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Ruud van Empel, 1958 in Breda geboren, studierte von 1976 bis 1981 an der Akademie für Bildende Kunst St. Joost, Breda. Er arbeitete in den Folgejahren zunächst als Grafik-Designer. Ab 1986 realisierte er eigene künstlerische Projekte. Von 1989 bis 1995 arbeitete er als Artdirektor für Fernseh- und Filmproduktionen. 1993 gewann er den Charlotte Köhler Fernsehpreis und 2001 für seine seit 1993 entstehenden freien Fotoarbeiten den H.N. Werkmanpreis. Im Januar 2006 wurden die Werke Ruud van Empels erstmals in den USA in der Ausstellung "Picturing Eden", George Eastman House, Rochester, N.Y. sowie der Einzelausstellung "Ruud van Empel - Perfection / Imperfection: New Photographs" in der Stefan Stux Gallery in New York gezeigt. Der Künstler lebt und arbeitet in Amsterdam.

Der holländische Künstler Ruud van Empel bedient sich für die Herstellung seiner Arbeiten unterschiedlichster technischer Bildquellen: Bis 2004 verwendete er von Fotografien, Scans oder Abbildungen aus Printmedien, heute ausschließlich Fotos, um auf dem Computerbildschirm Bäume, Blumen, Blätter, Tiere und Personen im Sinne einer Collage zu künstlichen Landschaften zusammenwachsen zu lassen. Diese Vorgehensweise entwickelt der Künstler bereits 1996 in der ersten Serie "The Offices", die deutlich auf seine frühere Arbeit als Set-Designer bei Fernsehproduktionen verweist. Der collagierte Aufbau der einzelnen "Offices" entspricht dem eines TV-Studios: Vor einem nur scheinbar dreidimensionalen Raum sind die Figuren wie Nachrichtensprecher passiv hinter jeweils einem Sprecher- oder Arbeitstisch platziert. Schon hier verwendet der Künstler verschiedenste Bildquellen wie gescante Gegenstände, Fotografien und Zeitungsabbildungen um seine an Bühnenbilder erinnernden Arrangements auf dem Bildschirm zu erarbeiten. Im Vordergrund steht dabei nicht eine naturgetreue, den Regeln der Proportion und Perspektive folgenden Darstellung, sondern vielmehr die Organisation der Bildgegenstände im Sinne einer flächenbezogenen Komposition, in der der Mensch als Mittelpunkt seine Bestimmung und Charakterisierung erst im Zusammenwirken den ihn umgebenden Gegenstände erhält.

Ein derartiger, computergestützter Fertigungsprozess, am ehesten mit dem "Sampling" in der Musik zu vergleichen, ist neuartig in der Kunstgeschichte und hat keine direkten Bezüge zu historischen Formen der Collage. Er ist vielmehr bereits selber Vorbild geworden für aktuelle Positionen, wie etwa für die Arbeiten von Loretta Lux oder Erwin Olaf.

Vorbilder für van Empels Computerlandschaften sind dagegen in der Malerei des ¸Naiven Realismus´ zu finden. Mit stilistischen Mitteln wie der Verschiebung von Proportionen, Lichtführung und Detailzeichnungen strebt er nach ausgewogenen Kompositionen. Wie schon bei den naiven Laienmalern dieser Strömung erscheinen auch seine Bildwelten vor allem harmonisch, friedvoll und schön. In der neusten Serie "World" wählt van Empel die Natur als Kulisse, mit der er an seine 2003 gefertigte Serie "Study in Green" anknüpft. Obwohl die üppigen Wälder in beiden Werkgruppen aus Einzelstücken gesampelt sind, wirken sie doch wie gewachsen - eine harmonische und zugleich magische Szenerie, die wiederum Assoziationen zu der Malerei der "Naiven Realisten" und insbesondere Henri Rousseaus späten Urwaldbildern weckt.

Van Empels Bildstrategie basiert auf dem von Vasily Kandinsky gefunden Begriff des ¸Großen Realen´. Seine Cibachromeprints erzielen hinter Plexiglas den Eindruck extremer Dreidimensionalität. Die Dinge erscheinen äußerst plastisch und damit sehr präsent. Der Künstler stattet die Gegenstände seiner Bilder so mit einer maximalen Wirklichkeitsbehauptung aus. Die hyperrealistische Dingdarstellung einerseits und der deutlich collagierte Bildaufbau andererseits, der den Charakter eines synthetischen Konstruktes unterstreicht, erzeugen ein Spannungsfeld zwischen Realität und Phantasie, ähnlich der mystischen Atmosphäre von Märchen. Dieser Effekt zeigt sich insbesondere in den reinen Waldmotiven der "Study in Green" Serie. Die dichten Waldstücke wirken ohne die Anwesenheit eines Menschen in ihrer Offenheit oder Leere besonders geheimnisvoll und spuky. Sie erzeugen eine ungebremste Neugierde, den Wunsch, hinter die Bäume zu sehen.

