Objekt. So wie im Fall der kleinen, einem Hologramm ähnlichen Anordnung um die scharfe sezierende Radiantscheibe. Hier meint man nicht nur Grundbedingungen der Wahrnehmung und ihrer Diskursivierung und Verbegrifflichung verhandelt zu finden, sondern zugleich auch die Grundsätze von Roseline Rannochs visueller, ästhetischer und ethischer Vorgehensweise selbst. Aber die neuen Dingkonstellationen von Rannochs arbeiten so nicht allein an einer ‘Versinnlichung’ dieser Vorgehensweise. Sie lassen auch die existentiellen Fragen an deren Grund fühlbar werden. Immer wieder meint man – wie in dem Embryo und Asche, Anfang und Ende zusammendrängenden Hologramm – jene Fragen zu vernehmen, die auch das sub-jektive ästhetische Schreiben Louis Marins anleiteten: "Was bin ich? Was bin ich gewesen?“ Und in der hologrammatischen Anordnung insbesondere dann auch noch jene – spiegelverkehrt – sich spiegelnde und verstärkende Zuspitzung, die diese Fragen bei Marin erfahren: „Bin ich ein Anderer? Ein Anderer, ist er Ich?"

Olga Lewicka

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Roseline Rannoch