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Eröffnung 30. September 2016, 19 Uh

Eine Ausstellung mit Lili Dujourie, Isa Genzken, Astrid Klein, Mischa Kuball, Aron Mehzion, Reinhard Mucha, Sturtevant, Rosemarie Trockel und Gerhard Richter.

Täglich schauen wir mehrfach intensiv oder flüchtig in Spiegel und denken kaum noch über das Medium und seine faszinierenden Eigenschaften und Anwendungen nach: seitenverkehrt, abbildend, imaginär, raumbildend, reflektierend, transparent, narzisstisch, medizinisch usw. „Alice hinter den Spiegeln“ von Lewis Carroll aus dem Jahre 1871 führt uns in das Wunderland, in die faszinierende, surreale Welt der Dopplungen und Spiegelungen. Der Titel der Ausstellung ist dem fünften Kapitel des Buchs entnommen. Vor dem Hintergrund des fiktionalen, imaginären Raums und eintretend in den realen Raum der Kunsthalle, eröffnen sich verschiedene Fragestellungen, die mit unserem Spiegelbild und seinen Interpretationen, letztlich dem Selbst und einem Ich-Bewusstsein zu tun haben. Die Faszination des Selbst im virtuellen Bildraum des Spiegels bildet Spannungszustände des Subjekts und seines Umraums ab. Ausgehend von der Gattung der Skulptur und deren konkreten Materialien spiegeln sich in den Arbeiten der Ausstellung Verhältnisse des Individuums zur Welt und erlauben greifbare Interpretationen.

Fragen nach dem Original werden mit den Kopien der Amerikanerin Elaine Sturtevant thematisiert, ebenso direkt und konzeptuell stellt die Belgierin Lili Dujourie in ihren Arbeiten grundlegende Fragen zur Kunst und deren minimalistischen wie sinnlichen Beziehungen. Genauso radikal kommen eine politische Haltung und ein politischer Raum bei Astrid Klein zum Vorschein: Die Bestimmung des Wertes einer Referenz liegt im subjektiven Empfinden des Betrachters. Hierauf geht auch Rosemarie Trockel in sehr persönlicher als auch humoriger Weise ein. Bei Isa Genzken wird ein „Großes Fenster“ zur wesentlichen Erweiterung, nicht nur von Architektur, sondern von Proportion und gebautem Raum. Das Fenster zur Welt ist auch Spiegelfolie der Welt, wie uns Mischa Kuball mit „platon‘s spiegel“ verdeutlicht. Projektionsflächen, Monitore, Folien und Spiegel sind Metaphern unseres menschlichen Vorstellungsraumes.

Die Frage nach der Materialität von Objekten und ihrer nicht eindeutigen Um-Funktionalisierung spielt bei den Arbeiten Reinhard Muchas als Werk und Wirkung eine bedeutende Doppler-Rolle. Arbeit, Geschichte und Bedeutung sind in Materialien und Standorten gespeichert, und der Rahmen und die Umgebung definieren immer auch eine Haltung und Positionierung. Aron Mehzion wiederum führt uns in ein Labyrinth wahrnehmungsphilosophischer Bezüge, in einen unendlichen Denkraum; denn immer komplizierter wird unsere Welt – die Medien, die Wissenschaft, unser Ich. Immer komplexer werden die Aufgaben, immer unübersichtlicher verhakeln sich die Perspektiven in Zeit und Raum. Darüber hinaus beziehen Mehzion und Kuball sich indirekt auf eine zentrale Referenz für diese Ausstellung: den seit 1981 in der Kunsthalle Düsseldorf befindlichen „Spiegel“ des Malers Gerhard Richter.

Die Ausstellung ist eine räumliche Versuchsanordnung vielschichtiger Darstellungsebenen und reflektiert verschiedene Aspekte der Raum- und Bildbeziehung, von multiplen Perspektiven, von Ur- und Abbildern. Sie möchte Fragen danach stellen, was Kunst, Werk, Arbeit, Welt, das Ich und dessen Widerspiegelung als Erkenntnismodelle sein können. In der Verdopplung der Welt hinter dem Spiegel eröffnet sich paradoxerweise ein konkreter Referenzrahmen für unsere Fragen an das Reale und mögliche Formen von Wirklichkeit, die zwischen den Dingen liegt. Neben der generellen Frage nach Sinnlichkeit und Ästhetik steht in der Ausstellung somit ein Ausloten von Erkenntnis, Werten und Korrelationen zentral als Frage und Antwort im Raum.