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Das Edith-Ruß-Haus für Medienkunst organisiert eine dreiteilige Veranstaltungsreihe, in der anhand von Filmen und Fernsehreportagen die Ansprüche und Erwartungen an Bilder vom Krieg, an ihre Wahrheit und Authentizität diskutiert werden: Am 18. Februar präsentiert die Journalistin und Redakteurin Maren Niemeyer ihre Reportagen aus Kriegsgebieten. Der Filme-macher Christian Frei zeigt seinen Film war photographer am 27. Februar. Bilder der Welt und Inschrift des Krieges, ein Film des Filmemachers und Medienkünstlers Harun Farocki, wird am 12. März von Hito Steyerl kommentiert.

Der Begriff 'Shock and Awe' wurde im Verlauf des Irak Krieges zum Synonym der amerikani-schen Blitzkrieg-Strategie: Er steht für den resoluten, auf Einschüchterung zielenden militäri-schen Großangriff. Die Idee dieser »Rapid Dominance« Strategie wurde vom Vietnam Veteranen und früheren Navy Piloten Harlan Ullmann bereits Mitte der 90er Jahre entwickelt. Ein gigantischer, kontrollierter Medienapparat sollte der Welt den schnellen Sieg anhand eines technisch sauberen und präzise geführten Krieges präsentieren. Neu an der Berichterstattung waren zudem die »embedded journalists«, eine begrenzte Anzahl ausgewählter Journalisten, die direkt von der Front berichteten. Trotz dieser Echtzeit-Reportagen - von CNN als »purer echter Journalismus« und als »erster Entwurf eines Geschichtsfernsehens« gefeiert - wächst das Miss-trauen an den Bildern. Obwohl sich viele Journalisten der wahrhaftigen Dokumentation von Kriegsereignissen verpflichtet fühlen, ist die Repräsentierbarkeit von Krieg fragwürdiger denn je. Wie aber sieht das »wahre« Bild von Krieg aus? Welche Ansprüche wiederum stellen wir an die Bildermacher, an Journalisten, Reporter und Künstler, um ihren Bildern von Krieg trauen zu können?

Mit anderen Augen, Maren Niemeyer, Mittwoch 18. Februar 2004, 20 Uhr

Maren Niemeyer, Redaktionsleiterin des Arte Frauenmagazins LOLA, kennt die Kriegsberichterstattung der Medien aus eigenen Erfahrungen: Während des Golfkrieges 1991 arbeitete sie für CNN in den USA, und 1999 berichtete sie für den ARD Kulturreport aus dem Kosovo. Anhand eigener Reportagen, gesendetem und ungeschnittenem Material, wird sie über die Produktionszwänge, also die schnellen, oftmals zensierten Medienbilder, sprechen und über Alternativen dazu. In einer Reportage über die Kriegsfotografin Anja Niedrighaus widmet sie sich den Fragen »Machen weibliche Kriegsreporter andere Bilder vom Krieg als ihre männlichen Kollegen und unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrer Auffassung von Krieg?« und thematisiert damit gleichzeitig das eigene Arbeiten.

Geboren 1964 in Bremen, studierte Maren Niemeyer in Paris und Berlin Publizistik und Filmwissenschaften und arbeitet seit 1986 als Journalistin und Autorin für die ARD, das ZDF, ARTE, PRO 7 und PREMIERE. 1991 ver-brachte sie als Arthur-F.-Burns-Stipendiatin mehrere Monate in den USA.

war photographer, 2001, 96‘, Christian Frei, Freitag, 27. Februar 2004, 20 Uhr

»..., und deshalb gehen Fotografen an die Front: um Bilder zu machen, die wahrhaftig genug sind, die beschönigenden Darstellungen der Massenmedien zu korrigieren und die Menschen aufzurütteln aus ihrer Gleichgültigkeit; um anzuklagen und durch die Kraft dieser Anklage noch mehr Kläger zu mobili-sieren.« James Nachtwey, Warum fotografiere ich den Krieg?, 1985

