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Sex Smells. Körper und Geruch im 21. Jahrhundert
Julia Barbee, Peter de Cupere, Sarah Schönfeld, Clara Ursitti
Kuratiert von Jennifer Bork
Eröffnung: 01. September 2016, 19 Uhr
Ausstellung: 02.09.2016–06.11.2016

Der Kunstverein Wolfsburg entwickelt jedes Jahr ein Jahresthema mit Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Im Jahr 2016 lautet es „Sexualität in der digitalisierten Kultur”. Die Ausstellung „Sex Smells“ möchte in einer Gegenbewegung dieses Thema erfahrbar machen und widmet sich einem Bereich, der in der visuell konditionierten Digitalkultur – trotz intensiver Bemühungen auf dem Gebiet der „Digital Scent Technology“ – noch weitgehend inexistent ist: dem Geruch.

Geruch und Sexualität bilden eine untrennbare Einheit. Vermutlich entscheidet sich unsere Partnerwahl sogar zum größeren Teil über den Körpergeruch. Dating-Plattformen im Netz, die auf visuelle Reize fokussiert sind, haben dennoch einen hohen Zulauf. Zeitgleich wird individueller Körpergeruch immer mehr zu einem gesellschaftlichen Tabu. Obwohl die Antitranspirante unter den Deodorants aufgrund ihrer Krebsgefahr in der Medienkritik stehen, werden sie nach wie vor angeboten und gekauft. Warum? Stellt Schweiß eine Bedrohung für das geschlossene, optimierte Körperbild unser zeitgenössischen Gesellschaft dar? Durch Antitranspirante entsteht Geruch nur noch in sehr geringem Maße, sie wirken wie eine Versiegelung. Unsere Geruchsidentität wird damit kontrollier- und formbar. Doch verzichten wir durch den Versuch den eigenen Körpergeruch auszuschalten oder vollkommen umzucodieren freiwillig auf eine komplexere Form der Kommunikation? Wird die Erfahrungswelt unserer auf den Sehsinn konzentrierte Zeit gekennzeichnet von Oberflächenfixiertheit und damit eindimensional? Die Bilderflut der Digitalkultur könnte jedenfalls durch die Abwesenheit des Duftes zu einer Abwesenheit des Geschichtenerzählens werden. Diese Verbindung zieht der Philosoph Byung Chul Han 2009 in seinem Essay „Duft der Zeit“: „Die Erzählung lässt die Zeit duften. Die Punkt-Zeit ist dagegen eine Zeit ohne Duft. Die Zeit beginnt zu duften, wenn sie eine Dauer gewinnt, wenn sie eine narrative Spannung oder eine Tiefenspannung erhält […].“

Gerade der Duft des Körpers transportiert Intimität und Nähe, er berührt uns unmittelbar. Das Ausstellungsprojekt bringt zeitgenössische Positionen zusammen, die sich diesem Geruch widmen. Dabei wird nicht nur unsere Körperwahrnehmung im Spannungsfeld von Ekel und Anziehung untersucht, der Besucher wird auch angehalten, sich auf eine andere Form der Wahrnehmung einzulassen. Der Titel der Ausstellung Sex smells ist damit sowohl der Werbeformel Sex sells entgegengerichtet, rekurriert aber auch auf die Konstruktion von (Geschlechter-)identität (engl.: sex), die zu einem Großteil über Geruch funktioniert.

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Körperfrische ist oft so entscheidend
Archäologie im desodorierten Achselraum
Raum für Freunde
Eröffnung: 01/09/2016, 19 Uhr
Ausstellung:02/09–08/05/2016

Unter diesem Titel wird während der gesamten Ausstellungsdauer der Ausstellung Sex Smells eine Sammlung von Werbeanzeigen zum Thema Geruch, Deodorant, Körperhygiene aus Zeitschriften der 1920er-1990er Jahre zu sehen sein. Für die freundliche Leihgabe dieser Zeitschriften danken wir sehr herzlich unserem Vorstandsmitglied und Sammler Axel Bosse:

„Der Kampf gegen den Körpergeruch hinterlässt keine unmittelbaren Spuren. Geruch ist flüchtig, kein Geruch erst recht. Zum Ende des 19. Jahrhunderts war es noch der Kampf gegen den Schweißfuß, der in den Naturheilbüchern von Friedrich Eduart Bilz eigene Kapitel füllt. Doch die Heimat des menschlichen Geruchs ist die Achselhöhle. Sie ist eine Brutstätte des Lebens. Millionen von Bakterien mindestens 50 verschiedener Arten tummeln sich in der dunklen, feuchtwarmen Höhle. Im 20. Jahrhunderts beginnt die Massenproduktion von Gegenmitteln. Da die Mittel im Laufe der Jahre ihre Wirkung verlieren, kann ihrer Spur nur noch in der Werbung verfolgt werden.“ Darüber hinaus fand das Thema sogar Eingang in die Musik: The Who widmeten der Deo-Marke Odorono einen eigenen Song:   „She ripped her glittering gown
Couldn't face another show, no
Her deodorant had let her down
She should have used Odorono“
The Who, 1967