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Noch bis zum 2. Mai sind 34 fotografische Porträts aus den 1920er und frühen 1930er Jahren zu sehen. Sie befinden sich im Besitz der über 1.500 Originalabzüge umfassenden Sammlung Wilde, die dem Sprengel Museum Hannover 1992 als Dauerleihgabe übergeben wurde. Nach dem ersten Weltkrieg vollzog sich eine politische und gesellschaft-liche Neuorientierung, die zu einem radikalen Wandel in der Auffassung des Porträts führte und in einer außergewöhnlichen Vielfalt von innovativen Bildschöpfungen zum Ausdruck kam. An die Stelle von klassischen, an der Malerei geschulten, oftmals standardisierten Posen traten zuneh-mend spontane, natürliche Haltungen, die im Kontrast zu traditionellen Bildnisschemata standen. Hatte man in der Frühzeit der Fotografie oft bedauert, dass das fotografische Abbild den Menschen in aller Deutlich-keit mit all seinen Schwächen zeigt und versucht, durch aufwendige Re-tuschen ein möglichst schmeichelhaftes Bild des Porträtierten zu schaf-fen, entwickelte sich im Umfeld der „Neuen Sachlichkeit“ eine Vorliebe für detailgenaue und direkte Porträtaufnahmen. Begünstigt wurde die neue, oftmals experimentelle Auseinandersetzung mit dem Motiv auch durch die wachsende Bedeutung der Presse- und Werbe-fotografie. Der Bedarf nach einprägsamen Bildern, die die Welt aus bisher nicht wahrgenommenen Perspektiven zeigen und sich damit aus der Menge des schon Gesehenen herausheben, nahm zu und eröffnete den Por-trätfotografen neue Betätigungsfelder. So wurden beispielsweise viele der suggestiven Frauenporträts von Florence Henri, die den Typ der "Neuen Frau" zeigen, in illustrierten Zeitschriften publiziert. Neue Bildlösungen wurden auch bei Selbst- und Künstlerporträts entwickelt, die Fotografen wie Germaine Krull oder Maurice Tabard einen größeren künstlerischen Freiraum boten als Porträts privater Auftraggeber. Zu den beliebtesten Gestaltungselementen der 1920er und 1930er Jahre ge-hören radikale Perspektiven, Nahsichten, ungewöhnliche Ausschnitte, Beleuchtungskontraste, dynamisch wirkende Diagonalen oder Spiegelungen. Während einige der in der Ausstellung vertretenen Fotografen wie August Sander noch mit traditionellen Bildkompositionen arbeiten oder wie Marianne Breslauer an einer psychologischen Darstellung der Porträtier-ten interessiert sind, verzichten Florence Henri und Aenne Biermann be-wusst darauf, die Persönlichkeit des Abgebildeten durch bestimmte Acces-soires oder die Darstellung seiner Umgebung zu verdeutlichen. Stattdes-sen entwickeln sie eine Porträtauffassung, die der Sachfotografie sehr nahe steht und sich oftmals nur auf das ausschnitthaft gezeigte Gesicht des Abgebildeten konzentriert.

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Sammlung Ann und Jürgen Wilde
Porträtfotografie der 1920er und 1930er Jahre

Künstler: Aenne Biermann, Marianne Breslauer, Florence Henri, André Kertész, Germaine Krull, Albert Renger-Patzsch, Werner Rohde, August Sander, Maurice Tabard