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Eröffnung: Donnerstag, 28. August 2008, 19 Uhr

Mit der Ausstellung SOMETHING VAGUE von RYAN GANDER (*1976) zeigt der Bonner Kunstverein einen renommierten Vertreter der jungen britischen Kunstszene erstmals in einer Einzelschau in Deutschland. Sein Werk, welches durch eine Vielzahl formaler Mittel und Medien besticht, zeichnet sich durch eine konzeptuelle Herangehensweise und visuelle Einfachheit aus. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Kunst Halle Sankt Gallen konzipiert und ist für Bonn massgeblich erweitert worden. Sie bietet einen vertieften, aktuellen Einblick in das Schaffen des Künstlers.

Nachdem der Bonner Kunstverein im letzten Jahr JOHN BALDESSARI präsentiert und in der Gruppenausstellung NEUE KONZEPTE eine Vielzahl ganz junger Künstler mit konzeptuellen Ansatz gezeigt hat, wird mit der Einzelschau SOMETHING VAGUE von RYAN GANDER ein weiterer aktueller Künstler vorgestellt, welcher der historischen Konzeptkunst verpflichtet ist. GANDERS Oeuvre dreht sich um die Dekonstruktion und Offenlegung von Erzählstrategien, wobei selbstreferentielle und -reflexive Themen wie künstlerische Autorschaft oder Werkgenese zentral sind. Neben Videoinstallationen, Skulpturen und Fotografien umfasst seine künstlerische Praxis auch Gespräche und Unterhaltungen, die sich wie Performances gestalten, oder Künstlerbücher, die als Drehbücher für Fernsehserien erscheinen. Trotz dieser Heterogenität fokussieren und thematisieren GANDERS künstlerische Arbeiten die Frage nach der Bedeutung ihrer Form als phänomenologisches Substrat der kognitiven, kreativen und sinnlichen Prozesse von Produzent und Rezipient.

Ist der Betrachter von Kunst für gewöhnlich mit einem spezifisch gestalteten Objekt konfrontiert, auf dessen Sinn er sich einen Reim zu machen versucht, muss er bei RYAN GANDER die Werkzusammenhänge meist selbst zusammenfügen, bevor er zur eigentlichen Interpretationsleistung ansetzen kann. So nötigt z.B. „Making it up as he went along (Alchemy Box 7)“ 2008 den Betrachter dazu, sich zunächst einmal die Materialisierung des eigentlichen Werks vorzustellen. GANDER stellt eine Inventarliste aus, die über das nicht sichtbare Innenleben eines Sockels informiert. Die imaginierten Objekte im Sockel machen das Werk aus, das wiederum in einem Sinnzusammenhang gesehen werden will. Die Entstehung des Kunstwerkes und seine Betrachtung werden erst durch das Publikum wieder vereint.

Das Unsichtbare, das erst in der Vorstellung des Betrachters Gestalt annehmen kann, zieht sich als Thema wie ein roter Faden durch die Werke. Das weisse Papier, das darauf wartet, vom Künstler in irgendeiner Form be- und gezeichnet zu werden, bildet ein wiederkehrendes Motiv. „Felix provides a stage - (Eleven sketches for 'A sheet of paper on which I was about to draw, as it slipped from my table and fell to the floor” 2008 zeigt Aufnahmen aus dem Atelier des Künstlers. Die leeren Blätter stehen als Orte möglicher Kunstwerke verheissungsvoll im Raum. Die Arbeit rückt den Ort der Kunstproduktion ins Zentrum, das so luftig anmutende Atelier mit flatternden Papieren deutet auf die Leichtigkeit wie Flüchtigkeit künstlerischer Ideen hin. Die inszenierten Leerstellen sind auch in einer Bodenarbeit wieder aufgenommen, die aus laser-geätzten Kristallkugeln besteht: „A sheet of paper on which I was about to draw, slipped from the table and fell to the floor“, 2008.

Raumfüllende Absenz erfährt der Betrachter in der Ausstellung bei der Konfrontation mit „She walked ahead, leading him through a blizzard of characters“, 2008. Der Titel bezeichnet eine frisch verputzte Wand, hinter der sich eine Erzählung verbirgt. Diese hat GANDER einem Ghostwriter abgekauft, der den Text ursprünglich für den mexikanischen Künstler MARIO GARCIA TORRES geschrieben hatte, aber dafür nie vergütet worden war. Der Text wiederum bezieht sich auf das Pseudonym Alan Smithee, welches in den Jahren 1968-1999 von namhaften Regisseuren benutzt wurde, um ihre eigene Autorenschaft zu verbergen. Es handelt sich somit um eine mehrfach ineinander gewundene Geschichte von unsichtbaren Autoren und Platzhaltern. Der Text, im Auftrag von GANDER nur angebracht, um wieder vollständig und für immer hinter dem frisch verputzten Gips einer Ausstellungswand zu verschwinden, stimuliert nicht nur die Neugierde, gleichsam die Grundvoraussetzung des Gegenwartskunstpublikums, sondern thematisiert durch das Aufsetzen einer neuen Schicht auch die Ge-Schichte einer Institution.

GANDERS Ausstellung lässt sich als ein facettenreiches Entdeckungsfeld begreifen, das den Besucher durch minimale, theatralisch inszenierte Eingriffe in spielerisch miteinander vernetzte Erzählungen verwickelt. Durch die Hinterfragung von Erzählstrukturen und Wahrnehmungsprozessen und die damit entstehende Bedeutungssuche und -findung, thematisiert GANDER das menschliche Grundbedürfnis nach Sinnzusammenhängen, aber auch die Schwierigkeit, diese zu gestalten und in letzter Analyse zu interpretieren.

RYAN GANDER, 1976 in Chester geboren, lebt und arbeitet heute in London und Amsterdam. Er studierte an der Manchester Metropolitan University, bevor er die Jan Van Eyck Academie, Maastricht (1999-2000), und die Rijksakademie, Amsterdam (2001-2002) besuchte. Seine Arbeiten waren u.a. in der South London Gallery, London 2008, der ikon gallery, Birmingham 2008, dem CCA Wattis Institute, San Francisco 2007, dem Stedelijk Museum, Amsterdam 2007, der Tate Britain, London 2006, und dem MUMOK, Wien 2006 zu sehen. Im Rahmen der Art 36 in Basel hat GANDER 2005 den Baloise Kunst-Preis für seine Audio-/Videoarbeit „Is this guilt in you too - (Study of a car in a field)“, 2005, gewonnen.

Stationen:
07.06.08 - 10.08.08 Kunsthalle St. Gallen
30.08.08 - 02.11.08 Kunstverein Bonn