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ROSSELLA BISCOTTIs künstlerisches Werk umfasst Videos, Fotografien und bisweilen auch Skulpturen. Ihre Arbeiten entwickeln sich über einen längeren Zeitraum fort und finden ihre endgültige mediale Form zumeist in einem Video. Häufig beleuchten sie Geschichte und Geschichten im Zusammenhang mit Menschen, die nie im Licht der Öffentlichkeit standen, aber in Biscottis Arbeiten zur Quelle der Reflexion über individuelle wie auch kollektive Identität, Erinnerung und deren Darstellung werden können. Ausgangspunkt eines Werkes ist bei Biscotti stets ein gesellschaftliches oder politisches, eventuell weit zurückliegendes Ereignis, auf das die Künstlerin z.B. in Form einer Dokumentation oder Zeitungsnotiz aufmerksam wird und das sie in der Folge akribisch recherchiert. Die gefundenen Dokumente, Fragmente einer individuellen Geschichte, überführt Biscotti mithilfe ihrer Arbeiten in Reflexionen über Identität, unseren Bezug zur Realität und die Darstellung von Erinnerung. Das subtile Wechselspiel zwischen verborgenen bzw. multiplen Identitäten, Fiktion und Realität sowie die sich überlagernden Zeitebenen machen dabei die charakteristische Anziehungskraft von Biscottis Videos und Installationen aus.

Die Installation A short story about memory, pentothal and dreams besteht aus mehreren Komponenten – einer Audioarbeit, die im gesamten Ausstellungsraum zu hören ist, einem Stapel Zeitungen am Boden, die die Übersetzung des Gesprochenen enthalten, einer Diaprojektion und an den Wänden verlaufenden Sitzbänken aus Metall. Bei der Audioarbeit handelt es sich um Aufzeichnungen psychoanalytischer Sitzungen, die zwischen 1987 und 1991 in den Niederlanden stattfanden. Erst der darin zu Protokoll gegebene Satz: “Siebte Sitzung. Herr Dik de Boef, unter Einwirkung von Pentothal...”, ermöglicht dem Zuhörer die Einordnung der Aufnahme und lässt ihn verstehen, dass es sich um die Geschichte eines Menschen handelt, der sich einer Behandlung durch den umstrittenen Psychiater Prof. Jan Bastiaans unterzieht, der seit den 1980er Jahren LSD sowie das als “Wahrheitsdroge” bekannte Pentothal zur Therapie von Trauma-Patienten aus dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Die Details und Fragmente von Information in den Aufnahmen lassen den Besucher ein kollektives mnemonisches Szenario erleben: es geht hier nicht nur um die Geschichte und den Blickwinkel eines Individuums, sondern um unser aller Geschichte – die schrecklichen Geschehnisse des Krieges und dessen Entstehungsfaktoren aus psychoanlaytischer Sicht, die hier zwischen Traum und Wachen, Drogeneinfluss und Psychodrama Gestalt annehmen.

ROSSELLA BISCOTTI, geboren 1978 in Molfetta (Italien), lebt und arbeitet in Rotterdam. Ausstellungen u.a.: Prix de Rome, Witte de With, Rotterdam (2009); Emerging talents Award, Center of Contemporary Art, Strozzina, Florenz (2009); La teste in oggetto, Nomas Foundation, Rom (2009); Piccolo Museion, Bozen (2008); The Undercover Man, Wilfried Lentz, Rotterdam (2008); You have to be focused, prometeogallery by Ida Pisani, Lucca (2008).

Rossella Biscotti ist Stipendiatin der Fondazione Palazzo Strozzi, Florenz im Rahmen des Internationalen Atelierprogramms. Die Künstlerin wird zudem durch ein Unterhaltsstipendium des Fonds voor Beeldende Kunsten, Vormgeving en Bouwunst, Amsterdam gefördert.