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Das zeitgenössische Kino in Frankreich setzt sich in besonderer Weise mit migrationsbedingten Fragen auseinander. So extensiv, dass sich ein neues Genre gebildet hat, das „Cinema Beur” – Kino der nordafrikanischen Filmemacher, die in Frankreich aufgewachsen sind und Probleme der maghrebinischen Einwanderer in ihren Filmen thematisieren. In vielen dieser, wie auch anderer Filme des jungen französischen Kinos, trifft sich Frankreich als Kino- und Immigrationsland auf glückliche Weise. Abgesehen von ungewöhnlich erfolgreichen Produktionen wie „La Haine”, ist davon in Deutschland leider wenig zu sehen. Unser Bestreben war es jedoch nicht, rare oder entlegene Filme aufzutreiben, sondern gute und interessante Schlüsselwerke dieses engagierten Kinos zur Diskussion zu stellen, egal ob neu gefunden oder wieder entdeckt. (Harun Farocki und Antje Ehmann)

Kino in der Brücke, Kölnischer Kunstverein

Eröffnungsvortrag Harun Farocki anschließend Filmvorführung:

DEUX OU TROIS CHOSES QUE JE SAIS D’ELLE / ZWEI ODER DREI DINGE, DIE ICH VON IHR WEISS (Jean-Luc Godard) F 1966, 35mm, 90 min, Farbe, OmdU Sie – das ist die Pariser Vorstadt und die Protagonistin, die als Hausfrau und Prostituierte versucht, in ihr zu leben. Der Film aus den sechziger Jahren ist Frankreichs erster Banlieue-Film, noch bevor es das Wort dafür gab.

LE THÉ AU HAREM D’ARCHIMÈDE / TEE IM HAREM DES ARCHIMEDES (Mehdi Charef) F 1986, 110 min, Farbe, DF Der Pilotfilm des „Cinema Beur” über die Freundschaft des Maghrebiners Majid und des gallischen Franzosen Patrick ist voller filmischer Intelligenz und hat bis heute nichts an Kraft und Aktualität verloren.

LA HAINE / HASS (Mathieu Kassovitz) F 1995, 98 min, s/w, OmeU Schon in den ersten Wochen erreichte ”La Haine” über 500.000 Zuschauer, gewann in Cannes den ‘Best Director Award’ und wurde zum meist besprochenen Film der letzten Jahre. Inzwischen ist der Ausdruck ”banlieue”, den dieser Film behandelt, zum Synonym für Frankreichs größte Probleme geworden: Arbeitslosigkeit, soziale Exklusion, Rassismus, Suburbanismus, Kriminalität und Gewalt.

LA PROMESSE (Luc et Jean-Pierre Dardenne) Belgien 1996, 93 min, Farbe, OmdU Die Gebrüder Dardenne – Virtuosen des veristischen Kinos – erzählen die Geschichte des moralischen Erwachens eines 15 jährigen Jungen, der die skrupellosen Machenschaften seines Vaters nicht mehr mitragen will. In dokumentarisch anmutender Präzision vermittelt der Film auch ein Bild dessen, wie die Not illegaler Einwanderer ausgenutzt wird.

NENETTE ET BONI (Claire Denis) F 1996, 35mm, 103 min, Farbe, OmdU Zu Recht bekam Denis Film, in Locarno mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet, ein überschwengliches Presseecho. Am Leitfaden der Geschichte des Geschwisterpaares Nenette und Boni geht es um die Realität des Marseille der Arbeiterklasse. Migrationsthemen fädeln sich hier mit Leichtigkeit als Teil dieser Wirklichkeit ein.

LA VIE DE JESUS / DAS LEBEN JESU (Bruno Dumonts) F 1997, 96 min, Farbe, OmdU Es geht um das Leben einer Gruppe von Jugendlichen, die in der Provinz ihre Zeit mit Mopedfahren und Autoschrauben totschlagen und von der Zukunft nichts zu erwarten haben. Atemberaubend bis zur letzten Minute schafft es Dumont noch in der kleinsten Banalität des Alltags ein Geheimnis aufscheinen zu lassen. Ein Debut-Film, der es geschafft hat, das französische Kino auf die schönste Höhe zu treiben.

SAMIA (Philippe Faucon) F 2000, 73 min, Farbe, OmeU Faucon erzählt in ”Samia”, wie die algerische Immigrantin und ihre drei Schwestern normale französische Jugendliche sein wollen, und was sie daran hindert. Man meint, diese Geschichte bereits zu kennen. Doch mit einem so besonderen Nachruck in Bildfindung und Erzählform haben wir es selten, vielleicht noch nie gesehen.

TERRA INCOGNITA (Ghassan Salhab) F / Libanon 2002, OmeU, 35mm, 120 Min. Der letztes Jahr in Cannes gezeigte „Terra Incognita” ist ein erstaunlicher Film über das Leben einiger Mitdreißiger im heutigen Beirut, einer Stadt im Wiederaufbau nach sieben Jahren Bürgerkrieg. Das Thema der Migration beschäftigt einen jeden der vorgestellten Protagonisten notwendigerweise, denn es gilt vor allem, zu dieser Frage eine Haltung zu gewinnen: Sollen wir hier leben und bleiben, oder besser fortgehen.

„Selbstbilder-Fremdbilder” ist eine von dem Autor und Filmemacher Harun Farocki und der Filmwissenschaftlerin Antje Ehmann zusammengestellte Filmreihe zum Thema Migration, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes

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SELBSTBILDER - FREMDBILDER
Eine Filmreihe von Antje Ehmann und Harun Farocki
9. 11. - 7. 12., 19.00

Filme von Jean-Luc Godard, Mehdi Charef, Mathieu Kassovitz, Luc Dardenne / Jean-Pierre Dardenne, Claire Denis, Bruno Dumonts, Philippe Faucon, Ghassan Salhab