Der Schweizer Autor, Regisseur und Produzent Christian Frei folgt dem Kriegsfotografen James Nachtwey zwei Jahre lang in die Krisengebiete Indonesien, Kosovo und Palästina. Der Dokumentarfilm über den Fotografen mit Kultstatus, der in den letzten 20 Jahren »keinen einzigen Krieg ausgelassen« hat und als der »mutigste und beste Kriegsfotograf aller Zeiten« gilt wurde 2002 für den Oskar nominiert. Um Einblicke in die Motivation, die Ängste und den Alltag des amerikanischen Fotografen zu vermitteln, hat Christian Frei spezielle Mikrokameras am Fotoapparat von James Nachtwey befestigt: »Wir sehen wie ein berühmter Fotograf den ’Augenblick der Wahrheit‘ sucht. Wir hören jeden Atemzug. Der Zuschauer wird zum unmittelbaren Zeugen der Suche nach einem Kriegsbild.« Christian Frei, www.war-photographer.com

Geboren 1959 in der Schweiz, studierte Christian Frei Visuelle Medien im Fachbereich Journalismus und Kommu-nikation an der Universität Freiburg. Seit 1984 Arbeit als Regisseur und Produzent, u.a. regelmäßig für das Schwei-zer Fernsehen SF DRS. war photographer ist mehrfach ausgezeichnet worden.

Bilder der Welt und Inschrift des Krieges, 1988, 75‘, Harun Farocki, mit einem Kommentar von Hito Steyerl, Freitag, 12. März 2004, 20 Uhr

Luftaufnahmen von 1944 zeigen die Konzentrationslager in Auschwitz. Die Aufklärer der amerikanischen Luftwaffe haben sie zufällig mit fotografiert, als sie die IG-Farben-Werke in Monowitz für die Bombardierung erfassten. Kommentare auf den Luftaufnahmen machen deutlich, erst Jahrzehnte später und mit dem Wissen der Nachkriegsjahre wurde entdeckt, was die Alliierten nicht sehen wollten oder konnten: Die Gaskammern, die Todeswand und hunderte von Menschen. Die Aneignung der Welt durch Bilder und die Enteignung der menschlichen Sinne und Fähigkeiten diese zu deuten ist das zentrale Thema des Films. In einem Transfer historischer und aktueller Strategien von Kriegsbildern werden ihre medialen Stereotypen, wird ihre »Inschrift des Krieges« entlarvt.

Geboren 1944 in Nov_ Jicin (Neutitschein), studierte Harun Farocki 1966-68 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB). Nach Dozenturen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Manila, München und Stuttgart, 1993-1999war er visiting professor an der University of Cali-fornia, Berkeley. Farockis Oeuvre umfasst an die 90 Filme, darunter drei Spielfilme, Essayfilme und Dokumentationen. Seit 1966 zahlreiche Publikationen. 1974-1984 Redakteur und Autor der Zeitschrift Filmkritik (München). Seit 1990 außerdem zahlreiche Ausstellungen in Galerien und Museen.

»Die Bilder zeigen also die Wahrheit – aber eben nicht die ”ganze” Wahrheit. Sie erweisen sich als janusköpfiges Konstrukt, in dem ”Momente der Wahrheit” artikuliert werden können. Hito Steyerl, Dokumentarismus als Politik der Wahrheit, 2003 In ihren letzten Arbeiten widmete sich die Autorin Hito Steyerl dem filosofischen Begriff der Wahrheit und untersuchte seine Bedeutung im Kontext der aktuellen Popularität dokumentarischer Strategien.

Hito Steyerl lebt in Berlin, studierte Spiel- und Dokumentarfilm an der Hochschule für Visuelle Künste in Tokio und an der Akademie für Fernsehen und Film in München. Sie veröffentlichte filmische und literarische Essays zu Globalisierung, Rassismus und postkolonialer Kritik. Pressetext

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Shock and Awe - Kriegsbilder zwischen Dokumentation und Ideologie
Filme und Fernsehreportagen
mit Beiträgen von Maren Niemeyer, Christian Frei, Harun Farocki, Hito Steyerl
Konzept: Paula von Sydow