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Beim Betrachten der Arbeiten Rudolf Polanszkys überfällt mich oft ein geradezu nostalgisches Gefühl, das mit Traditionen in der österreichischen Kunst zu tun hat, mit Theater, Aktion, Musik, mit der Synthese verschiedener künstlerischer Formen überhaupt. Das barocke, opulente eines hierzulande so tief verwurzelten "Welttheaters” scheint sich vor einem aufzutun. Nichts ist zu spüren von den reduktionistischen oder manchmal gar asketischen Attitüden, mit denen Kunst andernorts sich so oft auf die Suche nach einer Klarheit oder anderen Wahrheit begibt. Bei einem zweiten Hinsehen gerät dieses Bild einer opulenten Ganzheit mit all ihren komplexen Zusammenhängen jedoch aus den Fugen. Während man zunächst den Eindruck hatte, die Kunst sei stabil in einer historischen Tradition beziehungsweise in einer komplexen Logik ihrer konkreten Entstehungsgeschichte verankert, zerfallen diese Zusammenhänge in einer subversiven und manchmal auch ironischen Art. Nachdem Polanszky zu einer Generation von Künstlern gehört, die zunächst mit der Vormachtstellung des Aktionismus konfrontiert war, will ich meinen Eindruck an seinem Beispiel weiter erläutern. Es scheint mir beim Aktionismus zwei geradezu extreme Gegenpositionen zu geben - einmal eine, die die Aktion als Synthese eines Gesamtkunstwerks sieht, in der also alle performativen Teile, wie auch alle Gegenstände in einer direkten Beziehung zu einer Grundidee oder einem Glaubenskonzept stehen. Das Schaffen von Hermann Nitsch ist hier ein gutes Beispiel, bei ihm sind etwa die Tafelbilder oft die Träger von Relikten einer Aktion, als Bewahrer des zeitlich begrenzten performativen Aktes. Demgegenüber steht die Aktion als radikale Alternative zu tradierten künstlerischen Ausdrucksmitteln bis hin zur Antikunst. Exemplarisch dafür steht etwa Otto Mühls Satz "Sinn dieser Aktion war es, eine ungeheure Sauerei zu veranstalten”. Einmal soll das Theatralische also im Mittelpunkt eines ganzen Systems von Referenzen und Gegenständen stehen und einmal soll es eine Alternative zu künstlerischen Formen oder zur Kunst überhaupt bilden. Polanszky scheint mir nun genau an diesem Punkt mit seiner Kunst anzusetzen, indem er einerseits alle möglichen ästhetischen Register von Aktionskunst, aber auch von Pop Art und abstrakter Malerei zieht, diese aber ihres gewohnten Kontexts und ihrer gewohnten Geschichte völlig beraubt, gleichzeitig die Kunst aber nicht zu erweitern oder gar zu verlassen sucht. Der Titel der Bilder dieser Ausstellung, "Reconstructions”, wirft hier eigentlich mehr Fragen auf als welche zu beantworten. Sie spielen oft mit der Figur von Relikten oder kunstgeschichtlichen Inhalten und Symbolen, ohne das diese auf etwas zurückzuführen sind - ein möglicher performativer Zusammenhang scheint sich nicht nur verflüchtigt zu haben, es scheint diesen niemals gegeben zu haben. Dieses nicht festlegbare Moment erlaubt aber andererseits ein wesentlich größeres Spektrum an nicht vorhandenen Referenzen. Polanszkys "ad-hoc-Synthesen” sind vom Interesse getragen, gerade keine eindimensionale geradlinige Referenz zu erzeugen, sondern nach allen möglichen Richtungen die verschiedensten Referenzen fast, aber eben nur fast zu erzeugen. Es gibt nicht das eine Zentrum in den Bildern, sie handeln gleichzeitig von klassischer abstrakter Malerei, Skulptur, Pop-Art, Aktionismus und mehr, aber diese Multiplizität von Handlungsräumen bringt jenes Gerüst zum Einsturz, von dem die Kunstgeschichte und damit auch unser Sehen von Kunst so abhängig ist. Als "spontanes Erzeugen einer Gebrauchsstruktur mittels Zusammenschließens vorhandener Elemente zum Zwecke einer