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SHIRANA SHAHBAZI (1. November - 19. Dezember, 2020)

Galerie Peter Kilchmann freut sich die dritte Einzelausstellung von Shirana Shahbazi (*1979 in Tehran; lebt und arbeitet in Zürich) in der Galerie zu präsentieren. Shahbazis konzeptuelle Praxis im Medium Fotografie zeichnet sich durch eine Vielfalt an Produktionsprozessen aus, an deren Anfang und Ende häufig die Frage nach der Rezeption von Bildwirklichkeit steht. In ihrer neuen Werkgruppe wird diese Frage durch das Zusammenführen vergangener Sujets und Techniken, wie z.B. die der Spiegelung und des Überlagerns von verschiedenen Bildebenen in der analogen Fotografie, zum zentralen Triebwerk und Leitgedanken. Gezeigt werden Werke im Gross- und Mittelformat (C-prints, 150 x 120cm und 90 x 70cm), kleinformatige Werke mit skulpturalen Keramikrahmen (C-prints) sowie eine Rauminstallation mit Farbe und bedruckten Wandtapeten.

Eine von Shiranas vielen Stärken ist es, ihre Motive, Farben und Produktionsprozesse so zu kombinieren, dass eine Kontiguität von verschiedenen Realitäten entsteht. In ihrer neuen Ausstellung folgt die Künstlerin dieser Idee mehr denn je: Räumlich und zeitlich versetzte Motive werden neu assoziiert und verschmelzen mit Licht und Farbe zu vermeintlich realen oder inszenierten Bildräumen von komplexer Mehrdeutigkeit. Die spezielle Schaffensphase, die der Werkgruppe voranging, war nicht zuletzt geprägt durch die Isolation und Entschleunigung während des Anfang April ausgelösten Lockdowns. Eine geplante Reise der Künstlerin in ihren Heimatort Tehran musste abgesagt werden. Der kreative Fluss, der durch den Austausch und die Begegnung mit Menschen und Orten entsteht und der für das Werk von Shahbazi eine bedeutende Rolle spielt, blieb aus. Stattdessen zog sich die Künstlerin in ihr Atelier zurück und erstellte in kontemplativer Archivarbeit eine Art intimes Inventar der Erinnerungen. Teilweise vertraute Sujets aus Natur/ Architektur, Stillleben, Landschaft und geometrischer Abstraktion trafen im Atelier auf ein neues, konzeptuelles Setting.

Gleich einer architektonischen Collage schuf die Künstlerin eine Fotokulisse aus sich überlagernden Bildebenen. Alte Fotografien, Testdrucke und Requisiten, wie Vasen, Früchte oder Blumenbouquets wurden farbigen Unterlagen vorangestellt und durch Mehrfachbelichtung neu inszeniert. Monochrome Farbflächen korrelieren mit narrativen Bildelementen, während sich farbige Lichtquellen aus verschiedenen Winkeln über die Komposition legen. Der Schatten der Projektionsfläche ist in einigen Bildern als dunkler Balken zu erkennen und gewährt dem Betrachter einen subtilen Einblick in den analogen Entstehungsprozess, der in vergangenen Werken bewusst unkommentiert blieb. So verraten die schwarzen Flächen Details über die Platzierung der gelayerten Bildebenen. Die für Shahbazi charakteristischen strahlenden Farben und scharfen Kontraste werden insgesamt gedeckter und weicher. Anstelle von Verkehrsrot und kräftigem Pink treten beruhigende Töne, wie Mitternachtsblau, Aubergine-Violett und Algengrün, die nur vereinzelt von grelleren Lichtreflexen unterbrochen werden.

Während die grossformatigen Werke eher architektonische Elemente zeigen, trifft man in den kleineren Werken auf abstrahierte Objekte, Blumen und Landschaftsdetails. Vereinzelt zeigen die Werke leere geometrische Formen oder lose arrangierte Papierbögen, die im farbigen Raum zu schweben scheinen. Es sind nahezu malerische Bildräumen, obgleich ihre „Leere“ vor dem Hintergrund des Lockdowns, des „Sich-nicht-bewegen-könnens“, eine neue Bedeutungsebene bekommt. Ein breiter Rahmen aus einfarbiger Keramik verleiht den kleinen Fotografien jeweils eine skulpturale Komponente.

Die Überlagerung und Assoziation von Bildräumen nimmt bei Shahbazi auch im architektonischen Sinne einen fundamentalen Teil ihres Schaffens ein. Wie in vergangenen Projekten, z.B. im Kunsthaus Hamburg (2018), in der Kunsthalle Bern (2014) oder im Museum of Modern Art, New York (2012), wird die Künstlerin die Wände der Galerieräume in ihre Ausstellung mit einbeziehen. Die Wände werden grossflächig mit Farben bemalt und bilden einen installativen Rahmen für die gehängten Studioaufnahmen. In beiden Ausstellungsräumen wird ausserdem eine bedruckte Wandtapete zu sehen sein, die mit monumental vergrösserten Motiven aus Tehran eine Art filmische Kulisse suggeriert. Shahbazi schafft so ein komplexes Zusammentreffen, und somit eine künstlich inszenierte Gleichzeitigkeit, zeitlich und räumlich versetzter Momente, nämlich dem archivierten Moment, dem Moment im Atelier und letztendlich dem Moment der individuellen Wahrnehmung durch den Betrachter im Ausstellungsraum. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Dokumentation und Fiktion, die den Betrachter anregt über Bildwirklichkeit, Identität und die fotografische Inszenierung zu reflektieren.

Die Werke von Shirana Shahbazi sind weltweit in den Sammlungen bedeutender Institutionen vertreten, wie dem Aargauer Kunsthaus, Aarau; Fotomuseum Winterthur; Guggenheim Museum, New York; Kunstmuseum Zürich; Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich; Museum of Modern Art, New York; Tate Modern, London; National Museum of Photography, Kopenhagen; Sprengel Museum, Hannover; u.v.m. Wichtige Einzelausstellungen fanden zuletzt u.a. im Kunsthaus Hamburg (2018); Istituto Svizzero, Mailand (2018); Museum Fotogalleriet, Oslo (2017); KINDL, Berlin (2017); in der Camera Austria, Graz (2016) sowie der Kunsthalle, Bern (2014) statt. Aktuell sind Werke von Shahbazi in der von Catherine Hug kuratierten Gruppenausstellung Smoke and Mirrors im Kunsthaus Zürich zu sehen. Die Ausstellung läuft bis zum 11. Oktober und wird im April 2021 in das Guggenheim Museum Bilbao weiterreisen. Zu den wichtigen Gruppenausstellungen der vergangenen Jahre zählen u.a. Niko Pirosmani, Fondation Vincent Van Gogh, Arles (2019); Swiss Pavilion: House Tour, 16. Internationale Architekturbiennale, Venedig (2018) und The Other and Me, Sharjah Art Museum, Sharjah (2014). Seit 2005 ist Shahbazi für Ihre Kunst im öffentlichen Raum bekannt, so war sie 2015 am Umbau-Projekt der ZKB beteiligt und gestaltete 2017 die Bürowände der neuen Axel Springer-Niederlassung, beides in Zürich. 2019 wurde ihr künstlerisches Schaffen mit dem Prix Meret Oppenheim ausgezeichnet.

Im Rahmen der Finissage am 19. Dezember, wird um 16:00 Uhr ein Künstlergespräch stattfinden