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Santu Mofokengs (*1956) über Jahre hinweg fortgesetzte Werkserie „Chasing Shadows“ lotet die Bedeutung von Landschaft als Erinnerungsraum und Ort des magischen Denkens aus. Im neusten Komplex „Magic und Disease“ ist er zu den Höhlen nahe Clarens im Free State in der Umgebung von Johannesburg gefahren. Dieses Höhlenarreal gehört zu jenen heiligen Orten in Südafrika, die von religiösen Gemeinschaften als Raum des Zusammenlebens und der rituellen Praktik genutzt und von vielen Schwarzafrikanern als Ort spirituellen Beistands aufgesucht werden. Dieses Ereig-nis der Spiritualität in den und um die Höhlen, die Behausung und Landschaft zugleich sind, hat Mofokeng fast haptisch greif-bar in seinen Schwarz/Weiß-Fotos festgehalten. Mit dieser Serie greift Mofokeng ein enorm aktuelles und brisantes Thema auf: die Frage nach dem Status des Glaubens als sinnstifendem, integrierendem Moment aber auch als Instrument von Macht im politischen Diskurs.

Das, was sich nicht nur der Fotografie entzieht, das Magische, die Überschüssigkeit des Höhlenortes, scheint in Mofokengs Repräsentationen anwesend zu sein, vermittelt über eine Dar-stellungstechnik von minutiösem Licht- und Schatteneinsatz. Die Lichtführung modelliert das Mythische der Dinge und Menschen heraus, die plastisch präsent und weit entrückt auf einmal erscheinen. Diese im Foto deutlich sichtbar stehenbleibende Re-Inszenierung unterscheidet Mofokengs Landschaften maßgeblich von Dokumentarfotografie. Die Fotoserie ist eine Narration über den Ort und die sich dort manifestierende Geschichte des Landes Südafrika, da sich in den heiligen Höhlen afrikanische Stammes-kultur, christliche Missionierung und die aktuelle Situation überblenden zu einem kulturellen Raum, dem einzelne, verschie-dene Schichten und Splitter eingeschrieben bleiben. Diese Historizität des Landschaftlichen erscheint im Foto als merk-würdige Ortlosigkeit des Orts, der fast unwirklich nirgendwo und überall in Südafrika sein könnte.

Auf einem der Fotos steht ein Pferd auf einer Lichtung im dich-ten Wald, mythisch wie ein Einhorn verharrt es in absoluter Stille. Gebrochen wird diese Symbolhaftigkeit, ein Grundelement in Mofokengs Arbeit, und die Schönheit durch die extreme Abma-gerung des Tierkörpers, dessen Kopf und viertes Bein vollkommen verschattet sind. In die Serie der magischen Orte schiebt sich eine Metapher der Armut und der brutalen Geschichte des schwar-zen Südafrikas ein. Dass Armut eine Seele besitzt - auch davon berichten Mofokengs Fotos seit Jahren beharrlich und eindringlich.

Pablo Pijnappels (*1979) jüngster Film „Walderedo“ wurde in Brasilien und Japan gedreht und verfolgt die Wege seines Vaters in und zwischen diesen beiden Ländern. „Walderedo“ setzt nach „Felicitas“ und „Andrew Reid“ die Auseinandersetzung Pijnappels mit Erzählungen der eigenen Familiengeschichte(n) fort.

Der Künstler arbeitet dabei zum Teil mit gefundenem und zum Teil mit selbst produziertem Material. Deutlich erkennbar ist stets das Interesse an den Möglichkeiten, lose zusammenhängende Bilder zu Geschichten über Personen, ihre Wege, Verbindungen und Erinnerungen zusammenzufügen. Pijnappels Arbeiten dokumentieren keine Ereignisse, liefern keine Fakten, sondern greifen Momente auf und entwerfen ein Gewebe aus Bildern und Erzählungen, in dem oftmals Heutiges und Vergangenes zusammenfallen.

Der 16mm-Film „Walderedo“ changiert zwischen der Annäherung an seine Hauptperson und filmischen Bildwanderungen an eben jenen Orten, die für den Vater Pijnappels eine Bedeutung gewonnen haben. „Walderedo“ berührt Fragen nach Verortungsmöglichkeiten und kulturellen Identitäten, nach Distanz und Nähe. Zu beobachten ist eine Suche, ein Herantasten. Spuren werden aufgenommen und verlieren sich zwischen anderen Spuren, Bilder erscheinen und verschwinden wieder - wie Erinnerungen, die kaum greifbar vorbeiziehen, wenn der nächste Gedanke ins Bewusstsein tritt.

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Santu Mofokeng // Pablo Pijnappel