Einer klassischen Vorgehensweise in der Fotografie bedient sich van Empel, indem die Präsentation seiner Werke dem Grundprinzip der Serialität folgt. Die Abfolge mehrer Bilder gleicht einer Erzählung und potenziert die Anziehungs- und Wirkkraft seiner Kunst auf den Betrachter. Innerhalb seiner Serien "Study in Green" oder "World" wechseln sich Bilder mit und ohne Personenmotiven ab, so dass die Aufmerksamkeit des Betrachters zwischen der verlockenden Kulisse der Wälder auf der einen Seite und der Konfrontation mit dem persönlichen Gegenüber auf der anderen Seite pendelt.

Der personelle Bestand der van Empelschen Bilder - Erwachsene ("Offices"), Frauen ("Naarden Studies"), Babies ("Babies") oder Kinder ("Study in Green", "Neighbourhood" und "World") - lenkt die Assoziationen auf unterschiedlichste Inhalte, thematische Linien, die sich mit Blick auf die Ausstattungsdetails bis zu einem gewissen Grad konkretisieren lassen. Europas harmoniesüchtig bigotte Nachkriegszeit (weiße Socken und Kleider), Gentechnologie (Babies), kleinbürgerliche Enge (Neighbourhood) oder Zweiklassen-Weltgesellschaft und Globalisierung (sportbekleidete schwarze Kinder) sind die Themen, die den hübsch anzusehenden, paradiesischen Urnaturen ihre realitätsbezogenen Brüche verleihen.

Die große Gruppe der serienübergreifenden Kinderdarstellungen scheint als Leitmotiv für eine Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen eher befremdlich. Doch blickt man zurück, stellt man fest, dass in der Ikonographie der Kunstgeschichte das ¸unschuldige Kind´ traditionell von weißen Kindern dargestellt wird - ein Thema, das van Empel bekanntlich in seinen Serien "Babies", Study in Green" oder "Neighborhood" aufgegriffen hat.

Im Gegensatz dazu weicht van Empel in der aktuellen Serie "World" von dieser üblichen Ikonographie ab, indem er stattdessen Kinder mit einer schwarzen Hautfarbe wählt. Mit diesem Schritt nimmt van Empel einen politischen Standpunkt ein: Obwohl es offensichtlich ist, dass die Hautfarbe eines Kindes nicht nennenswert sein darf, steht dieses Kind im übertragenen Sinne nach wie vor im Focus der Diskriminierung, da seine Unschuld nicht von jedermann selbstverständlich anerkannt wird. Die Intensität der dunklen Haut und die durchdringenden weißen Augen verleihen den Gesichtern der Kinder eine außergewöhnliche Faszination; sie scheinen eine große Würde in ihrer Unschuld zu besitzen, so dass sie zu einem Symbol für die Perfektion der Schöpfung werden. Diese idealisierte Erscheinung kontrastiert jedoch nicht nur mit der traditionellen Ikonographie, sondern auch mit unserer politischen Realität. Der Künstler zeigt uns somit ein idealisiertes Bild einer arglosen Schönheit in einer abgeschlossenen Umgebung und führt uns damit eine Welt vor Augen, die tatsächlich nicht erreichbar ist. Die Ernsthaftigkeit und Last der Erwachsenenrealität erscheint gespiegelt an der Figur eines Kindes, das für Geborgenheit, Unschuld und naive Weltsicht steht, in besonderer Weise deutlich und hervorgehoben.

Ernsthaft und zu Auseinandersetzung auffordernd erwidern die Kinder in van Empels Bildern den Blick der Betrachter. Aus der Mitte einer von Seerosen, Schilf, Blättern und Zweigen bedeckten Wasserlandschaft ragt der Kopf eines schwarzen Kindes, das den Blick des Betrachters mit großen, scheuen Augen geradewegs zu erwidern scheint. Aber so sehr der Blick des Kindes auch die Aufmerksamkeit auf sich zieht, versinkt es doch gleichzeitig in der Farbenpracht und quasi-natürlichen Vielgestalt der Umgebung. Wie in "World # 7" befinden sich die Kinderfiguren häufig inmitten von dicht und üppig gewachsenen Dschungelwäldern und blicken mit ebenso stummer und ernster, aber keineswegs ängstlicher Miene drein, so dass die kindliche Unschuld zugleich süß und befremdlich wirkt.

Der so erzeugte spannungsgeladene Anschauungsprozess regt an und steigert die Lust an der selbsttätigen Reflektion und die Sensibilität für die anklingenden Themenkomplexe. Anders als etwa in den häufig mit ihm verglichenen Arbeiten der Künstlerin Loretta Lux ist das Spektrum seiner Themen vielfältig. Die technische und inhaltliche Komplexität seines Werkes zeigt dies deutlich. Der Künstler Ruud van Empel lebt wachen Auges in der Jetztzeit.

Maren Kirchhoff / Kai Brückner

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Ruud van Empel
World