entwickelnden symbiotischen Veränderung der Elementarbasis” wird die ad-hoc-Synthese vom Künstler definiert. Es ist also die Elementarbasis, die verändert werden soll, die Definition von künstlerischer Neuerung soll den üblichen Wächtern entzogen werden, da diese den fixen Ausgangspunkt ja besonders nötig haben, um von dort aus ihre Geschichte zu schreiben. Die Gesamtheit wird in den Bildern immer nur angedeutet, wenn man hinter den Bildern zu ihr gelangen will, fällt man ins Nichts. Weder etwas Tatsächliches noch eine mythische Projektion gibt es dort. Vagheit wird zu einer Verfahrensweise, die das klare künstlerische Programm mit seinen fixen Spielregeln und seinen daraus resultierenden Restriktionen kritisch untersucht und unterläuft. Eine Kette von Andeutungen stellt sicher, das wir uns immer noch im Bereich der Kunst mit all ihren Traditionen bewegen – das Ganze hat nichts mit formaler Erweiterung oder Antikunst zu tun. Die blauen Flächen in den Bildern erlauben aber kein kontemplatives Verweilen in einer abstrakten Komposition. Es gibt keinen Versuch, die Objekthaftigkeit zu überwinden, aber auch sie kann sich ihrerseits auch nicht permanent manifestieren, da sie im nächsten Moment wieder von einer Komposition oder einer Geschichte überdeckt wird. Das Bild ist so nicht das Resultat einer Geschichte, sondern löst die Geschichte im Nachhinein auf. Die Videoarbeiten sind mit dieser Verfahrensweise vergleichbar. In "Zu einer Semiologie der Sinne” wird der gezeigte Akt des sich sinnlosen Betrinkens nicht etwa bei einem "Ziel dieser Videoarbeit war es, sich sinnlos zu betrinken” belassen, sondern die einzelnen Handlungsmuster werden wie in einer Partitur bezeichnet, so dass eine Art rhythmische Struktur angedeutet wird, die sich aber nicht am gezeigten Narrativ festmachen lässt. Beim Betrachten gerät man so in eine Art Kreisverkehr, der es einem unmöglich macht, jemals zu einer Moral von der Geschicht’ oder ihrer Negation zu geraten. In "Der musikalische Affe” muss das Medium Film bzw. Video den Umweg über Schwarzweißphotographie und Collage nehmen, Avantgardefilm vor dem Avantgardefilm sozusagen. Das dreht die Geschichte des Mediums aber nicht einfach um und macht sie zum Witz. Gleichzeitig werden den Gesten nämlich Laute gewissermaßen unterstellt, so dass sich ein komplexes, nicht durchschaubares Geflecht von visueller und auditiver Information ergibt, das durch den repetitiven Charakter auch nicht leichter entschlüsselbar wird. "Gedächtnis und Musik” spielt mit dieser Komplexität weiter, verschlüsselt die Referenzen aber noch mehr. Die mit der Hand bediente Spirale fährt mit ihren Punkten über Notenlinien im Raum und gibt wie der Cellist in Hinteransicht vor, für die Töne verantwortlich zu sein. Auf einem dritten Monitor werden mit verschiedenen Spiralen schließlich tatsächlich Töne erzeugt. Die dazugehörigen Zeichnungen unterstreichen eine zugrundeliegende Systematik, die aber eben nie wirklich auffindbar ist. Daneben noch die Spirale als mögliche Skulptur, entweder einfaches Objekt oder komplexe Maschine. Polanszkys Methode ist es, sich einem System von Kunst nicht unterzuordnen, sich ihm aber auch nicht zu verweigern. Die Gesetzmäßigkeiten des Systems werden nicht untersucht, indem die eine oder andere Möglichkeit bis zum Anschlag verfolgt und weitergetrieben wird oder versucht wird, eine Blick von außen auf das System zu werfen. Vielmehr bedient er dieses mit möglichst allen seinen Möglichkeiten in einer großen Breite bis zu einem Punkt, an dem es aus seinen Fugen gehoben ist und sich neue Gesetze auftun oder auch nicht.

Martin Prinzhorn

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Rudolf Polanszky